Frieren gegen Nazis

Ein Jahr lang hat das Bündnis „Dresden Nazifrei“ an der Blockade des Neonazimarschs getüftelt. Am Samstag war es soweit. In Bussen ging es Richtung Sachsen. Viele FU-Studenten waren dabei. Ein Demospaziergang mit Hendrik Pauli.

Gruppenbild mit Helm: Die Polizei in Dresden. Foto: Hendrik Pauli

Wer Clausewitz, den preußischen Militärtheoretiker, gelesen hat, sollte für den Tag gewappnet sein, so Fabian Weißhaupt von den Jusos. Rund 4 000 Neonazis gilt es an diesem Tag festzusetzen. Die wollen den alliierten Luftangriff auf Dresden vor 65 Jahren zum Bombenholocaust umdeuten. Ihnen gegenüber mehr als 10 000 Gegendemonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet. Es ist kurz nach 9 Uhr als der Buskonvoi aus Berlin unvermittelt stoppt. Rund um den Versammlungsort der Rechten am Neustädter Bahnhof sollen gezielt Straßen und Plätze besetzt werden. Kurzfristig ist der Aufmarschplan noch einmal geändert worden. Für die Berliner heißt das Ziel nun: Hansaplatz, Blockadepunkt Lila. Blitzartig setzt sich die Demonstrationsarmee in Bewegung. Die Polizei scheint überrumpelt. Eine Vorhut ist bereits über den Platz hinaus. Die nachrückende Masse drängt lautstark gegen die Einsatzkräfte an. Diese halten die Stellung trotz Schneeballtreffer und kleinerer Rangeleien.

Mitgefühl für Freund und Helfer

Am Albertplatz haben sich Aktivisten aus anderen Teilen Ostdeutschlands eingefunden. Statt Aggression schlägt den Polizisten hier Mitgefühl entgegen. Sie täten pflichtgemäß, aber gewiss nicht gern ihren Dienst in der Kälte, nur um der brauen Bande freies Geleit zu geben. Auch der Grünen- Abgeordnete Jan Philipp Albrecht und seine Kollegin Cornelia Ernst von der Linken sind an diesem Tag unterwegs, als Beobachter für das Europaparlament. Am Kontrollpunkt hat man dafür zunächst wenig Verständnis. Der freundliche Truppführer ist dankbar für weitere Erklärungen, und die beiden können ihre Mission fortsetzen.

In der Zwischenzeit neue Lage am Hansaplatz: Die erste Polizeikette ist aufgelöst, der Platz nun in der Hand der Demonstranten. Ein Stück dahinter ist Schluss, eine Straßenbahn versperrt den Weg, flankiert von bayerischer Bereitschaftspolizei. Erfahrene Antifa-Kämpfer versuchen über eine Böschung auf die Bahngleise zu gelangen. Als dies misslingt, wird ein Mannschaftswagen der Polizei ins Visier genommen – und mittels Schottersteinen dessen Sicherheitsverglasung kontrolliert. Die friedlichen Blockierer reagieren gelassen, sie lassen sich lieber von der Trommel-Combo und satten Technobeats einheizen. Selbst mancher Uniformträger möchte da die Füße nicht stillhalten.

Linke Strategie geht auf – Polizei ist zufrieden

Die Situation beruhigt sich weiter als Bodo Ramelow, linker Fraktionchef aus Thüringen, über Lautsprecher den Lagebericht der Einsatzleitung verkündet. Wenn die Blockaden friedlich blieben, werde nicht geräumt. Die Nazis könnten dann nicht marschieren. Jubel brandet auf.
Erlebnisorientierten Autonomen ist das zu wenig. Hinter der Front werden ein paar Autos auf die Seite gelegt und Müllcontainer in Brand gesetzt. Bei der Polizei zeigt man sich trotz Allem nicht unzufrieden. Der Tag verlaufe eigentlich ruhig.
Einmal wird es noch hektisch als linke Gegendemonstranten versuchen in die Nähe vorbeiziehender Rechter zu gelangen. Die Polizei behält die Übersicht, es bleibt beim verbalen Meinungsaustausch.

Gegen halb acht werden die Berliner zu ihren Bussen auf der anderen Elbseite geleitet. Die Neonazis haben Dresden längst verlassen, ihr Marsch hat nicht stattgefunden. Ein gelungener Einsatz von Polizei und linkem Bündnis. Clausewitz wäre stolz gewesen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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