Nicht alles neu, aber manches besser: die neue Mehrheit im Akademischen setzt erste Akzente. Der erhoffte Bruch mit der Lenzen-Ära deutete sich aber noch nicht an. Von Hendrik Pauli.
Da wollten sie rein: Im AS gibt’s jetzt eine sogenannte linke Mehrheit. Foto: Cora-Mae Gregorschewski.
Am vergangenen Mittwoch trat der neu gewählte Akademische Senat (AS) zum ersten Mal zusammen. Der Auftakt in die zweijährige Legislaturperiode stand unter dem Zeichen der neuen Mehrheit jenseits des konservativ-liberalen Professorenblocks. Diesem wurde zu Zeiten von Präsident Dieter Lenzen immer wieder vorgeworfen, dessen selbstherrlichen Führungsstil kritiklos hinzunehmen und sich für den neoliberalen Umbau der FU einspannen zu lassen.
Der AStA hatte nach der Wahl im Januar die präsidiumskritischen Professoren aufgefordert, die neue Mehrheit von 14 zu 11 Stimmen für eine Kursänderung zu nutzen. Gemeinsam mit den Vertretern der anderen Statusgruppen müsse man nun der Philosophie von Durchökonomisierung und Elitenbildung entgegentreten. Damit gemeint ist: mehr Mitbestimmung für Nicht-Professoren, freiere Studiengestaltung, mehr Geld für die Breite und nicht nur für die Spitze.
Die Ehre entzogen
Dass sich diese Mehrheit findet – sogar spontan -, zeigte sich an einem Antrag von Raúl Rojas. Der Überraschungserfolg seiner Liste „Exzellenz und Transparenz“ hatte maßgeblich zu den neuen Verhältnissen beigetragen. Der gescheiterte Präsidentschaftskandidat von 2010 forderte das Präsidium auf, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum die 2008 verliehene Ehrenmedaille der FU abzuerkennen. Der Herrscher von Dubai sei an organisiertem Menschenhandel beteiligt, unter anderem an der massenhaften Verschleppung von pakistanischen Kindern, die er als Jockeys bei seinen Pferderennen einsetzen würde. Die Forderung, die Vorwürfe vor einer Entscheidung nochmals zu prüfen, fand keine Zustimmung. Der Antrag wurde bei einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen angenommen.
Auf neue Konfrontationen in der Hochschulpolitik wollten sich die Fraktionen in der ersten Sitzung nicht einlassen. Im Gegenteil: Die meisten Teilnehmer waren um eine harmonische Arbeitsatmosphäre bemüht. Es schien sich der Dialog fortzusetzen, um den sich Präsident Peter-André Alt seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr bemüht hatte. Der übliche Streit um die Zulässigkeit von Anträgen beanspruchte zwar immer noch mehr als eine Stunde, kam allerdings ohne Kampfabstimmung aus. Studentenvertreter Matthias Bartelt, seit vielen Jahren scharfer Kritiker des Präsidiums, war noch nicht auf das neue Miteinander eingestellt. Er warf Präsident Alt eine falsche Auslegung der Geschäftsordnung vor und zitierte dazu ausgiebig aus Gerichturteilen und Rechtsvorschriften. Womit er in jedem Jura-Seminar gepunktet hätte, wirkte im AS unfreiwillig komisch. Mehrfach fiel er dem Präsidenten ins Wort, was viele der Anwesenden mit genervtem Stöhnen quittierten. Früher kaum denkbar: Die Tagesordnung wurde schließlich einvernehmlich beschlossen.
„Nicht vergnügungssteuerpflichtig“
Unterschiedliche Auffassungen bestanden indes zur sogenannten Systemakkreditierung. Mit einer internen Qualitätssicherung soll die FU künftig ihre Studiengänge selbst prüfen können. Dieses System muss vorher von einer unabhängigen Agentur zertifiziert werden. Bisher war es üblich, jeden einzelnen Studiengang im Rahmen einer Programmakkreditierung begutachten zu lassen. Von der Systemakkreditierung erhofft sich die Hochschule mehr Autonomie in der Lehre. Kritiker sehen darin zusätzliche Bürokratie. So werde Personal und Geld verschlungen, die dann an anderer Stelle fehlten.
Michael Bongart, zweiter Vizepräsident und zuständig für den Bereich Lehre appellierte an alle Beteiligten, den Prozess konstruktiv zu begleiten. Das Vorhaben sei alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. Das Land Berlin bestehe aber auf der Systemakkreditierung. „Es geht um das Wie, nicht um das Ob“, so Bongart. Der von Mechtild Leutner (Dienstagskreis) eingebrachte Antrag, die derzeit gültige Aussetzung des Verfahrens zu verlängern, wurde auf die kommende Sitzung vertagt. Bis dahin soll geklärt werden, welche Konsequenzen ein Ausstieg aus der Systemakkreditierung hätte.
Beschlossen wurde hingegen ein Antrag der Mittelbau-Initiative auf umfassende Information über den Stand der Exzellenz-Bewerbung. Präsident erklärte ein Bericht sei Vorbereitung und könne in der Mai-Sitzung besprochen werden. Konkrete Bewerbungsunterlagen könnten den AS-Mitglieder ebenfalls ausgehändigt werden, müssten aber vertraulich behandelt werden.