Grenzenloses Engagement

Gegen die Krise: Studierende stiften Frieden. Von Franziska Weil und Tasnim El-Naggar

Auf, auf in eine bessere Welt! Nur wie? Die Projekte Crisis Simulation for Peace (CRISP) und Studieren ohne Grenzen engagieren sich auf unterschiedliche Weise. Die Mission ist dieselbe: Frieden.

Der Gedanke, sich für Frieden zu engagieren, ist nicht neu. An der Umsetzung hat sich jedoch einiges geändert. Vor 40 Jahren lief das Engagement für den Frieden selbst nicht so friedlich ab: Es wurden Straßen blockiert, Schlägereien riskiert und zwischendurch auch ein paar Eier geworfen. Damals ging es gegen die damalige Hochschulpolitik, später gegen den Vietnamkrieg. Studierende sahen sich als Teil einer größeren Bewegung und wollten nationale und internationale Politik aktiv verändern. Heute greifen Studierende meist zu anderen Mitteln um internationale Probleme in Angriff zu nehmen. Viele der Friedensprojekte von heute sind spezieller, professioneller und pragmatischer. Zwei dieser Friedensprojekte hat FURIOS besucht:

Die Simulanten

Hektisch laufen Diplomaten in Anzügen umher. Ihnen folgen Journalisten. Mitarbeiter lokaler NGOs verhandeln mit Wirtschaftsgrößen der Region. Gespannte Stimmung in Novo Brdo, einer kleinen Stadt im Kosovo. Wird man eine Einigung erzielen können oder kommt es zum Eklat? Einige müssen noch Überzeugungsarbeit leisten und stecken in langwierigen Verhandlungsgesprächen. Denn Diplomatie ist kein Kinderspiel, sondern harte Arbeit. Vor allem muss sie gut geplant sein.

Einige Monate zuvor in einer Berliner Altbauwohnung sitzen junge Männer und Frauen um einen Tisch herum und besprechen die Voraussetzungen für das Projekt in Novo Brdo. Sie gehören zu dem gemeinnützigen Verein CRISP. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Nicht-Regierungs-Organisationen und gemeinnützigen Organisationen aus Novo Brdo veranstaltet CRISP ein Planspiel. »Die Idee ist, diese Form des Planspiels auf die Konfliktbearbeitung anzuwenden und so diese Methode, von der wir sehr überzeugt sind, weiter zu transportieren«, erzählt Andreas Muckenfuß aus dem Vorstand.Das Besondere an dem Projekt: Die Planspiele werden ausschließlich mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den jeweiligen Regionen durchgeführt, in diesem Fall kommen sie aus dem Kosovo.

Studenten spielen Staatsoberhaupt

In einem mehrtägigen Workshop schlüpfen die Teilnehmer in eine andere Rolle. Eigentlich sind sie Studierende oder Mitarbeiter in Nicht-Regierungs-Organisationen. Bei CRISP werden sie zu Staatsoberhäuptern, Diplomaten, Wirtschaftsbossen oder Journalisten. Dabei erfahren sie zunächst, unter welchem Zeitdruck politische Entscheidungen gefällt werden müssen. Es geht um Abkommen, Vereinbarungen und kreative Lösungen. Die einzelnen Akteure müssen einander entgegen kommen, ohne dabei den Blick für ihre eigenen Interessen zu verlieren. Das Ziel des Planspiels: die Teilnehmer für verschieden Positionen sensibilisieren und ihnen politische Entscheidungsprozesse und Dynamiken während eines Konfliktes näher zu bringen.

Wie gut gelingt es den Teilnehmern ihre Rolle zu übernehmen? »Meist sehr gut!«, so Gerrit Kraemer, ebenfalls im Vorstand von CRISP. »Natürlich ist es oft schwieriger für die Studierenden, die den Konflikt miterlebt haben.« So musste bei der Kosovo-Simulation ein kosovo-albanischer Student in die Rolle von Boris Tadic, dem aktuellen serbischen Präsidenten, schlüpfen.

Emotionen kochen hoch

Über den inhaltlichen Ablauf und Ausgang der Simulation geben die Organisatoren von CRISP den Teilnehmern nichts vor. »Das Thema ist zu sensibel«, sagen Andreas und Gerrit. Die Emotionen können bei den betroffenen Teilnehmern schon mal hoch kochen, weshalb hier eng mit den Partnerorganisationen vor Ort gearbeitet wird. Die konkrete inhaltliche Vorbereitung ihrer Rolle liegt bei den Teilnehmenden, die meist selbst im zivilgesellschaftlichen Bereich engagiert sind.

Das Planspiel im letzten Jahr fand großen Anklang und gemeinsam mit dem Lehrstuhl von Professor Dr. Sven Chojnacki führt CRISP in diesem Jahr ein Planspiel im Kaukasus durch. Da die Partner vor Ort meist nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, läuft die Finanzierung auch über deutsche Träger. So wurde das Projekt im Kosovo von Zivik, einem Programm zur zivilen Konfliktbearbeitung des Instituts für Auslandsbeziehungen, gefördert.

Studieren ohne Grenzen

Ein Friedensprojekt, das sich ebenfalls durch seine Professionalität auszeichnet, ist Studieren ohne Grenzen (SoG). Das Projekt konnte bereits in Belgien, Italien, Spanien und Deutschland Ableger bilden. Auch bei »Studieren ohne Grenzen« kommt man den Krisen der Welt sehr nah. Das Projekt fördert Studierende aus Krisengebieten, indem Vollstipendien vergeben werden. Gegründet wurde SoG im Oktober 2006 als Ableger der französischen Dachorganisation »Etudes sans frontieres«. In Deutschland konnte SoG bereits mehrere Ortsgruppen gründen, es gibt sie in Konstanz, Hamburg, Aachen, Frankfurt und in Berlin.

Bildung und Rabatt im Bioladen

Die Schwerpunkte von SoG liegen auf den Krisenregionen Kongo und Tschetschenien. Im Kongo werden 22 Studierende vor Ort gefördert. Die tschetschenischen Studierenden haben die Möglichkeit, ihr Studium in Deutschland zu beginnen oder fortzusetzen. Nach Abschluss des Studiums sollen die Studierenden aktiv der politischer Zukunft ihrer Region mitarbeiten. Eine Bewerbungsvoraussetzung ist deshalb auch ein gemeinnütziger und friedensfördernder Projektvorschlag, den die Stipendiaten realisieren wollen. Neben der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft spielt auch ihre Bedürftigkeit eine Rolle.

Frank Neher, der Leiter der SoG-Ortsgruppe in Berlin, beschreibt das Konzept dahinter so: »Gut ausgebildete Leute sind diskursiver, das heißt sie benutzen Worte statt Waffen, und das ist für eine bessere Zukunft sehr bedeutend«. Bildung ist eine unumstrittene Entwicklungsförderung. Diese Tatsache macht es für SoG leichter, Rückhalt und Unterstützung zu bekommen. So ist die Organisation inzwischen recht etabliert und hat durch gute Öffentlichkeitsarbeit einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Die Stipendien werden nicht von Unternehmen, sondern durch Fundraising und Patenschaften finanziert. Auch unmittelbare Vergünstigungen helfen, wie Ermäßigungen beim Einkauf im Bioladen oder bei der Miete des Studentenzimmers.

Studieren im Krieg

Seit Februar 2009 veranstaltet SoG die Wanderausstellung »Studieren im Krieg. Wenn Zukunft warten muss.« Die Fotos von Stanley Green zeigen Kriegsszenarien, dazu hängen Fragen aus: »Wie ist es, im Krieg zu studieren? Welchen Lerneffekt hat der Krieg?« Die Stipendiaten aus Krisengebieten kamen zur Ausstellung und schrieben ihre persönlichen, unterschiedlichen Antworten unter die Fragen.

Kritiker halten die Förderung, die SoG vergibt, für einen Tropfen auf den heißen Stein. Es ist ein pragmatischer Anfang. Dass ein Stipendiat seine friedlichen Ideen in seine Gemeinde trägt, kann langfristig viel bewirken. Gute Bildung kann den Stipendiaten Zugang zur Elite des Landes verschaffen und so können Demokratie, Toleranz und Frieden gestärkt werden. Je besser Leute aus Krisengebieten ausgebildet sind, desto höher ist die Chance auf einen stabilen Frieden und auf Wachstum in jeglicher Hinsicht.

Der Erfolg dieser Idee ist kaum messbar. Das Mindeste aber, was durch SoG erreicht werden kann, ist: Verständnis und Bewusstsein für den Frieden schaffen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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