„Im Zaubertrankkeller von Harry Potter“

Facebook-Graphen, sezierte Paprika und Gummibärchen unter Schwarzlicht – Linn Voß besuchte die 10. Langen Nacht der Wissenschaften. Ein schauriger Erfahrungsbericht.

Foto: David Ausserhofer/LNdW

Unter der mintgrünen Haube beginnt man sofort zu schwitzen, der Mundschutz juckt. Man würde sich gerne kratzen oder kurz hinsetzen, aber das geht jetzt nicht mehr. Nichts berühren, die Gefahr vor Keimen ist zu groß. Und Keime dürfen auf keinen Fall in den „Reinraum“ gelangen. Der Reinraum ist ein Labor des Charité-Standorts Benjamin Franklin, in dem unter sterilen Bedingungen gearbeitet werden kann. Heute ist er für die neugierigen Besuchern der Langen Nacht der Wissenschaften geöffnet. Diese sind inzwischen unter den grünen Einmal-Wegwerf-Kitteln verschwunden und nur noch anhand von Größe und Augenfarbe zu unterscheiden. In Vierer-Grüppchen passieren sie die verschiedenen Schleusen, um im hintersten und beinahe reinen Raum einer Medizinisch-technischen Assistentin bei der Untersuchung von Stammzellproben zuzuschauen. Die Stammzellsuspensionen werden keimfrei zum Transport verpackt und in alle Welt versandt. Eine Knochenmarkspende aus Berlin kann innerhalb von 72 Stunden bis nach Australien gebracht werden, erzählt die MTA, notfalls dürfe sie dafür sogar den gesamten Luftraum sperren.

Wenn man nicht gerade im Wegwerf-Kittel durch sterile Räume spaziert, kann man auch einmal ein Darmbakterium sein. Im Foyer des Charité-Hauptgebäudes am Campus Benjamin Franklin ist ein begehbarer Darm aufgebaut – inklusive Polypen und entzündeter Schleimhaut. Nun ja, da spielt man dann doch lieber Chirurg. Paprikakerne mit Hilfe von Operationsbesteck entfernen ist eine Herausforderung und bringt sowohl große als auch kleine Besucher ins Schwitzen. An der Spitze eines sehr feinen Operationsbestecks befindet sich eine Kamera, die das Innere einer Paprika an einen neben dem Operationstisch stehenden Fernseher überträgt.

Nach Paprikasezierung und unappetitlicher Darmbegehung kann man sich nun mit etwas leichterer Kost beschäftigen: Wer kennt wen auf facebook? Und wer hat die meisten gemeinsamen Freunde? Die TU hat es ausgerechnet. In einem Vortrag wurden die Beziehungen in Netzwerken mathematisch beschrieben. Die entstehenden Graphen könnten beinahe als Moderne Kunst durchgehen. Wer altersbedingt noch keinen facebook-Account hat, bevorzugt den kleinen schummrigen Raum im Ernst-Ruska-Gebäude der TU. Hier sieht es aus wie in einem Alchemistenlabor oder, nach Aussage eines jungen Besuchers, „wie im Zaubertrankkeller von Harry Potter“. Auf den langen Tischen sind Flaschen mit unter UV-Licht fluoreszierenden Flüssigkeiten aufgereiht. Wer möchte, kann Gummibärchen unter die Schwarzlichtlampe halten, um zu erkennen, dass sie hier alle gleich aussehen, nämlich weiß-bläulich schimmernd. Ob die kleinen Forscher dabei wirklich viel über Fluoreszenz lernen, ist angesichts des verwendeten Fachvokabulars zu bezweifeln. Kaum ein Sechsjähriger kennt sich schließlich mit Energieniveaus, Nanometern und konvexen Prismen aus. Spaß haben die Kleinen aber offensichtlich trotzdem dabei.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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