Dieter Lenzen wechselt nach Hamburg und kommt damit einer studentischen Kampagne zuvor, die ihn absetzen wollte. Von Julia Levenson und Tobias Heimbach
Das wäre sonst ja, als hätte man ein Kind gezeugt und würde sich davonmachen«, wehrte Dieter Lenzen 2006 ab, als er vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus als CDU-Spitzenkandidat gehandelt wurde. Liest man diesen Treueschwur heute, so wirft er ein fragwürdiges Bild auf den Unipräsidenten. Lenzen wird die FU verlassen. Aller Voraussicht nach wird er an die Universität Hamburg wechseln. Dort wurde er von Hochschulrat und Akademischem Senat mit überwältigender Mehrheit in einem stark kritisierten Verfahren zum Nachfolger von Monika Auweter-Kurtz gewählt. Zum Redaktionsschluss steht die Annahme der Wahl durch Dieter Lenzen noch aus: Er verhandelt mit dem Hamburger Senat um mehr Geld für neue Gebäude und darum, seinen persönlichen Stab mit an die Alster nehmen zu können. An seiner grundlegenden Entscheidung wird aber wohl nichts zu ändern sein.
Die »Not my president«-Kampagne
Dem Verwirrspiel um Lenzens Wechsel nach Hamburg ging ein bewegtes Jahr voraus. Zunächst war er während des Bildungsstreiks im Sommer 2009 heftig von Seiten der Studierenden kritisiert worden. Eine Besetzung des FU-Präsidiums ließ er von der Polizei räumen. Bevor die zweite Welle des Studentenprotestes anrollte, gab es die »Not-My-President-Kampagne«, die Unterschriften für eine Urabstimmung sammelte, um den Präsidenten loszuwerden. Die Kritik an Dieter Lenzen entzündete sich vor allem an der Umsetzung der Bologna-Reform und der Einführung des neuen Bachelor-/ Mastersystems. Die neuen Studiengänge mit ihrem hohen Leistungsanspruch, den strengen Anwesenheitskontrollen und der Fixierung auf eine möglichst kurze Studienzeit hätten zu einer so massiven Arbeitsbelastung geführt, dass einige Fächer quasi unstudierbar geworden seien, so die Initiatoren.
»System Lenzen« weiter präsent
Nachdem Lenzen nun freiwillig gegangen ist, stellt sich die Frage wie es mit der »Not-My-President-Kampagne« weitergeht. Paul Helm, Mitglied des Teams, hat schon konkrete Vorstellungen für die Zukunft: »Wir wollen weiterhin eine hochschulpolitische Größe bleiben. Das Ziel ist es, einen ständigen Aktionspool zu etablieren, der den Prozess der Präsidentenfindung begleitet und die Studierenden informiert.« Auch Mathias Bartelt, Unterstützer der Kampagne und Mitglied im Akademischen Senat, sieht noch viel Arbeit: »Wir möchten einen Politikwechsel an der FU. Das ›System Lenzen‹ wird nach seinem Weggang trotzdem weiter präsent sein.« Tatsächlich werden die erste Vizepräsidentin Ursula Lehmkuhl und Peter-André Alt, beide Vertraute Lenzens, als mögliche Nachfolger gehandelt. »Die Demokratisierung der Uni muss vorangetrieben werden, auf präsidialer, aber auch auf studentischer Seite, besonders hinsichtlich des AStA«, so Bartelt. Der AStA dürfte wie ein Großteil der Studieren- den Lenzen keine Träne nachweinen. Auch an dessen zukünftiger Wirkungsstätte stieß der 61-Jährige schon auf heftigen Gegenwind: Bei einem Besuch in Hamburg gab es lautstarke Proteste gegen den »Hochschulmanager 2008«, bei denen besonders seine Wirtschaftsnähe kritisiert wurde. Zwar konnte er beim Hamburger AStA schon mit seiner Kritik an Studiengebühren punkten, jedoch darf sein Versprechen, die Statusgruppen in universitäre Entscheidungen einzubinden, angezweifelt werden. Ein weiteres bedeutendes Signal war, dass Lenzen Gesprächsbereitschaft mit dem Hamburger AStA signalisiert hat und sich zu einem Kennenlernen mit den Studierenden traf. An der FU wäre das undenkbar gewesen, da der Präsident laut eigener Aussage »nicht mit Funktionären verhandeln « wollte.
Es spricht einiges dafür, dass Dieter Lenzen in Hamburg ein ruhigeres Arbeitsumfeld erwarten kann: Der CDU-nahe Professor wird in Hamburg auf einen schwarz-grünen Senat treffen. Das Wissenschaftsressort ist zudem von Herlind Gundelach, einer Christdemokratin besetzt, die ihm finanzielle wie personelle Zugeständnisse gemacht hat. Wann Dieter Lenzen die FU verlassen wird, ist noch nicht geklärt. Bereits im Frühjahr 2010 könnte es so weit sein. Für die Studierenden der FU beginnt nun die eigentlich interessante Zeit: Wer wird der nächste Präsident? Und: Welche Richtung wird er einschlagen?