„Man muss kein Marxist sein, um das Bildungssystem zu kritisieren“

Aktivistin Lisa bei der Großdemo im Interview über die Bologna-Reform, zerstörerische Besetzungen und ihre Hoffungen im Streik.

Lisa vom OSI bei der Großdemo
Rot und röter, aber keine Marxistin: Lisa verkleidet bei der Großdemo. Foto: Cora-Mae Gregorschewski.

Rot und röter, aber keine Marxistin: Lisa verkleidet bei der Großdemo. Foto: Cora-Mae Gregorschewski.

Das Interview führte Sophie Jankowski

Am Dienstag hielt Lisa die Eröffnungsrede bei der Vollversammlung vor 1 300 Studenten, am heutigen Mittwoch geht sie mit ungefähr 20 000 Systemverdrossenen auf die Straße. Dazu trägt sie eine pinke Perücke und eine Divensonnenbrille. „Verkleidung und Demonstration gehören für mich zusammen“ sagt die Politikstudentin vom OSI dazu. Sie hat bei der Organisation des Bildungsstreiks geholfen, ohne einer politischen Gruppe anzugehören und war bei der Besetzung des OSI und des Präsidiums dabei.

Warum machst du mit beim Streik?

Ich bin auf jeden Fall gegen Bachelor und Master. Mir ist es wichtig, dass es Freiräume an der Universität gibt und dass es nicht immer nur um Kosten- und Nutzenmaximierung geht. Ich finde, dass man auch Zeit und Möglichkeit haben sollte, sich über den eigenen Fachbereich hinaus zu informieren.

Warum hast du die Eröffnungsrede auf der Vollversammlung gehalten?

Ich wollte meine persönliche Motivation darlegen, warum es sich lohnt am Bildungsstreik teilzunehmen. Leider bleiben politische Proteste viel zu oft am OSI und erreichen die Studenten andere Fachrichtungen gar nicht. Man muss kein Marxist sein, um das Bildungssystem zu kritisieren. Mir ist es besonders wichtig zu sagen, dass die hohen NC’s, das dreigliedrige Schulsystem und die eingeführten Kosten zu einer sozialen Selektion führen. Menschen mit Migrationshintergrund haben es viel schwerer zu studieren.

In der Vollversammlung waren 1300 Studenten. Die FU hat über 30.000 Studenten. Warst du mit der Teilnehmeranzahl zufrieden?

Klar hätten es mehr sein können. Aber wir haben sehr viel versucht, um die Studenten zu motivieren. Zwei Stunden vor der Vollversammlung sind wir durch sämtliche Räume gezogen und haben noch mal alle Studenten und auch ihre Dozenten dazu aufgefordert, an der Vollversammlung teil zu nehmen. Und man sieht ja auch heute, wie viele Menschen auf die Straße gehen. Außerdem haben wir versucht eine Mail mit den Daten der Vollversammlung und der Demonstration über die Zedat an alle Studenten der FU zu schicken. Die Zedat hat sich mit der Begründung geweigert, dass Studenten nicht solche Massenmails schreiben dürfen. Der Präsident dagegen schon.

Was hältst du von Haus-Besetzungen?

Besetzungen sind eine Form des Widerstandes und ich halte gewaltlose Besetzungen auch für völlig legitim. Sie zeigen, dass die Studenten Veränderungen wollen.

Bei der Besetzung des Präsidiums wurden Türen mit Textmarkern beschmiert, Aufkleber an die Wände geklebt und in den Zimmern geraucht. Kannst du diese Form von Vandalismus vertreten?

Dazu möchte ich mich nicht äußern. (Sie zögert und fügt dann doch nach kurzer Pause hinzu) Welcher Vandalismus? Ich würde das nicht als Vandalismus bezeichnen. Wenn das als Gewalt gilt, dann wurde uns schon viel mehr Gewalt angetan, allerdings viel weniger offensichtlich.

Warum sind Studenten deiner Meinung nach Gewaltopfer?

Die Studenten wurden nicht gefragt, ob sie das neue Bachelor- und Mastersystem möchten. Sie wurden nicht gefragt, als Fachschaften abgeschafft wurden. Die Studenten wurden generell viel zu wenig gefragt und es wurde alles auf Führungsebene entschieden.

Was hältst du von den Streikbrechern?

Ja, das ist schon ok. Nur sollten sie sich dann auch äußern, zur Vollversammlung kommen und ihre Meinung sagen.

Was hätte man deiner Meinung nach beim Bildungsstreik besser machen müssen?

Nichts, ich bin sehr stolz auf unsere Studenten.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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2 Responses

  1. Rdu sagt:

    Davon abgesehen, ob es Gewalt ist oder nicht, ist das Rauchen innerhalb von Gebäuden unnötig und asozial. Darüber hinaus frage ich mich, welch konstruktiven Nutzen es hat, Eigentum zu beschädigen? Genau sowas landet doch immer in der Prese und die eigentlichen Forderungen gehen unter.

  2. Andreas sagt:

    Also mit dieser Nennung von “in den Zimmern geraucht” macht man sich nun wirklich ein klein bischen lächerlich weil das wohl nur sehr militante Nichtraucher als Gewalt ansehen würden.
    Auf den Fotos waren auch beschädigte Heizkörper zu sehen, ich glaube das wiegt schon etwas mehr als Rauch und Konfetti.

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