Hypokratische Verhältnisse

Weniger als die Hälfte der Studienanfänger fühlt sich an der FU gut betreut. Dies berichtet die Berliner Zeitung unter Berufung auf eine aktuelle Studie, die unter 3000 Dahlemer Studenten durchgeführt wurde. Ein wenig überraschender Befund, findet Nils Altland.


Wer einmal an der Freien Universität in einem der überfüllten Hörsäle Platz genommen hat, der weiß: Diese Studie bestätigt lediglich, was für Studenten an der Freien Universität längst Alltag geworden ist – volle Veranstaltungen und überforderte Dozenten. Von individueller Betreuung ist da nur zu träumen, die Illusion vom Professoren einmal mit Namen angesprochen zu werden, wie es etwa in den Niederlanden gang und gäbe ist, längst in den Wind geschossen.

Vielleicht liegt es ja an den hohen Erwartungen, die Studienanfänger haben, nachdem sie frisch aus der Schule an die Uni kommen? Aber dann gleich individuelle Betreuung verlangen, wo sie in Berlin noch nicht einmal Studiengebühren zahlen müssen? Dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, beweist das kaum bessere Abschneiden im Bereich Betreuung der gebührenpflichtigen Unis, wie ein Blick auf das Zeit Hochschul-Ranking verrät.

Ertrunken in der Hausarbeitenflut

Die Hochschulen – der nackte Finger zeigt auf die FU – befinden sich in einem Teufelskreis, soviel ist klar. Denn die Studie macht auf ein weiteres Problemfeld aufmerksam: Enormer Prüfungsdruck bei einer Betreuung tendierend gegen null. Im verschulten Bachelorsystem sind je nach Studienordnung drei bis vier umfangreiche Klausuren und mehrere Hausarbeiten zu Semesterende ganz normal. Und auch im Semester wird geprüft. Wie sonst, wenn nicht mit geballtem Klausurenfeuer, sollen die vielen Leistungen in den ohnehin schon knapp bemessenen sechs Semestern kontrolliert werden, erwidert darauf das Lehrpersonal. Die Zeit der faulen Studenten ist lange vorbei! Die Zeit eines angemessenen Betreuungsschlüssels noch nicht gekommen.

So fällt das Klausurenschreiben ungleich schwerer, wenn – wie es nicht selten der Fall ist – kein begleitendes Tutorium angeboten wird. Es ist inzwischen Usus auf die Note einer pünktlich abgegeben Hausarbeit noch zu warten, während die nächste schon wieder in der Produktion ist – hypokratische Verhältnisse.

Die Arbeit schlummert unter einem hohen Stapel auf irgendeinem Schreibtisch, während die Dozentin in Sofia oder Ilmenau an ihrer Dissertation sitzt, weil ihr befristeter Vertrag längst abgelaufen ist. Das ist alles andere als förderlich für die Kommunikation mit der Studierendenschaft. Und auch die gute alte Sprechstunde ist längst auf der Strecke geblieben. Keine guten Voraussetzungen für eine durchdachte und langfristig angelegte Stundenplanung.

Hoffnungsschimmer?

Doch es gibt auch Grund zu Hoffen: Laut der Studie sind zwei Drittel der Studenten zumindest mit dem Aufbau, Struktur und Umfang des Lehrangebots an der Freien Universität zufrieden – individuelle Interessen kommen jedoch auch hier zu kurz, nach Meinung von 62 Prozent der Befragten. Zeit über den Tellerrand des eigenen Fachs hinauszusehen bleibt da selten.

Auch fast zwei Jahre nach dem ersten Bildungsstreik sieht die Situation noch alles andere als rosig aus. Und viele haben sich damit abgefunden.Tatsächlich aber hat die Lehre an der Exzellenz-Universität immer noch nicht den Stellenwert eingenommen, den sie eigentlich verdient.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

3 Responses

  1. näppisch sagt:

    “Die Zeit der fau­len Stu­den­ten ist lange vor­bei! Die Zeit eines ange­mes­se­nen Betreu­ungs­schlüs­sels noch nicht gekommen.”
    das heißt dann, dass “drei bis vier umfang­rei­che Klau­su­ren und meh­rere Haus­ar­bei­ten zu Semes­ter­ende” in ordnung sind, solange sie nur rechtzeitig korrigiert werden?
    mir scheint, die furiosen haben immer noch viel zu wenig zu tun, wenn sie dermaßen kritische artikel schreiben können…

  2. petri sagt:

    >>Dies berich­tet die Ber­li­ner Zei­tung unter Beru­fung auf eine aktu­elle Stu­die, die unter 3000 Dah­le­mer Stu­den­ten durch­ge­führt wurde<<

    müssen sich Studierende wirklich auf andere Zeitungen berufen, was Umfragen angeht, die an Ihnen selbst durchgeführt werden?

  3. Thomas E. sagt:

    Da nun der Artikel gegen die Niederlande kontrastiert, darf dann aber nicht übersehen werden, dass hier in Holland auch im Semester geprüft wird. Wöchentliche Hausarbeiten sind üblich und das Jahr ist in fünf Blöcke unterteilt. Und man muss wohl so ehrlich sein und erwähnen, dass die grundständigen Studiengänge auch hier Massenvorlesungen beinhalten. Aber tatsächlich ist die Betreuung hier zuverlässiger und zügiger. Weil das Lehrpersonal finanziell bestraft wird, wenn es da schlampt.

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