Ich brauche für alles Struktur

From Philly to the streets of Dahlem: Sängerin Joy Denalane studiert im ersten Semester Germanistik an der FU. Und findet das ziemlich aufregend. Ein Gespräch über Erfolg, Luxus, Familie und Engagement.

Joy Denalane. Foto: Cora-Mae Gregorschewski

Das Gespräch führten Björn Stephan und Claudia Schumacher

Joy, was bedeutet für dich Erfolg?

Dass ein Vorhaben in sich funktioniert. In meinem Fall ist es natürlich auch wichtig, einen kommerziellen Erfolg zu erzielen. So kann ich meine künstlerische Freiheit am unkompliziertesten aufrecht erhalten. Schließlich habe ich auch einen Haushalt mit Kindern.

Wieso kommst du mitten in deiner Musikkarriere an die FU?

Dieses Studium zu machen ist mein persönlicher Luxus. Ich habe gerade ein Zeitfenster, das ich versuche, so sinnvoll wie möglich zu nutzen. Es ist weniger der Drang, mir etwas zu beweisen, als schlichter Wissensdurst.

Wegen der Musik hast du erst mit 22 Abitur gemacht und danach blieb keine Zeit fürs Studium. Holst du jetzt ein bisschen Normalität nach?

Das mag sein. In erster Linie ist die Uni aber einfach der naheliegendste Ort, sich Wissen anzueignen. Hier wird mir Struktur geboten, ohne die ich nicht lernen kann. Ich brauche für alles Struktur.

Deutsch, Englisch und AVL – weshalb hast du dich für diese Fächer entschieden?

Ich lese relativ viel in meiner Freizeit und will dann immer darüber reden. Was einige Leute aus meinem Umfeld schon mal anstrengend finden, weil sie ja selten genau dann auch das gleiche Buch lesen. Da dachte ich, bevor ich meine Fragen weiter an Leute richte, denen die Grundlage für Antworten logischerweise fehlt, komme ich hierher.

Hast du einen Lieblingsautor?

Lieblingsautoren habe ich eigentlich keine, aber ein Lieblingsbuch. »Djamilja« von Tschingis Aitmatow, eine Liebesgeschichte. Ganz unblumig, klar und wunderschön.

Wie fühlt es sich an, als deutsche Pop-Größe mit 20-Jährigen gemeinsam Linguistik zu lernen?

Das habe ich mich auch gefragt. Wie würde es sein, sich als öffentliche Person mit seinen Kommentaren ganz pur einer Seminargruppe auszusetzen? Ich habe meine Zweifel dann aber hinten angestellt. Als ich an meinem ersten Tag in die FU kam, wollte ich auf dem Absatz umdrehen. Aber ich habe mich überwunden und dann war’s in Ordnung.

Du warst aufgeregt?

Klar! Natürlich war ich aufgeregt.

Was macht denn deine Musik, während du bei uns bist?

Es stand von vornherein fest, dass sie weiterhin oberste Priorität hat und sich das Studium einfügen muss. Sehr wahrscheinlich bin ich im nächsten Jahr auf Tour und muss ein Urlaubssemester nehmen.

Es kommt also ein neues Album?

Ja, nächstes Jahr. Es ist gerade fertig geworden, wir haben es in Philly, also Philadelphia, produziert. Jetzt möchte ich mir vor der Tour etwas Gutes tun.

Das Studium als Urlaub vom Album.

Eine Reise woandershin. Gar nicht Urlaub.

Du hast auch noch zwei Söhne, Isaiah und Jamil. Wer kümmert sich um die?

Max und ich. Er ist aber gerade unterwegs mit seiner Platte. Also muss ich schauen, wie ich es organisiert krieg. Zweimal habe ich einen Nachmittagskurs, da springt dann meine Schwester oder mein Vater bei den Kindern ein. Ich fahre sie viel herum. Sie spielen Fußball, Tennis, gehen Malen,

Wie schaffst du das?

Ich brauche wenig Schlaf und bin den ganzen Tag aktiv. Natürlich ist es aufwendig, Sängerin, Mutter und Studentin zu sein. Aber das ist ok, wenn man liebt, was man tut.

Du bist viel auf dem Campus unterwegs und gehst mit Kommilitonen in die Mensa. Wirst du häufig angesprochen?

Nein. Ich merke nur, dass einige mich ansehen, aber das kenne ich. Die erste Woche war komisch, weil ich ständig meinen Namen gehört habe. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob ich mir das einbilde, dieses Flüstern. Aber das hat sich alles schnell normalisiert.

Du warst gegen AIDS in Afrika unterwegs, hast dem Gedichtband eines jüdischen Mädchens, das im KZ verstarb, deine Stimme geliehen und dich gegen Rassismus an Schulen stark gemacht. Willst du dich auch an der FU engagieren?

Vor dem Gespräch mit euch habe ich mit Leuten vom Bildungsstreik geredet. An das Thema taste ich mich gerade heran. Aber ganz ehrlich: Mein Stundenplan ist so voll und stringent, dass ich keine Zeit finde, mich an der Uni zu engagieren.

Das wäre gerade ein Grund, sich am Bildungsstreik zu beteiligen.

Das stimmt. Aber ich weiß im Augenblick nicht, wie ich neben Studium, Familie und Job noch an der FU helfen soll. Mir bleiben andere Ebenen. Vielleicht kommt mal eine entsprechende Talkrunde, in der ich aus meiner Studienerfahrung heraus auch Kritik einbringen kann.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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