Festtage für 14 Prozent

Die FU steht vor einer Woche der Entscheidungen. Ein halbes Dutzend Gremien werden neu gewählt, unter anderem das Studierenden-parlament und der Akademische Senat. Aber wen interessiert das eigentlich? Von Hendrik Pauli.

Foto: Cora-Mae Gregorschewski

Wahlkampf an der FU ist nichts für die schöne Seele. Ein paar Wochen lang hat sich der Winter von seiner romantischen Seite gezeigt, hat den Campus mit einem blütenweißen Schneegewand bedeckt und es alle paar Tage mit neuen Flocken aufgefrischt. Alles ging etwas langsamer und sah etwas schöner aus als sonst. So wie man sich den Unibetrieb eigentlich wünscht. Schnee gibt es dieser Tage kaum noch, nur schwarze, verharschte Eishaufen und Bürgersteige, die zu Rutschbahnen geworden sind.

Wahlgedöns aus Restbeständen

Der weiße Märchenwinter ist weitergezogen, als wollte er sagen: Mit eurem Wahlgedöns will ich nicht zusammen gesehen werden. Grelle Wahlplakate mit inhaltsleeren Slogans, teilweise aus Restbeständen der letzte Jahre. Sie sollen Aktivität und Coolness suggerieren, solange sie noch nicht klamm und zerknittert von den Bäumen herabhängen – oder von Mitbewerbern abgerissen wurden. Dazu Verleumdungsversuche und üble Nachrede auf den einschlägigen Blogs, über deren Ausgang man eher die Super-Nanny entscheiden lassen möchte, weniger ein demokratisch geordnetes Wahlverfahren.

2011 steht eine echte Superwahlwoche vor der Tür. Ab kommendem Dienstag sind die FU-Angehörigen drei Tage lang aufgerufen über die Neubesetzung von nicht weniger als sechs universitären Gremien abzustimmen. Neben den rein studentischen Gremien, dem Studierendenparlament und den Fachschaftsräten, werden der Akademische Senat, das höchste Entscheidungsgremium der FU, sowie Instituts- und Fachbereichsräte und Teile des Kuratoriums neu besetzt. Dazu ist eine Urabstimmung zum Leitbild „Solidarischen FU“ angesetzt. Dahinter stehen zwei alte Bekannte: Sarah Walz und Mathias Bartelt. Schon im letzten Jahr haben sie sich mit „Not My President“, der Kampagne zur Urabstimmung gegen Präsident Dieter Lenzen, öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt. Auch wenn die Initiative scheiterte, getragen von der zeitweiligen Aufmerksamkeit konnten sie sich zwei StuPa-Mandate sichern. Dieses Jahr also unter der ebenfalls öffentlichskeitswirksamen Marke attac für die „Solidarische FU“. Man darf gespannt sein.

Enttäuschende Wahlbeteiligung

Insgesamt bewerben sich 47 Listen um die 60 Sitze im StuPa. Der SDS schickt seine drei Institutsgruppen als eigenständige Listen ins Rennen. Wahltaktisch ein geschickter Schachzug. Das Auszählverfahren begünstigt Listen mit kleinerem Stimmanteil. Davon dürften erneut die AStA-treuen Fachschaftsinitiativen und „Regenbogenlisten“ profitieren. Beim Klagen über die niedrige Beteiligung bei den StuPa-Wahlen dürften einige Kandidten wohl Krokodilstränen vergießen. Im letzten Jahr lag die Wahlbeteiligung mit 14% schon außergewöhnlich hoch. Für die Wahlen zum Akademischen Senat vor zwei Jahren lag die studentische Beteiligung im unteren einstelligen Bereich. Sollte die Quote steigen zahlt sich das vor allem für stärkere Gruppen wie die Jusos, die Grüne Hochschulgruppe und das Café Tatort aus.

Erstmal ist jeder um Optimismus bemüht. Wahltage sind Festtage für die engagierte Klasse, für die die Uni keine bloße Ausbildungsfabrik sein soll, sondern ein sozialer Raum, wie es im Soziologen-Duktus heißt, ein Experimentierfeld. Allerdings, die institutionell garantierten Gestaltungsmöglichkeiten der Studierenden sind begrenzt. Wo die praktische Bedeutung fehlt, wird das Tun moralisch aufgeladen. Die Themen sind dabei beliebig austauschbar. Egal ob Bildungsstreik, Präsidentenwahl, Strukturpläne: überall steht das autokratische Bildungsungeheuer hinter der Tür. Allein, das Mantra von den undemokratischen, weil nicht studentischen, nicht graswurzelbewegten Entscheidungsstrukturen verfängt nicht. Schlimmer noch: Es macht das politische Gehör taub. Wer ständig schreit, dass das Haus in Flammen steht, dem glaubt niemand, wenn es wirklich brennt.

Knappe Entscheidung

Die immergleichen Debatten mit den immergleichen Schlagworten bringen keinen einzigen Wähler zusätzliche an die Urne. Bleiben die Mehrheitsverhältnisse wie sie sind, dürfte sich wenig ändern. Allerdings hat das letzte StuPa-Jahr gezeigt, dass etwas in Bewegung geraten ist. Die AStA-treuen Listen hatten bei kontroversen Abstimmungen nur noch wenige Stimmen Mehrheit. Der Disziplin der ziemlich heterogenen Opposition, die SDS und LHG sowie alles dazwischen vereint, hat das nicht geschadet.

Das Tauwetter könnte also andauern. Wenn der Schnee geschmolzen ist und die Bürgersteige gereinigt sind, wenn an der FU das neue StuPa zusammentritt, dann herrscht wieder Wohlfühlatmosphäre auf dem Campus. Dann muss auch niemand mehr der Winterromantik nachtrauern.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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2 Responses

  1. z sagt:

    1. die urabstimmung wurde vom asta einberufen, nicht von sarah walz und matthias bartelt. besprochen wurde sie in der ag urabstimmung in der personen verschiedener spektren beteiligt waren.
    2. ist der wahlkampf dieses jahr doch recht fair. gut, die lhg schießt mal wieder quer, aber das macht sie ja das ganze jahr.
    3. gibt es zwei listen die die solidarische fu im namen tragen. warum die eine der urabstimmung nahe stehen soll und die andere nciht erschließt sich mir hier nicht.

  1. 9. Januar 2011

    […] 4. Superwahlwoche an der FU […]

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