Der Lotse geht von Bord

Nach wochenlanger Hängepartie ist es amtlich: Uni-Präsident Dieter Lenzen verlässt die FU und geht nach Hamburg.

Freitagskommentar

Von Jonas Breng

Die Ehe zwischen der Freien Universität und Dieter Lenzen wird geschieden. Lenzen nahm die Wahl zum Präsidenten der Uni- Hamburg am vergangenen Donnerstag an und „ist spätestens im März da“. Nach wochenlangen Spekulationen und munterem Rätselraten um Lenzens Zukunft, die er selbst durch ein Pokerspiel um finanzielle und personelle Zugeständnisse angeheizt hatte, ist die Entscheidung getroffen. Endlich, möchte man stöhnen, endlich Klarheit.

Der Trennung zwischen Studentenschaft und Präsident war ein Rosenkrieg vorausgegangen. Von Liebe war hier nie die Rede. Kampagnen wie „Not – My – President“ oder die polizeiliche Räumungsaktion des von Studenten besetzten Präsidiums gaben der Zwangsehe den Rest.

So hält sich der Abschiedsschmerz jetzt in Grenzen. Lenzens Führungsstil war effizient und erfolgreich. Aber auch provokant, autoritär und nicht selten abweisend. Zuweilen wie ein Firmenchef agierte der Campuspatriarch aus seiner Festung heraus, die hermetisch abgeriegelt vor dem studentischen Kosmos Schutz bieten sollte. Zwei Enden derselben Welt. Ohne Verbindung.

Lenzen ist sein eigenes Konzept

Doch was erwartet sich Hamburg vom Hardliner? Das Berliner Modell ist scheinbar untrennbar mit seinem Namen verbunden und wird zu passenden und weniger passenden Gelegenheiten als Erfolgsmodell hervor gezerrt. Mit harter Hand und Unternehmergeist hatte Lenzen eine kränkelnde Hochschule zu einem Eliteflaggschiff hochgerüstet und in die erste Reihe der deutschen Universitäten geführt . Ein echter Macher eben, der neben der verdienten Schelte von der Basis auch berechtigten Beifall aus ökonomischen Kreisen bekam.

Hamburg wird das nächste Projekt in der Sammlung des Hobbyseglers. Er stimmt jetzt ganz neue Töne an, etwa in einem offenen Brief an die Hamburger Studenten gegen Studiengebühren und für mehr Mitbestimmung der Statusgruppen. Da schreibt er auch, dass er Kinder hat und verheiratet ist. Wird Lenzen plötzlich ein Unipapa zum Anfassen? Schwer vorstellbar, dass ein Tapetenwechsel eine solche Metamorphose hervorbringt.

Kalter Schnitt zur rechten Zeit

Zwar ist noch unklar, wer in Berlin das Erbe Lenzens antreten und das Machtvakuum stopfen wird, doch fest steht: Diese Entscheidungsfindung birgt Chancen. Der kalte Schnitt kommt zur besonderen Stunde. Hinein in die Studentenproteste, muss es zu einer Personaldebatte kommen, die Neues sucht. Die Möglichkeit, ein positives Zeichen an die Studierenden zu senden, darf nicht verschenkt werden. Ein neuer Präsidententypus ist gefragt. Jemand der auf Diskurs setzt und Mitbestimmungswillen nicht mit Majestätsbeleidigung verwechselt. Alles getreu dem Credo: Wandel durch Annäherung.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

3 Responses

  1. Carsten sagt:

    Bei der Wahl in Hamburg wurde an fünf Stellen gegen die Satzung verstoßen. Vorallem haben zwei Gremien an einem Tag und unter Ausschluss der Öffentlichkeit getagt, obwohl das Gegenteil vorgeschrieben war. Das alles ist auf Druck von Lenzen geschehen, der klargemacht hat: Wenn ihr mich jetzt nicht wählt, sage ich endgültig nein. Nach der Wahl hat er versucht die Hamburger Bürgerschaft unter Druck zu setzen um das Hamburger Hochschulgesetz zu ändern. Es ist also unschwer zu erkennen: Lenzen macht in Hamburg dort weiter, wo er in Berlin aufgehört hat. Ständige Regelübertretung und Machthäufung waren auch hier seine Markenzeichen. Über seinen Weggang sollte außer Schaf und Esel niemand traurig sein.

  2. chehggy sagt:

    Nachtrag: Damit sich der Autor nicht allzusehr auf die Fuesse getreten fuehlt: mir ist klar, dass es sich hier um einen Kommentar handelt, der außerdem eine recht ausgewogene Sichtweise popagiert. Dennoch wuerde ich mir aus journalistischer Sicht manchmal ein wenig mehr inhaltliche Selbstkontrolle wuenschen.
    Es reicht eben nicht nur, FAZ- und taz-Meinung gegeneinander ins Feld zu fuehren und anschließend zu einem patt zu kommen. Auch eine Ueberpruefung beider Seiten auf ihre inhaltliche Richtigkeit gehoert zu den Aufgaben eines Kommentators.

  3. chehggy sagt:

    Ich bin nun weder ein Vertreter der Asta-Perspektive, noch ein besonderer Humboldianer – aber: ob Lenzen ein erfolgreicher Universitaetspraesident war und in Hamburg sein wird, dass muss sich erst noch zeigen. Geld in Cluster pumpen, bedeutet nicht zwangsweise, dass diese dann auch die gewuenschten Ergebnisse produzieren. Wissenschaftlicher Erfolg ist nur begrenzt steuerbar und ob die Cluster und die Berufung der zugehoerigen Wissenschaftler sich so entwickeln, wie wir uns das wuenschen, bleibt abzuwarten.

    Außerdem: die Verschlankung buerokratischer Ablaeufe, sprich, die entmachtung des akademischen Apparats hat sicher auch seine Vorteile, sitzt am Ende des Hebels schließlich jemand, der kompetent ist, Entscheidungen auch ohne Beratung zu faellen. Ob es sich jedoch lohnt ein solches System aufrecht zu erhalten, sollten wir beratungsresistente Koepfe an die Spitze gesetzt bekommen, ist mehr als fraglich.

    Schließlich: Von einer studentischen Zeitschrift erwartete ich eigentlich neben provokanten Thesen auch ein bisschen Analyse und Recherche. Die FU ein Eliteflagschiff zu nennen, mag in der Terminologie der politischen Zeitgeschichte passend sein, ein Vergleich des wissenschaftlichen Outputs, in verschiedenen Disziplinen haette diesem Artikel aber sicherlich nicht geschadet. Oder, alternativ, da sich das nach viel Arbeit anhoert: ein Fehlen unnoetiger, weil nichteinmal faktengestuetzter, Provokation.

    PS: mir ist ja klar, dass man zur einseitigen Sichtweise der “Out of Dahlem” eine Gegenposition einnehmen sollte. Aber Feuer bekaempft man in der Regel mit Wasser, nicht mit Feuer.

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