Härtefälle für Berlin

Mit neuen Quoten und Härtefallkriterien möchte Bildungssenator Zöllner die Aufnahmechancen an hiesigen Hochschulen für Berliner Abiturienten verbessern. Leidtragende sind diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen, meint Michael Wingens.

Wer sich neben der Studienfachwahl, dem Erreichen des Numerus Clausus und unzähligen widersprüchlichen Rankings noch um einen Härtefallantrag bemühen muss, ist nicht zu beneiden: Das Abitur in der Tasche, scheint die Aufnahme an einer Hochschule in weite Ferne gerückt zu sein – sei es durch eine körperliche oder gesundheitliche Beeinträchtigung, einen Schicksalsschlag in der Familie oder eine unüberwindbare finanzielle Notlage. Um den Betroffenen einen leichteren Zugang zu ermöglichen, müssen die Berliner Universitäten mindestens zwei Prozent ihrer Studienplätze bereit stellen. Diese Regelungen gelten unabhängig von der Herkunft der Abiturienten. Selbstverständlich, möchte man meinen.

Schwammiges Reformpaket

Doch Bildungssenator Zöllner (SPD) sieht Reformbedarf und möchte die Aufnahmechancen von Berliner Abiturienten an den hiesigen Hochschulen verbessern. Dies erfordert eine ordentliche Portion Kreativität, denn die offene Bevorzugung von Landeskindern ist verfassungsrechtlich eindeutig untersagt. Der Vorwurf des Klientelismus wird jedoch geschickt umgangen, indem sich einige Berliner Abiturienten fortan als Sonderfälle bewerben könnten. Diese seien Minderjährige aus den so genannten Schnellläuferklassen die, so die Begründung des Senators, die Hauptstadt nach dem Abitur mit 17 Jahren schlecht verlassen könnten. Neben der Minderjährigen-Quote, die als weitere Sonderregelung eingeführt werden soll, werden vor allem die Härtefallkriterien ausgedehnt. Gemessen an dem schwammigen Begriff der „sozialen Härte“, der ein Abiturient ausgesetzt ist, soll ermessen werden, ob der Umzug in eine andere Stadt unzumutbar und die Aufnahme an einer Berliner Hochschule notwendig ist.

Damit macht es sich Zöllner jedoch zu leicht. Als Bildungssenator ist es seine Aufgabe, sicher zu stellen, dass Berliner Schüler auf den möglichen Eintritt in eine universitäre Laufbahn vorbereitet werden. Zudem sollte er eine angemessene und gerechte Hochschulzulassung gewährleisten. Doch was im Reformpaket als „verbesserter Übergang von Schule zu Hochschule“ angepriesen wird, entpuppt sich schnell als lokalpolitisches Kalkül angesichts der bevorstehenden Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Denn durch konstruierte Quoten und die Bestimmung neuer Härtefälle öffnet der Senator vielen Berliner Abiturienten eine Hintertür, die das Prinzip der Chancengleichheit nachhaltig untergräbt. Im Kampf um die Gunst der Wähler scheint jedoch jedes Mittel recht.

Kein Geburtsrecht

Dass Ortsansässige kein Geburtsrecht auf ihre städtische Universität haben, liegt auf der Hand. Zwar haben es Berliner Abiturienten nicht leicht, mit guten bis durchschnittlichen Noten einen Studienplatz in ihrer Heimatstadt ohne lange Wartezeiten zu ergattern. Doch das Gleiche gilt auch für alle anderen Absolventen, die es in die heiß umkämpfte Hauptstadt zieht. Deshalb sind einheitliche und transparente Auswahlverfahren gefragt, die eine gerechte Chancenverteilung für alle Bewerber gewährleisten. Härtefälle hingegen sollen das bleiben, was sie sind: Ausnahmeregelungen für solche, die auf Unterstützung wirklich angewiesen sind.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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