Eine Frage der Lässigkeit

Wohl eher gefressen werden: Theresa Fernandes ist Ersti und stolpert über so einige Hürden des Uni-Alltags.

Illustration: Christian Güse

Mein erster Unitag als richtige Studentin: Ach, fühle ich mich alt, so erwachsen…noch. Viel zu früh verlasse ich das Haus und sitze hochmotiviert den wie mir scheint überarbeiteten, von zu viel Kaffee und zu wenig Schlaf gezeichneten echten Studenten in der U-Bahn gegenüber. Wie cool! Ebenfalls zu früh erreiche ich den U-Bahnhof Dahlem-Dorf. So habe ich immerhin genug Zeit, mir den Kopf über meinen Uni-Lässigkeitsfaktor zu zerbrechen: Wissen die da, dass ich neu bin? Und wie die das wissen: Theresa Fernandes gehört zur Spezies der „Erstis“, jung, naiv, hat keine Ahnung und nervt. „Ersti“ – klingt nach Kindergartensprache – ein witziger Zufall? Leider nein.
Denn auch ich bestätige das Vorurteil. Selbstbewusst laufe ich in der Silberlaube nämlich erst einmal in die falsche Richtung und ernte beim plötzlichen Umdrehen böse Blicke und hämisches Gelächter. Schnaufend und dennoch eine geschlagene halbe Stunde vor Seminaranfang stehe ich vor der richtigen Tür und warte gespannt auf meine erste Univeranstaltung. Es passiert…rein gar nichts. Sprachkurs? Fällt heute aus, erfahre ich nach einer Dreiviertelstunde von einem Drittsemestler – das Grinsen gibt’s gratis dazu. Aber nicht verzagen, in der Mensa wird man die Zeit schon rumkriegen. Aber da war doch noch was. Na klar, Mensakarte aufladen. Vor dem Apparat fällt mir allerdings auf, wie wenig ausgeprägt meine Mensakartenauflademaschinenkompetenz doch ist. Die hungrige Masse hinter mir fletscht schon die Zähne. Glücklicherweise entkomme ich, bevor die genervten Blicke zu Taten werden. Als ich mich schließlich zu meinen Kommilitonen setze, um vor der Jagd aufs Essen meine Sachen abzustellen, fahren plötzlich die Rollläden der Mensa herunter. Also gehe ich außen rum und wieder zurück: Wer reist nicht gerne mal eine gefühlte Stunde für ein paar Pommes? Für das „richtige“ Mensaessen ist es bereits zu spät. Auch so eine Erfahrung.
Immerhin bei meiner ersten Vorlesung läuft alles nach Plan. Allerdings kommt im Angesicht der sich auf den Treppen drängelnden Studenten die Frage auf: Warum studiere ich nochmal in einer überfüllten Berliner Uni? Ach ja, weil Berlin sonst so cool ist. Als eher uncool erweist sich allerdings die BVG und ihr berüchtigter Dahlem-Dorf-Fahrstuhl: Unweigerlich verpasse ich meine Bahn und brauche mehr als eine Stunde nach Hause. Als ich schließlich todmüde ins Bett falle und über meinen ersten Tag nachdenke, nehme ich mir vor, im nächsten Jahr den Erstsemestlern gegenüber gnädiger zu sein. Heimlich freue ich mich jedoch auch schon darauf, als „Mehrti“ so unglaublich lässig-genervt auf die kommenden Neulinge herabzusehen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

1 Response

  1. 2. November 2010

    […] Eine Frage der Lässigkeit […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.