Vertreibung aus dem Paradies

95 Tage lang haben Studierende die Besetzung des Hörsaals 1A aufrechterhalten. Doch am frühen Morgen des Valentinstags beendete das Präsidium den Streik unter Polizeieinsatz. Von Max Krause

Als wäre nie etwas gewesen: Die Silberlaube nach der Räumung, Foto: Max Krause

Am Mittwochabend war das Ende der Besetzung abzusehen. Vertreter des Präsidiums erschienen im Hörsaal und erklärten, die Streikenden seien im Hörsaal nicht länger geduldet. Bis Donnerstag, 14 Uhr, sollten die Besetzer ihre Stellung räumen, ein kleiner Ausweichraum stehe zur Verfügung. Die Besetzenden entschieden, den Forderungen des Präsidiums nicht nachzugeben und den Hörsaal weiterhin okkupiert zu halten.

Bis zum frühen Sonntagmorgen harrten die Studierenden noch aus, dann war es der Universitätsleitung offenbar genug: Um sechs Uhr morgens standen Beschäftigte der privaten Sicherheitsfirma Securitas vorm Hörsaal, um die 10 Besetzer, die die Stellung hielten, aus ihrem Wohnzimmer zu vertreiben. Doch die zeigten sich zuerst wenig beeindruckt und es dauerte weitere drei Stunden, bis der Hörsaal von einem massivem Polizeiaufgebot geräumt wurde.

Klausuren als Vorwand?

Die Polizei nahm Personalien und Fingerabdrücke der Besetzenden, dann wurden sie für mehrere Stunden in Gewahrsam genommen und erst am frühen Nachmittag wieder auf freien Fuß gesetzt. Das Präsidium erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruch.

Warum man sich nach drei Monaten der Duldung schließlich dazu entschieden hat, die Besetzung durch die Polizei zu beenden, ist indes ungewiss. Laut Präsidium werde der Raum für Prüfungen benötigt. Tatsächlich fanden am Montag wieder Klausuren statt. Es ist allerdings fraglich, wie dringend der Hörsaal tatsächlich benötigt wird.

Erneute Konfrontation

Vertreter der Besetzenden vermuten ein anderes Motiv hinter der Aktion: Es sei den Verantwortlichen klar gewesen, dass am Wochenende viele Streikende nach Dresden gefahren waren, um den dortigen Naziaufmarsch zu blockieren. Das Präsidium habe gezielt diesen Moment der Schwäche ausnutzen wollen. In einer Pressemitteilung erheben die Bildungsstreiker den Vorwurf, man habe „das Engagement für Toleranz und Demokratie der eigenen Studierenden“ ausgenutzt.

Der Bildungsstreik hat in diesem Semester konstruktiv einiges zur Verbesserung der Situation an der Universität beigetragen. Es ist überaus schade, dass er in einer solchen Konfrontation enden muss, nachdem sich Universitätsleitung und Studierende am Runden Tisch aufeinander zu bewegt hatten. Das Präsidium täte gut daran, die Anzeige wegen Hausfriedensbruchs fallen zu lassen, um den Konflikt zu entschärfen. Doch auch die Studierenden sollten sich nicht in Unterstellungen verlieren. Der Erfolg des Bildungsstreiks darf nicht von solchen Streitereien überschattet werden.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Thomas E. sagt:

    Die Besetzer wurden bereits im Dezember angesprochen, dass der Hörsaal für Klausuren eingeplant sei. Bereits Ende November wurde eine dort angesetzte Klausur verlegt. Der mittlerweile zweimal betroffene Lehrstuhl ist groß genug, das Aufsichtspersonal für mehrere kleinere statt einem großen Raum zu stellen. Das ist am FB Wirtschaftswissenschaften leider nicht bei allen Lehrstühlen der Fall. Insofern: Natürlich ist das ein Vorwand, um die Besetzer dann rauszuwerfen, weil es vorher nie einen wasserdichten Grund gegeben hätte. Der wäre aber ohne eine Demo in Dresden genauso genutzt worden.

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