Streik statt Weihnachtsbaum

Über Weihnachten haben alle Studierenden die FU verlassen. Alle? Nein, nicht ganz. Der Hörsaal in der Silberlaube wird auch über die Feiertage besetzt. Tobias Bengfort ist seit der ersten Stunde bei der Besetzung dabei. Im Interview erklärt er, warum der Streik auch nach Weihnachten weitergehen muss. Von Max Krause.

Auch über Weihnachten bleibt der Hörsaal in der Silberlaube besetzt. Foto: Max Krause

Tobias, der Bildungsstreik dauert nun schon über einen Monat an. Hast Du denn überhaupt noch Zeit, nebenher dein Studium weiterzuführen?

Ich konzentriere mich zurzeit eher auf den Bildungsstreik, aber ich habe schon genug Zeit für mein Studium. Das Schöne ist ja, dass die Besetzung hier keine Pflichtveranstaltung ist; wenn es mir zu viel wird, kann ich auch nach Hause gehen und mir ein paar Tage Auszeit nehmen oder meine Übungsblätter erledigen. Zwar bin ich jetzt nicht mehr so regelmäßig bei den Vorlesungen wie vor dem Streik, aber es reicht doch, um mitzukommen.

Du studierst im ersten Semester. Hast Du denn überhaupt schon genug Erfahrungen gesammelt, um sagen zu können, dass ein Bildungsstreik nötig ist?

Eigentlich nicht. Erst bin ich hierhin zum Zuhören gekommen: Ich habe gehört, dass relativ viel schief läuft, konnte mir aber selbst wenig darunter vorstellen und wollte mich erst einmal informieren. Ich bin dann einerseits hier geblieben, weil mir viele gute Gründe für den Streik genannt wurden. Es geht ja nicht nur darum, für sich selbst Verbesserungen zu erreichen, man wünscht sich das natürlich auch für die Anderen. Andererseits finde ich, man muss die Möglichkeit, aktiv mitzuwirken, wahrnehmen. Nur so kann man verhindern, dass hier Entscheidungen getroffen werden, die nicht im eigenen Sinne sind.

Ich arbeite in der AG Forderungen mit, wo die Forderungen gesammelt und der Entscheidungsprozess moderiert wird. Gerade in dieser Position ist es gut, dass ich mir noch nicht zu allem eine Meinung gebildet habe, weil ich mich so objektiver mit den Forderungen beschäftigen kann.

Wie engagierst Du dich noch bei der Besetzung?

Ich versuche, möglichst häufig im Plenum zu sein, das jeden Tag um 18 Uhr stattfindet, weil man dort Informationen erhält und auch die Entscheidungen bezüglich der Besetzung getroffen werden. Ich versuche auch, dabei zu sein, wenn der Runde Tisch tagt oder eine Demonstration stattfindet.

In letzter Zeit versuchen wir außerdem, mit Politikern ins Gespräch zu kommen. Es gibt ja zum Beispiel schon Gespräche mit Wissenschaftssenator Zöllner, und wir wollen in Zukunft mehr in diese Richtung organisieren.

Die Juso-Hochschulgruppe hat vor kurzem ein Gespräch mit der SPD-Spitze organisiert. Du wurdest zusammen mit einigen anderen Besetzern zum Parteivorstand der SPD eingeladen. Was kannst du uns über dieses Treffen berichten?

Das Treffen war positiv ausgedrückt „gemütlich“. Wir konnten der SPD-Spitze beim Frühstücken zusehen. Aber letztlich ist eigentlich nicht richtig diskutiert worden. Es wurde aus meine Sicht lediglich von beiden Seiten Gesprächsbereitschaft signalisiert. Wir hoffen, dass das Treffen positive Auswirkungen auf die bevorstehenden Gespräche mit Herrn Zöllner hat.

Sind denn auch noch Gespräche mit anderen Parteien geplant?

Da sind wir uns noch nicht ganz einig. Das Gespräch mit der SPD hat sich kurzfristig ergeben; wir hatten aber nie geplant, Kontakt mit nur einer Partei zu haben. Wir sehen die SPD auch nicht als unsere Vertretung. Es gibt ja bereits Gespräche mit dem zuständigen Senator Zöllner, aber wir wollen Gespräche mit Politikern in Zukunft überparteilich gestalten. Allerdings ist der Aufwand für solche Gespräche immer sehr hoch und wir werden uns erstmal auf den Austausch mit Zöllner konzentrieren.

Welche Ziele sind dir persönlich beim Bildungsstreik besonders wichtig?

Das wichtigste Ziel ist definitiv die Demokratisierung der Hochschule. Frau Schavan hat gesagt: „Jaja, die Studierenden, die streiken sowieso alle 10 Jahre“, und man sollte sich doch überlegen, warum das so ist. Ein Grund ist, dass die Studierenden anders keinen Einfluss nehmen können. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass wir in demokratisch legitimierten Ämtern Einfluss auf die Hochschulpolitik nehmen können, damit wir nicht alle paar Jahre streiken müssen. Wären die Studierenden beim Reformprozess einbezogen worden, wären viele der Probleme, mit denen wir derzeit kämpfen gar nicht entstanden.

Man kann noch so viel ändern beispielsweise die Anwesenheitspflicht abschaffen, aber wenn die Hochschule nicht demokratisch ist, sieht es in ein paar Jahren schon wieder ganz anders aus, und es gibt wieder genug Gründe zu demonstrieren.

Einige Dinge sind an der FU bereits in Bewegung gekommen: Die Anwesenheitspflicht wurde ausgesetzt, ein Runder Tisch wurde eingerichtet und auch auf Bundesebene sind Bewegungen erkennbar. Wie zufrieden bist Du mit dem, was bisher erreicht wurde?

Ich weiß nicht, ob man wirklich sagen kann, wir hätten etwas erreicht. Es wird jetzt zwar teilweise mit uns geredet, aber der Runde Tisch ist ja explizit kein Entscheidungsgremium, sondern eine Plattform zur Diskussion. Die Beteiligung ist auch nicht so hoch, dass man sagen könnte, es fände ein breiter Diskurs statt. Was bisher erreicht wurde, ist gut und schön, aber wir haben bisher keine demokratischen Strukturen. Auch sonst sind die Erfolge eher marginal. Man kann noch nicht sagen, es hätte sich wirklich etwas geändert.

Was sind denn die weiteren Pläne für Weihnachten und was erwartet uns im neuen Jahr?

Über Weihnachten wird natürlich nicht sehr viel passieren, da fast niemand an der Uni ist. Dann macht es wenig Sinn große Aktionen zu starten. Wir werden aber daran arbeiten, dass es nach Weihnachten noch weiter geht.

Der Streik muss also noch fortgesetzt werden?

Ja, auf jeden Fall!

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Weihnachtsessen im Hörsaal sagt:

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