Gleiche Menschen machen keine Stadt

Ein spannendes Projekt über Nomaden von heute führte unsere Autorin Eliese Berresheim an die Grenzen der urbanen Wirklichkeit.

Foto: Maja Weyermann

Schaut man heute auf diese Stadt, erblickt man mehr Farben, als einst Ernst Reuter. Menschen aus allen Ecken der Welt treffen hier aufeinander und machen Berlin zu einem Ort der multikulturellen Begegnung. Das inspirierte die Künstlerin Maja Weyermann: Vor einem Jahr beschloss die Schweizerin, für ihr neues Projekt Berlin als Ausgangspunkt einer Reise durch die fiktiven, virtuellen und realen Räume der Stadt zu nehmen.

Wer neugierig ist und sich für die Stadt, in der er lebt, interessiert, sollte den Weg zu dem Projektraum Uqbar unternehmen, wo die Ausstellung „Real-Time-Nomads“. Maja Weyermann untersucht darin, inwieweit Räume aus der Kindheit Räume unserer Gegenwart beeinflussen und mit diesen verschmelzen. Dafür hat sie sich mit sieben Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen unterhalten, denen sie auf ihren Streifzügen durch Berlin begegnet ist.

Aus verschiedenen Winkeln heraus eröffnet sie uns einen scheuen Blick in den Arbeitsraum dieser Menschen. Flüchtige Blicke auf Regale mit Ölflaschen und Reissäcken, eine Wand voller bunter Nähgarne, arbeitende Hände, die eine Kasse schließen, wie ein kurzer Ladenbesucher, der mit neugierigem Blick, den fremden Raum mustert und mit dem Auge greift, erleben wir den Einblick in einen scheinbar banalen Raum wie einen Späti oder einen Asia Markt. Maja Weyermann lenkt mit ihrer Kamera unseren Blick auf Feinheiten, die klein, aber ausdrucksstark sind. Aus dem Off erzählt eine Stimme Erinnerungen aus der Kindheit der Protagonisten und in Videos verfließen diese mit der Gegenwart. Meistens stehen Erinnerung und Gegenwart in einem starken Kontrast zueinander, da die erzählte Vergangenheit meistens traurig und düster ist.

Wen die Videos neugierig gemacht haben, kann im Rahmen der Ausstellung eine City Tour durch die Straßen Berlins unternehmen, zu den Arbeitsorten dieser sieben Menschen (die Route kann man sich auf der sehr schön gestalteten Homepage der Ausstellung ansehen unter www.real-time-nomads.com). Dort kann man mit diesen Menschen ins Gespräch kommen und mehr über sie erfahren.

In einer Zeit, wo wir mit virtuellen Mitteln, Räume und Zeit überwinden können, zeigt uns dieses Projekt, dass wir alle irgendwie Nomaden sind, die von einem Ort zum anderen ziehen. Und dennoch beeinflussen Erinnerungen unsere Gegenwart und gestalten unseren sozialen Raum mit. Das prägt auch die Stadt, in der wir leben, meint Maja Weyermann, denn „Städte leben davon, dass viele verschiedene Menschen Erfahrungen aus Kulturkreisen einbringen, in denen sie geboren und aufgewachsen sind“. Schon in der Antike wurde dieser Gedanke von Aristoteles festgehalten: „Gleiche Menschen machen keine Stadt.“

Real-Time-Nomads, 25. September bis 20. November 2010, Projektraum Uqbar (Monat der Fotografie), Schwedenstraße 16, 13357 Berlin

Eintritt frei

www.real-time-nomads.com

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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