Eine akademische Handelsbeziehung

Es ist kein Nobelpreis, aber immerhin erhielt der Ökonom Jagdish Bhagwati jetzt auch die Ehrenpromotion der FU – 12 Jahre nach seinem Schüler und Laudator Paul Krugman. Am Mittwoch waren beide im Audimax. Von Christina Peters.

<img src=MIT-Absolventen unter sich: Irwin Collier verleiht den Ehrendoktortitel des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an Jagdish Bhagwati. Foto von Cora-Mae Gregorschewski.

Seine kurzen, prägnanten New-York-Times-Kolumnen machten ihn berühmt, aber dieses Mal schien dem Starökonom Paul Krugman die Begrenztheit seiner Worte schwerzufallen: Eine vierstündige Rede „Fidel Castro-style“ wäre angemessen gewesen, scherzte der Nobelpreisträger, als er am Mittwoch im Auditorium Maximum des Henry-Ford-Baus zu einer Laudatio auf seinen früheren Mentor, den Columbia-Professor Jagdish Bhagwati, ansetzte. Dieser bekam für sein Lebenswerk den Ehrendoktortitel des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der FU verliehen und hielt anlässlich dessen einen Festvortrag über Freihandel und Protektionismus. „Es ist wie mit Musik, die klingt, als ob niemand sie geschrieben hätte,“ beschreibt Krugman den Einfluss von Bhagwatis Arbeiten. „Ich habe Ehrfurcht vor seinem Werk.“

Die Makel der Märkte

Der 75-jährige gebürtige Inder Bhagwati gilt als ein Vorreiter der Globalisierung. Bereits in den sechziger Jahren begann er für eine global offene Wirtschaft einzutreten, indem er die alten Freihandelstheorien – zu der Zeit verpönt – durch neue Erkenntnisse korrigierte. „Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte sich die Frage: Wenn Märkte voller Fehler sind, können wir dem Freihandel vertrauen?“ erzählt Bhagwati.

Sein Lösungsansatz: Die Probleme müssten an ihrer Wurzel korrigiert und in der Marktwirtschaft berücksichtigt werden – dann könne man auch zum Freihandel zurückkehren. „Das war ein Durchbruch,“ erklärt Bhagwati. „Es war zu der Zeit die erste echte Politikempfehlung anstelle des chaotischen Mottos ,Alles außer Freihandel‘.“

Ein neoliberaler Dogmatiker ist er dennoch nicht. So kritisiert Bhagwati auch vehement die sich überschneidenden Freihandelszonen, die sich auf dem amerikanischen Kontinent zunehmend ausbreiten. Angeregt von den Straßenprotesten gegen den Welthandelsgipfel in Seattle 1999 begann er außerdem, sich mit den sozialen Fragen der Globalisierung auseinanderzusetzen. Er beriet in Handelsfragen die UNO, die WTO und deren Vorläufer GATT, ebenso wie die indische Regierung.

Es ist dieser praktische Ansatz, den viele an ihm schätzen. So auch sein Schüler Krugman, dessen eigene Arbeiten eine kritischere Position gegenüber dem Freihandel einnehmen. „Er ist kein Elfenbeinturm-Wissenschaftler,“ lobte Krugman. „Er hat die Welt verbessert, besonders für eine Milliarde Menschen in Indien.“

Der ewige Zweite

Die beiden Ökonomen verbindet eine lange Geschichte. In den siebziger Jahren tat Krugman seine ersten akademischen Schritte als Bhagwatis wissenschaftlicher Mitarbeiter am renommierten Massachussets Institute of Technology (MIT) in den USA. Obwohl Bhagwati lange Zeit als Anwärter auf den Nobelpreis galt, entschied sich die Jury 2008 für Krugman – aus politischen Gründen, mutmaßten Skeptiker, da Krugman als Kolumnist kein gutes Haar an der Regierung Bush und dessen designiertem Nachfolger John McCain gelassen hatte. Für Bhagwati bedeutete die Auszeichnung seines Schülers das nahezu sichere Aus, den Preis in absehbarer Zukunft selbst zu erhalten. Die enge Beziehung zwischen den beiden scheint jedoch keinen Schaden genommen zu haben.

Auch die Berliner Ehrendoktorwürde erhielt Krugman als Erster: 1998 wurde er als 21. Wirtschaftswissenschaftler seit Gründung der FU damit ausgezeichnet. Bhagwati kam nun an23. Stelle Eine überraschend lange Zeitspanne, verglichen beispielsweise mit dem Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, der beinahe jährlich eine Ehrenpromotion verleiht. Man habe sehr hohe Maßstäbe, erklärt Professor Irwin Collier von der Wirtschaftsabteilung des John-F.-Kennedy-Instituts, der das Event organisierte und moderierte. Mit den begrenzten Mitteln der Universität sei es aber schwer, die Topleute nach Berlin zu bekommen.

Bei Krugman und Bhagwati habe der Zufall eine große Rolle gespielt: Beide hatten für diesen Juni Berlinaufenthalte geplant, zwei Tage wären für eine solche Veranstaltung überhaupt nur in Frage gekommen. Ein Verlegenheitskandidat war Bhagwati dennoch nicht, so Collier: „Früher wollte man immer einen Berlinbezug bei den Kandidaten haben. Aber jetzt, mit unserer auswärtigen Richtung, ist Herr Bhagwati ideal. Einfach alles hat bei ihm gepasst. Und ich wusste, dass er sich riesig darüber freuen würde.“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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