»Wir diskutieren nicht mit Funktionären.«

FU-Präsident Dieter Lenzen im Gespräch über zusammengelegte Bibliotheken, studentische Mitbestimmung, geprüfte Atemzüge, intelligentes Design und seine Präsenz auf dem Campus.

Foto: Livia Mertens

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Das Gespräch führten Claudia Schumacher und Tin Fischer

Herr Lenzen, das ist wahrscheinlich das erste Gespräch zwischen einem FU-Präsidenten und seinen Studenten seit 10 Jahren. Was läuft schief am Dialog zwischen Studenten und dem Präsidium?

Überhaupt nichts. Wir haben hervorragende Beziehungen zu den Studierenden an der Basis. Wir diskutieren eben nicht mit Funktionären, sondern mit denen, die mit den Problemen direkt konfrontiert sind.

Sie haben nicht das Gefühl, dass es hier ein Kommunikationsproblem gibt?

Das ist keine Gefühlsfrage, sondern eine Frage der Faktizität. Und insofern kann ich das nur wiederholen.

Als Student sieht man Sie einmal zur Immatrikulationsfeier und bekommt dann noch ein paar präsidiale Mails. Ihr Vorgänger Gerlach hatte eine wöchentliche Sprechstunde. Gesine Schwan fährt mit dem Fahrrad über den Campus der Viadrina-Unversität…

Sie fuhr über den Campus, der aber auch ziemlich klein ist (lacht)… Sie unterschätzen den Alltag eines Präsidiumsmitglieds. Wir haben einen Tagesablauf, der um 8 Uhr beginnt und um 23 Uhr endet. Ich habe in meiner Amtszeit noch nie in Ruhe zu Mittag gegessen! Es gibt unglaublich viele wichtige Gespräche mit Leuten von innen und außen, an denen meistens sehr viel Geld oder wichtige Entscheidungen für die Zukunft unserer Freien Universität hängen. Seit April gibt es übrigens einen regelmäßigen Podcast, mit dem ich mich an die Mitglieder unserer großen Universität richte.

Und wo gibt es den Austausch mit Studenten?

In den Gremien findet die Kommunikation de jure und de facto statt. Darüber hinaus haben unsere Vizepräsidenten und ich in einer Reihe von Einführungsveranstaltungen jeweils zwei Stunden übernommen, um mit den Leuten an der Basis und nicht mit den Funktionären zu sprechen. Und es war erstaunlich und erfreulich, was da an Response kam.

Der da wäre?

Das fängt bei ganz banalen Dingen an, etwa, dass die Kopierkosten zu hoch sind. Aber auch Themen, wie das Verhältnis von Forschung und Lehre im Exzellenzwettbewerb oder die Linie im Bologna- Prozess wurden angesprochen und diskutiert.

Bachelor und Master weisen noch zahlreiche Mängel auf. Sie selbst sagten etwa, dass man »nicht jeden Atemzug« der Studenten benoten müsse. Warum geschieht es trotzdem?

Der Nachteil des Credit-Systems ist, dass ununterbrochen geprüft wird. Der Vorteil ist, dass die Abschlussprüfung wegfällt. Die Zahl und die Art der Leistungsüberprüfungen müssen dennoch modifiziert werden. Wir verfolgen die Politik des Dezentralisierens. Diese Entscheidungen werden in den Fachbereichen zu treffen sein.

Setzen Sie sich für einen offenen Zugang zum Master ein? Und wenn nein: Wie hoch soll die Quote angesetzt sein?

Wir haben im Moment eher das umgekehrte Problem: Die Masterstudiengänge lassen sich nicht ohne weiteres füllen.

Das ist ein vorübergehendes Problem.

Da bin ich nicht so sicher. Das ist sehr stark von der Marktsituation und von den angebotenen Masterprogrammen abhängig. Der erste Abschluss sollte ja berufsqualifizierend sein. Inwiefern er das in jedem Fall tatsächlich ist, ist eine andere Frage. Aber was die Zulassung betrifft: Der Akademische Senat hat durch die weise Entscheidung, jemand müsse »überdurchschnittlich« sein, eine große Varianz geschaffen. Auf welchen Durschnitt man sich bezieht kann jedes Fach entscheiden.

Käme da auch das Auswahlgespräch in Frage oder setzen Sie auf die Note?

Ich bin sehr für einen Mix. Manch einer kann besser mit Multiple Choice umgehen, ein anderer ist eher verbal begabt. Um eine valide Auswahl treffen zu können, die verschiedenen Personen gerecht wird, muss man also eine Mixtur wählen.

Kommen wir zu einem anderen Thema, über das wir reden sollten. Mit der Drittelparität 1969 hatte das studentische Mitbestimmungsrecht an der FU ihren Höhepunkt gefunden. Heute geht es gegen Null. Halten Sie professionelle Führung mit studentischer Mitsprache für unvereinbar?

Die Berliner Gesetzgebung ist im Bundesvergleich diejenige mit der höchsten studentischen Mitbestimmung. In Entscheidungen, die Forschung und Lehre direkt betreffen, muss das Votum der Professoren jedoch die Mehrheit darstellen. So hat es das Verfassungsgericht entschieden. Ich glaube aber auch, dass es vernünftige Gründe hat: Studierende sprechen für die kurze Zeit, in der sie da sind. Professoren und Mitarbeiter reden über ihren Arbeitsplatz, an dem sie unter Umständen 30 Jahre arbeiten müssen.

Wo ist studentische Mitbestimmung sinnvoll?

Wo es um die Lehre geht. In den Ausbildungsgremien der Fachbereiche und des Akademischen Senats haben die Studenten ja auch 50 Prozent der Sitze. In anderen Fragestellungen fehlt ihnen aber oft der nötige Einblick. Sie können natürlich sagen: »Wir wollen ein neues Labor«. Nur, wann wir ein solches zum Beispiel vom Wissenschaftsrat genehmigt bekommen, ist ein komplizierter politischer Prozess. Seit 15 Jahren arbeiten wir daran, ein Laborgebäude für die Tiermedizin zu bekommen. Immer wieder steht irgendeine Landesordnung oder die Finanzlage dagegen. Das ist keine Frage studentischer Mitbestimmung, sondern des zähen politischen Ringens.

Anders die Zusammenlegung von Bibliotheken?

Die Bibliotheken sind Orte, an denen Forschung und Lehre unterstützt werden. In der Mehrzahl die Forschung, da es Forschungsliteratur ist. Eine Bibliothek muss für alle zugänglich sein. Und sie muss bezahlbar sein. Auf Grund des Personalmangels können wir unsere Bibliotheken nicht lang genug offen halten. Zurzeit haben wir noch um die 50 Bibliotheken. Es ist völlig unrealistisch, diese 12 Stunden oder gar länger offen zu halten. Also muss die Zusammenlegung, schon allein um besseren Service bieten zu können, fortgesetzt werden.

Kennen Sie hierzu die Meinung der Studenten?

Das kommt ganz auf das Fach an. Manche haben vielleicht bei der Schließung ihrer Institutsbibliothek Angst, dass ihr Fach abgeschafft wird. Das ist völliger Unfug. Wir wollen durch Zusammenlegen der Bibliotheken deren Benutzbarkeit verbessern. Viele Studierende finden das auch gut!
Auch mit der Cluster-Bildung und der Schließung von Instituten und Verkleinerung von Fachbereichen findet ein Konzentrationsprozess statt, der vielen Studenten Sorgen macht.

Führt das zu einer ungleichen Verteilung der Gelder?

Zweifellos. Die Wissenschaftler, die tüchtig sind und ein interessantes Projekt auf die Beine stellen, bekommen beispielsweise mehr Drittmittel. Auch die Landesgelder werden nicht gleich verteilt. Wenn die Professoren besonders erfolgreich in der Lehre waren oder besonders viele Drittmittel eingeworben haben, bekommt das Fach mehr Geld, das auch unseren Studentinnen und Studenten zugute kommt. Dazu kommen Gelder, die nach Zielvereinbarungen zwischen den Fachbereichen und dem Präsidium verteilt werden.

Sie machen in der Öffentlichkeit immer wieder mit provokanten Statements auf sich aufmerksam. Jüngst kokettierten Sie im »Tagesspiegel« als Befürworter von Pro Reli mit Intelligent Design. Woher kommt diese Lust auf die Provokation?

Ich weiß nicht, wodurch ich mit Intelligent Design kokettiert haben soll. Wer das meint, liest wohl nicht richtig. Generell kann ich sagen, dass ich Erziehungswissenschaftler bin und es meine professionelle Pflicht ist, mich in Bildungsfragen zu äußern. Wenn ich eine Einsicht zu haben glaube, habe ich sie mitzuteilen. Das ist natürlich nicht mehr, als meine eigene Einsicht.

Ergibt sich ein Konflikt zwischen Ihrer Funktion als FU-Präsident und Ihrer Privatperson?

Nein, ganz im Gegenteil. Das muss aus einem Guss sein. Ich versuche, das Bildungssystem als eine Einheit zu sehen, innerhalb derer die Universitäten ein Teil sind, aber nicht das Ganze.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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7 Responses

  1. Basti sagt:

    zu (3)
    “Drittmittel können, müssen aber nicht verwertungsorientiert sein; und sie können, müssen aber nicht aus der Wirtschaft kommen.”

    Vielleicht sehe ich das nicht klar, aber die DFG scheint mir in diesem Zusammenhang schon fast die einzige potentielle Drittmittelquelle außerhalb der Wirtschaft zu sein.
    Was wäre denn deren aktuelles Fördervolumen und, gibt es sammelnde Statistik über die eingeworbenen Drittmittel an allen deutschen Hochschulen?

    a curious Basti

  2. Bartsch sagt:

    @Tin Fischer: “Beharren” würde ja bedeuten, dass diese Begründung von Anfang an angeführt worden wäre. Da das nicht der Fall ist, ist diese Begründung unglaubwürdig. Abgesehen davon, gibt es in der Tat einen “Befangenheitvorwurf”. Ein überzeugender Nachweis für diese Behauptung ist bis heute nicht gelungen.

  3. robert sagt:

    “Die Wissenschaftler, die tüchtig sind und ein interessantes Projekt auf die Beine stellen, bekommen beispielsweise mehr Drittmittel.”

    Sätze wie dieser vom Herrn Lenzen treiben mir die Tränen in die Augen.
    Ein Präsident der Forschung nur nach der Verwertungslogik beurteilt sehen will, deklassiert eine ehemalige Stätte der Bildung, zu einem reinen Ausbildungsbetrieb.

    Ausgerechnet die (an der FU) starken Geisteswissenschaften (die traditionell wenig Drittmittel der Wirtschaft erhalten) dürften sich von solch einer Argumentationslogik auf den Schlips getreten fühlen (Als ob ein Wissenschaftler, der wenig Drittmittel bekommt, nicht “tüchtig” wäre! Kann ein Projekt nicht auch interessant sein, wenn die Wirtschaft keine Drittmittel dafür springen lässt?).
    Tut mir leid, aber solche Sätze sind es, die mich erschaudern lassen: So viel Kurzsichtigkeit – und das in dem Alter!

    • Tin Fischer sagt:

      @robert: Die Frage, wer an der FU nach welchen Kriterien als “tüchtig” gilt, wäre interessant (wir haben hier im Interview nicht nachgebohrt). Drittmittel können, müssen aber nicht verwertungsorientiert sein; und sie können, müssen aber nicht aus der Wirtschaft kommen. Hat jemand Beispiele und Zahlen zur Hand, etwa von Geisteswissenschaftlern an der FU?

  4. Bartsch sagt:

    Ich frage mich, was Herr Lenzen mit “Funktionären” meint. Die gewählten Studentenvertreter? Sollten das nicht die natürlichen Ansprechpartner des Präsidiums sein? Nichts gegen offene Runden mit der “Basis” – aber solche können doch nicht das Gespräch mit den gewählten Vertretern ersetzen.

    Interessant finde ich den Satz über die “Politik des Dezentralisierens”. Als es darum ging, am JFKI Scharenberg zu berufen, war er damit nicht weit her, oder?

    Was die Einheit Präsident/Privatperson angeht, sollte meines Erachtens nicht unerwähnt bleiben, dass Lenzen Berater der “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” ist, die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie mit jährlich über 8 Millionen Euro ausgestattet wird.

    • Tin Fischer sagt:

      @Bartsch: Lenzen beharrt in der Scharenberg-Berufung auf dem “rechtswidrigen Verhalten” der Berufungskommission (Befangenheitsvorwurf). Ein Verfahrensfehler, wie er öfters vorkommen würde. Deshalb habe man das Verfahren wiederholen müssen. Das kann man ihm glauben oder nicht.

  1. 3. Juni 2009

    […] „unternehmerischen“ Oberfläche der FU gekratzt. Das gleiche Problem zeigt sich auch bei dem Interview mit FU-Präsident Lenzen: Zwar wird kritisch gefragt, Lenzens schwammige Antworten aber ebenso häufig einfach hingenommen. […]

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