Schokoladenherzen als Dank

Was Studenten dazu bewegt ehrenamtlich bei Kulturveranstaltungen wie dem interfilm-Kurzfilmfestival mitzuhelfen. Von Rebecca Ciesielski.

Foto: Interfilm

Rote und grüne Luftballons, Trillerpfeifen, Luftschlangen und Faschingsmasken verteilen sich auf, unter und zwischen den Reihen des Großen Saals der Volksbühne. Besagte Utensilien, die für das Gelingen der „eject-Nacht des abwegigen Films benötigt werden, wurden von freiwilligen Helfern am Saaleingang in selbstgepackten Papiertüten an die Gäste verteilt. Alles ist bunt, chaotisch und sehr laut. Eine ausgelassene Atmosphäre, die die Hoffnungen und Erwartungen der Veranstalter erfüllt haben dürfte.
Zwischen dem 16.und 21. November fand wie seit Jahren das interfilm-Kurzfilmfestival in Berlin statt. Aus über 4000 Einsendungen wurden 450 Filme ausgewählt, die in 50 Programmen in verschiedenen berliner Spielorten, wie der Volksbühne dem Publikum präsentiert wurden. Die eject-Nacht war wie jedes Jahr ein wichtiger Programmpunkt des Festivals, das sich zum Ziel gemacht hat auch den schrägsten cineastischen Produktionen einen Platz auf der Leinwand einzuräumen.

Singende Hasen und sehnsuchtstrunkene Seegurken

Die Rufe und das Getröte, man fühlt sich an die letzte Fußball-WM zurückerinnert, verstummt als das Saallicht ausgeht und auf der Leinwand eine Ziegenherde auftaucht, die sich immer weiter der Kamera nähert. Die Ziegen halten erst an, als eine der vorderen Exemplare mit der Nase gegen das Kameraobjektiv stupst. Es folgen über zwei Stunden voll skurriler und abwegiger Filme. Über Hasen, die in psalmenartigem Singsang ihre vergangene Herrschaft über die Menschen lobpreisen. Über ein hässliches, grünes Knetmännchen, dass eine Barbie zerstückelt um sich danach mit ihrer blonden Haaren und den anderen Körperfragmenten zu schmücken. Und über die Seegurke Fabian, die in einem Labor liegend schwulstige Lieder über ihre Sehnsucht nach dem Meer singt.

Nach jedem der drei Blöcke kommen zwei exzentrisch gekleidete Moderatoren auf die Bühne, die das Publikum dazu animieren trötend, schreiend und mit roten und grünen Luftballons über ihre Filmfavoriten abzustimmen. Das passiert auch mit steigendem Enthusiasmus aus allen Zuschauerreihen bis hinauf in die obersten Ränge. Man darf annehmen, dass diese Nacht jedes Jahr die lauteste Veranstaltung in der Volksbühne ist. Der Fairness halber, immerhin geht es um ein Preisgeld von 1000 Euro, wird auf einem auf die Leinwand projizierten Geräuschpegelmesser die Summe allen Lärms genau dokumentiert.

Kurz nach Ende des dritten Blocks steht fest: der Gewinnerfilm kommt aus Finnland. In dem Animationsfilm „Benigni“, geht es um einen isoliert und verwahrlost lebenden Mann, der eine innige Beziehung zu einem, aus seinem eigenen Körper wachsenden, Geschwür aufbaut. Dieses erreicht mit der Zeit die Größe und das Aussehen eines Menschenkopfes mit niedlich und sympathisch wirkenden Gesichtszügen. Der Mann und das Geschwür werden aber am Ende des Films auf tragische Weise voneinander getrennt, als der Mann rauchend am Fenster lehnt und zu spät realisiert, dass dieses guillotinengleich nach unten rast und das Geschwür sauber von seinem Körper abtrennt.
Während der ganzen Filmvorführung sitzen die Helfenden auf den Treppenstufen oder auf dem Boden und schreien, klatschen und staunen wie das übrige Publikum.
Erst nach Veranstaltungsende kommen sie ein letztes Mal an diesem Abend zum Einsatz. Es müssen die geplatzten und die noch intakten Luftballons, Flaschen, Becher und Luftschlangen von den Brettern, die die Welt bedeuten entfernt werden.

„Danke, danke, danke!“

Bleibt die Frage, warum man als StudentIn ohne jede Bezahlung, bei einer Kulturveranstaltung wie einem Kurzfilmfestival mitarbeitet. Es gehe ihr nicht primär um den Festivalpass, der ihr freien Eintritt zu allen Programmen ermögliche sagt Christin Grunzke, Lehramtsstudentin an der FU Berlin. Sie möchte gerne mithelfen kulturelle Angebote zu ermöglichen, die ohne ehrenamtliche Hilfe nicht realisiert werden könnten. Außerdem mag sie den Platz hinter den Kulissen: „Man lernt viele neue Leute kennen und wird durch den Festivalfreipass dazu ermutigt möglichst alle Vorstellungen mitzunehmen.“
Als der Saal nach ungefähr einer halben Stunde Arbeit von den gröbsten Überresten des Abends befreit ist kommt eine der Veranstalterinnen spürbar erleichtert auf uns zu: „Danke, danke, danke! Endlich haben wir es geschafft!“ Sie drückt uns ein paar rote Herzen aus Schokolade in die Hände und lädt uns zur After-Show-Party in den Roten Salon ein. Nach einer Zigarette zwischen den Säulen des Volksbühneneingangs stellen wir fest, dass wir dazu eigentlich zu müde sind. Trotzdem hat sich der Abend gelohnt.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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