Bäumchen-Wechsel-Dich für Fortgeschrittene

Der Tarnlistenvorwurf ist ein gängiges Mittel, um beim StuPa-Wahlkampf ungeliebte Gegner zu diskreditieren. Ihn auch nachzuweisen, ist allerdings nicht ganz einfach. Sophie Jankowski und Christina Peters haben sich in der hochschulpolitischen Grauzone umgesehen.

Was war zuerst: Die Katze oder der Sack? Illustriation: Sophie Jankowski


Es ist nicht alles echt, wo Liste draufsteht. Man nehme eine Gruppe hochschulpolitisch aktiver Menschen mit gleichen Ansichten, teile sie durch zwei, stempele auf einen Teil einen deppensicheren Namen und melde beide zur StuPa-Wahl an: Fertig ist die Tarnliste.

Unvermeidlich wie der Schnupfen ist diese Spielart der Hochschuldemokratie jeden Winter bei den Wahlen zu finden. Tarnlisten spiegeln eine programmatische oder politische Alternative zu bereits vorhandenen Listen vor, die so gar nicht existiert und deren Kandidaten oft zu einer anderen Liste gehören. Eine nette Parole wie „Gegen Studiengebühren“ ist eine sichere Methode, uninformierte Wählerstimmen einzufangen und dadurch mehr Sitze für die eigene Partei im Studierendenparlament zu ergattern. Andere versuchen es mit Mimikry. Wie „Die grüne Alternative“, die wie das Stachelschwein zum Igel eine täuschende Ähnlichkeit zur Grünen Hochschulgruppe aufweist – sehr zum Ärger letzterer, die jegliche Verbindung bestreiten.

Getarnt im „Who-Is-Who“ der Listen

Aber nicht jeder Aufklärer hat nur Gutes im Sinn. Zum aktiven Wahlkampf gehört neben der Plakatentfernung auch die gegenseitige Diskreditierung. Die Liberale Hochschulgruppe ist laut eigener Aussage verwundert, dass ihr noch keine Verbindung zur Libertär-Demokratischen Liste unterstellt wurde. Auf ihrem Blog wird der Spieß gleich umgedreht und die Libertären als Tarnliste des AStA enttarnt. Die nennt zur Verteidigung stattdessen die Liste 28 „Gegen verschulten Bachelor“ eine Tarnliste des RCDS – und schließt sich damit den Vermutungen der FSI OSI an, indirekt den Vorwurf der LHG bekräftigend. Auch die JuSo-Hochschulgruppe wurde bei der Fachschaftsratwahl an der juristischen Fakultät Anfang 2009 Opfer solcher absichtlich in die Welt gesetzter Gerüchte.

„Wenn man zu Wahlen antritt, sollte man einen gewissen demokratischen Anspruch haben,“ sagt Tatjana Zieher, die Sprecherin der JuSos an der FU. „Aber was hier stattfindet, ist eine gezielte Falschinformation der Wähler. Was vor den Wahlen erzählt wird, ist nicht das, was hinterher passiert. Die Listennamen ändern sich, die Leute bleiben die gleichen.“

Vergleicht man in mühsamer Kleinarbeit die Listenkandidaten der letzten Jahre miteinander, so wird man tatsächlich fündig. Einzelne Kandidaten, die im Jahre 2009 noch unter „Die Partei- Hochschulgruppe“ zu finden waren, tauchen nun in der eindeutig die AStA-Koaliton tragenden Semtix-Liste auf, andere sprangen 2010 von Semtix stattdessen auf die „Bachelor-Liste“. Zu den Listen mit Bäumchen-wechsel-dich-Charakter aus AStA-nahen Gruppen gehören auch die Vielfalt-Liste und die Multi-Kulti-Liste.

Hilfe, Katze im Sack!

Reicht das als Indiz aus, um eine Liste zu diskreditieren? Sicher nicht. Sind Programm oder Mitglieder nicht recherchierbar, nicht ansprechbar oder entziehen sie sich der öffentlichen Diskussion, verhärtet sich der Verdacht jedoch zu Recht. Die Methode der Unauffindbarkeit haben die „Freisinnigen Naturwissenschaftler“ perfektioniert und geben Anlass für wilde Spekulationen. Freisinnig oder nur sinnfrei?

Tarnlisten machen es den Studenten schwer, die sich im Hochschulpolitikdschungel nicht auskennen, aber aus Demokratieverständnis zu Wahl wollen. Wer wählt schon gerne die Katze im Sack? Die Berge von Flyern und Plakaten, unter denen die FU zurzeit begraben ist, tragen nicht zur Aufklärung bei. Somit liegt es auch im Interesse der zur Wahl antretenden Listen, dass sich politisch Gleichgesinnte zusammenschließen. Oder sind die „AusländerInnen“ nicht auch „Zusammen gegen Rassismus“? Eine kleine Prozenthürde, weniger Listen mit klareren Ansagen, mehr öffentliche Diskussionen mit Vertretern der Listen bei besserer Bekanntmachung: Dann würden die Wahlbeteiligungszahlen auch ganz ohne Verschwörungstheorien wieder sprudeln.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

Ähnliche Artikel

3 Responses

  1. falko sagt:

    @hans: im zweiten und dritten satz auf unseren flyern steht, dass wir parteiunabhängig sind. extra auf die ghg einzugehen hab ich bisher für unnötig gehalten, schließlich schien das alles 11 jahre lang für die parteigrünen kein problem zu sein, außerdem würde dies ja auch bedeuten, dass die parteigrünen für uns einen wichtigen orientierungspunkt darstellen, was auch nicht der fall ist. ob älter oder jünger halte ich auch eher für unwichtig, vielmehr ist dieses argument in einer logik gefasst, die dem vorwurf der kopie entgegnet. ohne diesen vorwurf, ist es mir ehrlichgesagt ziemlich egal welche gruppe/ liste länger oder kürzer existiert und weiterhin existieren wird.
    ich find die argumentation auch dahingehend paradox, dass die ghg immer wieder auf ihre geistige und organisatorische unabhängigkeit von b90/den grünen hinweist, an diesem punkt aber ganz fest darauf pocht, als einziges dieser partei anzugehören. das macht ihnen auch niemand streitig. würde mir auch nie in den sinn kommen. da sie allerdings nicht die einzigen mit oben beschriebenen inhalten sind, gibt es nunmal zwei gruppen. vielleicht sollte die ghg darüber nachdenken ihren namen eindeutiger zu gestalten, damit auch die letzten merken, dass sie die parteigruppe sind. z.b. b90/die grünen an der fu oder so…

  2. Hans im Glück sagt:

    Warum schreibt ihr das dann nicht auf euren Blog und auf eure flyer? Es würde ein kurzer Satz genügen, in etwa: “wir sind älter als die Grüne Hochschulgruppe, haben mit denen nichts zu tun, und unterstützen im StuPa seit langem die AStA-Koalition.”
    Aber ihr wisst genau, dass euch dann kaum noch jemand wählen würde, deshalb setzt ihr bewusst auf Verwechselung, und *DAS* ist der Skandal. Schämt euch.

  3. falko sagt:

    natürlich bestreitet die ghg jegliche verbindung mit der grünen alternative. immerhin sind es zwei verschiedene und voneinander unabhängige listen: die ghg ist die hochschulgruppe der grünen partei, die grüne alternative ist eher eine vereinigung von einzelpersonen die projektabhängig und unabhängig von der grünen partei arbeiten. das steht ja so auch in dem flyer.
    der tarnlistenvorwurf ist eher ein historisches problem als ein politisches. bis 1999 gab es noch eine alternative liste/ bündnis90 die grünen. diese hat sich in die grüne alternative bzw. alternative liste umbenannt, als es zur gründung einer offiziellen parteiabhängigen grünen hochschulgruppe kam. layout, ob stachelschwein oder igel, und inhalte sind seit jeher ähnlich, warum das der ghg erst einen tag vor der wahl auffällt und nicht irgendwann anders in den letzten 11 jahren ist mir persönlich unklar. warum sie nicht den dialog mit der grünen alternative suchen und stattdessen auf entsetzt macht und eine “tarnlisten”-schmutzkampagne fährt ist mir unklar. als partei haben sie nunmal die inhalte nicht gepachtet, es gibt auch menschen denen außerhalb einer angriffskrieg-führenden partei, welche in berlin die gentrifizierung vorantreibt (stichwort mediaspree) und linke projekte räumen lässt (stichwort newyorck59), für ökologische, feministische und tierrechtliche inhalte interessieren und in den nächsten zwei semestern einsetzen wollen. das alles abgesehen von einer allgemeinen parteienkritik.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.