Revolution von innen

Antikapitalisten bei einem Wettbewerb für Jungunternehmer? „Revolutionary Berlin“ stört sich nicht an diesem Widerspruch. Die Studentenfirma veranstaltet Stadtführungen durch die Protestgeschichte Kreuzbergs. Ihr Ziel: Kritik üben am „Funpreneur-Wettbewerb“.

Von Johannes Hub und Sophie Jankowski Foto: Cora-Mae Gregorschewski

Gut besucht: Das Revoluzzer-Sightseeing in Kreuzberg

Gut besucht: Das Revoluzzer-Sightseeing in Kreuzberg

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Treffpunkt: Kottbusser Tor. Rund 60 Interessierte treffen sich an diesem Samstag zur vorerst letzten Tour von „Revolutionary Berlin“. Vorbei an angesagten Bars und szenigen Cafés wandern sie 2 Stunden lang durch Kreuzberg zu den Schauplätzen vergangener Revolten. In drei Sprachen werden die Stadtführungen angeboten und erzählen so die Geschichte der revolutionären 1.Mai-Demonstrationen. Mit dabei sind legendäre Orte wie das NKZ (neues kultur/kiezzentrum), der Mariannenplatz und das Georg- von Rauch-Haus. Das eindeutig linke Projekt richtet sich vor allem an junge Touristen und möchte über die Hintergründe der krawallbehafteten Proteste aufklären.

Kurios ist nur: „Revolutionary Berlin“ ist ein Teilnehmerprojekt des Wettbewerbs „Funpreneur“, der von der Gründerhilfe „profund“ an der Freien Universität Berlin organisiert wird. Linksrevolutionäres Sightseeing und kapitalistisches Jungunternehmertum – wie passt das zusammen?

Öffentlichkeit nutzen

Für die Gründer der Studentenfirma die sich größtenteils als Antikapitalisten verstehen, widerspricht sich das nicht. Sie sind der Auffassung, dass es an der Zeit sei, den „Funpreneur“-Wettbewerb von innen heraus zu kritisieren. Denn es könne nicht sein, dass auf der einen Seite Bibliotheken und Professuren abgeschafft würden, auf der anderen Seite aber genug Geld für Gründungshilfen vorhanden sei. Die „Kommerzialisierung der Hochschule“ lehnen sie entschieden ab. Die Veranstalter wollen die durch ihr Projekt gewonnene Öffentlichkeit nutzen, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen.

Ein junges Spin-Off-Unternehmen, das seine eigene Gründungshilfe kritisiert – scheint das nicht ein Widerspruch in sich zu sein? Bei einem „profund“-Wettbwerb mit zu machen, um damit die Gründungshilfe an zu prangern, ist das nicht wie mit dem Kauf eines Sportwagens auf die Spritpreise aufmerksam zu machen?

Gratis und gemeinnützig

Um nicht selbst zu Kapitalisten zu werden, verdienen die Initiatoren selbst kein Geld mit ihrer Firma. Die Stadtrundgänge sind gratis. Das Projekt finanziert sich allein durch freiwillige Spenden am Ende der Führung. Mögliche Gewinne sollen für wohltätige Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Obwohl die Veranstaltung im Rahmen eines wirtschaftlich orientierten Wettbewerbs stattfindet, ist sie so gemeinnützig und für jedermann zugänglich. Aber nicht nur weil sie kostenlos angeboten werden, waren die gut besuchten Rundgänge bisher ein Erfolg. Auch inhaltlich ist das Projekt gut durchdacht. Der Allgemeinheit würden die Hintergründe und Inhalte der revolutionären 1. Mai Demonstration besser vermittelt als in den gängigen Medien, sind sich die Organisatoren einig.

Erfolgreiche Geschäftsidee, aber kein Profit

Ihre Freude über das gelungene Geschäftsmodell können die Firmengründer nicht verhehlen. Florian, Stadtführer bei „Revolutionary Berlin“, findet sogar, dass „Funpreneur“ eine gute Idee sei, sich in der Arbeitswelt außerhalb der Universität auszuprobieren. Auch der überzeugte Anti-Profundler John scheint Gefallen gefunden zu haben am Unternehmerwettbewerb. Er wirkt sichtlich stolz auf seinen wirtschaftlich funktionierenden Businessplan und die mit jeder Veranstaltung steigenden Teilnehmerzahlen. So kommt auch er nicht umhin zuzugeben, dass „Funpreneur“ das kreativste Seminar im ABV-Bereich sei.

Der Plan über die Medien, Aufmerksamkeit für die Kritik an „profund“ zu gewinnen, scheint jedoch bisher nur mäßig zu funktionieren. So ignorierte etwa die „taz“ Johns Meinung, dass solche Gründerhilfen, die Studenten von heute zu den Kapitalisten von morgen erziehen würden, völlig und erwähnte sie in ihrer Berichterstattung nicht. Vielleicht ist die Geschäftsidee einfach zu gut, um als subversiver Protest gegen die Gründungsinitiative gelten zu können. Aber selbst, wenn das mit der Kritik nicht klappen sollte, sammeln die Veranstalter von „Revolutionary Road“ doch immerhin ein paar Leistungspunkte für das ABV-Modul. Und wer weiß, vielleicht gewinnen sie am Ende sogar den „Funpreneur“-Wettbewerb. Auch wenn John meint: „Das wird allein wegen unserer politischen Aussagen nicht passieren.“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

2 Responses

  1. John sagt:

    Die Logik in dem Artikel ist absurd:

    “Bei einem „profund“-Wettbwerb mit zu machen, um damit die Gründungshilfe an zu prangern, ist das nicht wie mit dem Kauf eines Sportwagens auf die Spritpreise aufmerksam zu machen?”

    Habt ihr nicht die Angebote von RevolutionaryBerlin in Anspruch genommen – und zwar kostenlos! – und im Anschluss trotzdem kritisiert? Dürfen wir nicht bei Profund mitmachen (ABV ist ja Pflicht!) und kritisieren?

  1. 15. Juni 2009

    […] Einen Bericht über die Stadtführungen von “Revolutionary Berlin” gibt es hier. 15. Juni 2009, Fotostrecke […]

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