„Ick studier Diplom, du Opfer!“

Morgens um 10 in Mitte: Die Berliner strömen zur bundesweit größten Bildungsstreikdemo zusammen. Erzieherinnen, Schüler, Dozenten, Studenten – ihre Motive sind verschieden. Die FU war mit einem eigenen Demowagen dabei.


Der Demowagen der FU

Alt und Jung am FU-Demowagen vor dem Roten Rathaus. In der Mitte Peter Grottian. Foto: Cora-Mae Gregorschewski.


Von Elisabeth Loose und Sophie Jankowski


Die ersten Schüler- und Studentengruppen sammeln sich gegen 10 Uhr vor dem Roten Rathaus und am Alex. Bierflaschen und Flyer liegen bereits auf dem Boden. Vereinzelt erklingen Sprechchöre wie „Bildung für alle, sonst gibt’s Krawalle!“ Einige Schüler dekorieren sich gegenseitig mit Aufklebern. Aufschrift: „Make capitalism history!“ Dustin, Schüler, hat sie im Gesicht. Er ist hier, weil „Schule scheiße ist.“ Direkt neben ihm stehen die Studenten der Kunsthochschule Weißensee, wohl die Kreativsten der Demonstranten. Ganz in Grau gekleidet spielen sie auf ein farbloses Studium an. Selbst der Rektor und einige Professoren unterstützen die Demo mit ihrer Anwesenheit.

Grottian und seine Schüler

Der Platz füllt sich. Immer mehr Flyer werden verteilt, noch mehr landen auf dem Boden. Noch vor offiziellem Beginn sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld. Um 11.15 Uhr ertönen laute Beats. Der FU-Demowagen legt los. Einige Schüler, auch der beklebte Dustin, hüpfen im Takt. Die Kundgebung verspätet sich. Dann ertönt aus dem Off eine Stimme. Besonders jung klingt sie nicht. Das „Rednerpult“- eine Palette- befindet sich im Schatten des FU-Demowagens. Am Mikro: Peter Grottian, emeritierter Professor am OSI und Streikunterstützer der ersten Stunde. Er feiert die Besetzungen einzelner Einrichtungen der Universitäten. Ihm folgen Studenten und Schüler ans Mikrofon, die die Massen mit Parolen anheizen wollen: „Solidarisiert euch mit der Arbeiterbewegung!“, „Wir sind die Opposition gegen das System des real existierenden Kapitalismus!“, „Weltweites Vernetzen, auch mit Demonstranten in Iran!“. Bei Einigen überschlägt sich die Stimme vor Unmut und Aggressivität.

FU-Sinologen mit dabei

Große, kleine, bunte, graue, manche zeigen Mittelfinger, andere haben die Form von Ampelmännchen – der Einfallsreichtum für Transparente und Schilder ist groß. Ein Student hält ein Plakat mit dem Spruch: „Ick studier Diplom, du Opfer!“ Auch die FU-Sinologen sind mit einem kleinen Plakat dabei. Darauf zu sehen ist ein in die Jahre gekommener Chinese – Konfuzius – und der Slogan: „Drei Jahre studieren, ohne Bedürfnisse zu haben – So jemand ist nicht leicht zu finden.“ Das Ostasiatische Seminar ist geschlossen zur Demonstration gekommen. Die Dozenten streiken gemeinsam mit den Studenten. Hauke Neddermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostasiatischen Seminar, fasst die Sorgen zusammen: „Das Problem ist die Unterfinanzierung. So kann es nicht weiter gehen. Wir müssen Extragelder anwerben, das kostet jedoch viel Zeit. Forschung und Lehre kommen dann zu kurz. Das entspricht nicht dem, was wir an einer Uni machen wollen.“

Bunter Forderungs-Mischmasch

„Die allgemeine Lage ist schlecht. Sie soll nicht noch schlechter werden!“ meinen Maik und Marcel von der TU. Eine Studentin der HU wünscht sich hingegen eine buntere Uni: „Es kann nicht sein, dass eine Hochschule weiß und die U-Bahn bunt ist.“ Andere fordern die „komplette Reformierung des Bildungssystems!“ Gemeinsamkeiten gibt es nur im ganz großen Rahmen. Schließlich kritisieren alle das Bildungssystem. Das Alter und die Zugehörigkeit der Demonstranten sind dennoch so vielfältig wie ihre Motivationen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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3 Responses

  1. Lenzen sagt:

    na elisabeth und sophie, waren wir zum ersten mal auf ´ner demo? so viele leute und so viele verschiedene meinungen… das passt so gar nicht in das selbstgefällige und politisch gänzlich positionsfreie leben zweier junger bacheloretten, die mit der welt und sich so richtig zufrieden sind… vielleicht geht ihr mal öfters in die welt hinaus- möglichst weit weg…

  2. Schlimmerfinger sagt:

    @ robert
    Ist schon erstaunlich, wie viel rechtsradikale und neoliberale Hetze sich in so einer unscheinbaren Reportage finden lässt, wenn man nur danach sucht.
    Allein dadurch, dass man eine Szenerie beschreibt, diskreditiert man schon die AktivistInnenInninenninen. Kleine Kostprobe, was ich gefunden habe, gefällig?
    “Sprechchöre”=Hasstiraden, “Schüler”=Hosenscheißer,
    “Bildungsstreikdemo”=gewalttätiger Mob.
    “Kunststudenten”= denk dir selbst was aus…
    Man muss nur zwischen den Zeilen lesen.
    Dass du aber ausgerechnet in einem Morgenbier Negativpropaganda gegen die “Verdorbenen” siehst, ist wohl anscheinend eher deiner Einstellung zum Alkohol geschuldet.
    Kann ich aber verstehen. Wenn die böse Furios zu mir den ganzen Tag so gemein wäre, würde ich auch durstig werden.
    Oder verhält sich das genau andersherum…?
    Mir jedenfalls hats geschmeckt.
    Prost.

  3. robert sagt:

    Als ich gerade die Berichterstattung der B.Z. zur Bildungsstreik-Demo gelesen habe, war ich wenig erstaunt, dass gleich im ersten Satz von “viel Müll” die Rede war. Dieser Bezug auf den Müll, so dachte ich mir, soll sicher die Tatsache überspielen, dass viele tausend Menschen friedlich demonstriert haben. Außer Müll gab es nicht viel zu meckern an der Demo.

    Ein Klick entfernt von der B.Z. kann ich gleiches (und “besseres”) dagegen in der furios lesen: Hier wird bereits im zweiten Satz auf den Müll angespielt. Nein – nicht nur allein von Müll ist die Rede, sondern von “Bierflaschen”! Die Bildzeitung schrieb “Protestieren die Studenten also zu Recht, oder geht es ihnen nur um ein gemütliches Studentenleben?” – Die furios weiß die Antwort: Bierflaschen morgens um 11h? Der entsprechende Wink mit der Zaunlatte, dass hier nur die sowieso Verdorbenen demonstrieren..

    Wer gegen verspätetes Losspazieren, gegen anheizende Parolen von der Bühne, gegen Müll und drollige Demoteilnehmer polemisiert, beweist einfach nur, dass er (in diesem Fall “sie”) noch nicht oft auf Demos waren.

    Demo ist, was du draus machst. Das wissen auch die Autoren, weswegen sie noch verdruckst einen letzten Satz der Erklärug dem Artikel anhängen (Zugehörigkeit […] so vielfältig wie ihre Motivation” – wie wahr!)

    Nach so viel abfälliger Berichterstattung macht der allerdings auch das Bild nicht mehr gerade. Schade.

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