Don’t Gender me, Baby!

An der FU forscht eine Tunte. Dr. Volker Woltersdorff alias Lore Logorrhöe im Gespräch über gelebte Provokation, Faschingspartys und so ernsthafte Dinge wie Namensschilder an Bürotüren. Das Gespräch führte Carolin Benack.

Foto von Cora-Mae Gregorschewski.

Ein bisschen überraschend ist es schon, als Volker Woltersdorff alias Lore Logorrhöe in Motorradkluft, mit Glatze und lachenden Augen auf uns zu kommt. Keine Spur von Perücke, falschen Wimpern und hohen Absätzen. „Hi, ihr kommt von der FURIOS, richtig? Ich bin Volker.“ Wir folgen ihm in sein weiß gestrichenes Büro und setzen uns auf drei freie Stühle.

Volker, wie kommt man darauf, sich Frauenkleider anzuziehen und Lore Loghorröe zu nennen?

In den ’70er und ’80er Jahren gab es die Tradition in der Schwulenszene, Tuntenpseudonyme zu tragen. Damit hat man seine Kritik an den herrschenden Geschlechterrollen und dem Sich-Einfügen in eine rein männliche Identität ausgedrückt. Zum Einen fand ich diese Tradition sehr schön, sodass ich daran anknüpfen wollte. Und zum Anderen hat sich das aus meinem queeren Umfeld ergeben. Da bekam man sehr schnell einen Tuntennamen. Also habe ich offensiv reagiert und mir selbst einen zugelegt. Logorrhöe wird von der Psychologie als eine krankhafte Geschwätzigkeit definiert. Ich hoffe, dass ich meinem Namen in diesem Interview nicht zu viel Ehre bereite. (lacht)

Was hat es damit auf sich?

Mir wurde früher in der schwulen Politszene gern vorgeworfen, dass ich ohne Punkt und Komma rede. Dieses Pseudonym war quasi eine ironische Nach-Vorne-Verteidigung. Gerade im universitären Kontext ist das ein Name, der den Status von akademischer Rede…nun ja, vorsichtig hinterfragt.

Kannst du dich an das erste Mal erinnern, als du im Fummel unter Leute gegangen bist?

Das war auf einer schwul-lesbischen Faschingsparty in München, kurz nach meinem Coming-Out. Allerdings fällt mir gerade ein, dass ich mich auch schon früher, so mit zwölf, als Prinzessin verkleidet habe.

Wie haben deine Eltern denn darauf reagiert?

Meine Mutter hat das unterstützt. Das war, glaube ich, sogar ihre Idee. Ich weiß nicht genau, was sie mir damit mitteilen wollte. (lacht)

Und wie war das, als du später auch im Alltag Fummel getragen hast?

Da war sie sehr geschockt. (lacht) Vielleicht hat sie sich auch Vorwürfe gemacht. Mein Bruder fand das Ganze recht spannend, der konnte von allen damit am besten umgehen. Meine Eltern hatten daran aber schon sehr zu knabbern.

Gerade siehst du aber so gar nicht nach Tunte aus.

Nein, die meiste Zeit laufe ich nicht mehr als Tunte herum.

Warum nicht?

Es ist einfach anstrengend. Denn als Tunte kreiere ich Unsicherheit bei meinem Gegenüber, weil es mich nicht einordnen kann. Wenn man das tagtäglich macht, ist das sehr kraftraubend. Außerdem bin ich ja nicht nur Lore Logorrhöe, ich habe ja auch meine Identität als schwuler Mann und möchte auch so gesehen werden.

Ist das im universitären Bereich nicht weniger kompliziert?

Die Menschen hier halten sich für zivilisiert und gebildet. Sie haben den Anspruch offen gegenüber Neuem zu sein. Deshalb ist es für mich leichter, hier Tunte zu sein, als in der bayrischen Provinz, in der ich aufgewachsen bin. Aber das hat auch Grenzen. Es gibt noch keine Tunte, die als Tunte einen Lehrstuhl inne hat und Vorlesungen im Fummel hält. Ich glaube auch, dass das ein starkes Hemmnis für die Karriere wäre.

Du gibst selbst auch Seminare. Hast du das denn schon im Fummel gemacht?

Zu einigen Sitzungen bin ich im Fummel gekommen, ja.

Und wie haben die Studierenden darauf reagiert?

(schmunzelt) Etwas überfordert. Ich bin zu einer Sitzung zu Judith Butlers Gender Trouble und der Passage, in der sie sich über Drag auslässt, im Fummel gegangen. Ich wollte vorschlagen, das an meiner eigenen gender performance zu diskutieren. Aber da gab es große Zurückhaltung.

Du selbst forschst im Sonderforschungsbereich „Kulturen des Performativen“ vor allem zu queeren Identitäten und Inszenierungen. Spürst du dieses Unbehagen auch in Bezug auf deine Forschung?

An manchen Stellen würde ich mir mehr Auseinandersetzung wünschen. Es gibt bestimmte Strategien, solche Themen abzuwehren oder zu ignorieren. Das ist einer der Gründe, die mich müde gemacht haben, im universitären Raum mit Fummel zu intervenieren. Ich dachte es würde reichen ein bestimmtes Wahrnehmungsbild zu stören, um die Menschen dazu zu bringen, über Geschlechterrollen zu diskutieren. Das war aber nicht so einfach, wie ich es mir erhofft hatte.

Wie sehen diese Strategien aus?

Es ist sehr schwierig an deutschen Universitäten mit solchen Themen Karriere zu machen. Außerdem gibt es keine institutionalen queer studies, und auch die gender studies sind meiner Meinung nach unterrepräsentiert. In den wenigen Instituten, die es gibt, wird die Zweigeschlechtlichkeit und die Etablierung von queer theory nur teilweise in Frage gestellt. Insgesamt gibt es also keinen gesicherten institutionellen Ort, um diese Themen an einer Universität zu erforschen und zu lehren.

Draußen an deinem Türschild steht dein Pseudonym nicht geschrieben. Wieso?

Ich gebe es immer wieder an und trotzdem wird es ignoriert. In gewisser Weise ärgert mich das. Ich möchte jetzt auch nicht, dass es mir als Wichtigtuerei ausgelegt wird, dass ich mir einen barocken Namenszusatz leiste. Aber ich hätte es als schöne Geste empfunden, das an die Tür zu schreiben.

Ist das nicht ziemlich borniert?

Nein, darüber wird eher ausgedrückt, dass dieses Tuntenpseudonym etwas Witziges ist. Dass es, wenn es um den harten Alltag geht, um ernsthafte Dinge wie Namensschilder an Bürotüren, vernachlässigt werden kann. Bei anderen Namenszusätzen, wie zum Beispiel einem Adelstitel, gibt es eine größere Bereitschaft, das als ernsthaft anzuerkennen.

Zum Schluss: Was sollte sich an der FU dahingehend noch verändern?

Einmal wäre das natürlich eine stärkere Verankerung von queer studies. Und was den Umgang mit Geschlechterdiversität betrifft, wäre mein Wunsch, dass es auf Formularen die Möglichkeit gibt, sich nicht auf eins von beiden Geschlechtern festzulegen. Und vielleicht, dass man auch endlich ein Tuntenpseudonym angeben kann.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. 25. Januar 2011

    […] Cam­pus Das Leben der Ande­ren: Stu­die­rende tref­fen Migran­ten­kin­der Don’t Gen­der Me, Baby! Lore Log­hor­röe im Gespräch […]

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