Im tiefen Tal der Butterberge

Ende Juni fanden die ersten Hochschultage zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit an der FU statt. Die Podiumsdiskussion zu klimagerechter Ernährung hatte ihren ganz eigenen Charme. Von Catharina Tews.

Illustration: Cora-Mae Gregorschewski

Eine Frau mit rötlichen Haaren hatte Biokresse in einen alten Turnschuh gepflanzt, einige Schülerinnen bastelten Portemonnaies aus Tetrapaks und ein Imker baute in der Silberlaube emsig Bienenkästen auf. Es waren „Sustain-it-Tage“ an der FU.

Die kleine Studentenrunde saß hippiresk auf der grauen Auslegeware vor dem Hörsaal 1B. Hier würde jetzt über klimagerechte Ernährung im 21. Jahrhundert debattiert werden, ein Thema, das uns alle angeht. Patrick Luzina und der Felix Basznak von der Grünen Hochschulgruppe waren die Initiatoren dieser Veranstaltung. Sie hatten Wam Kat, einen holländischen Politaktivisten, Koch und Biogärtner und Eva Quistorp, Mitbegründerin der Grünen, in die Runde geladen.

Feminismus und Ökologie

Dass es in dieser Gesprächsrunde weder um das 21. Jahrhundert, noch um klimagerechte Ernährung gehen würde, sollte sich bald zeigen. Nachdem sich die beiden Referenten erst einmal auf den neuesten Stand ihrer Privatangelegenheiten gebracht hatten, ließ Wam Kat verlauten: „Wer vegetarisch isst, der setzt sich auch gegen die Atomlobby ein.“ Die Begründung blieb leider aus, dafür folgte eine Demo-Anekdote auf die andere. Eva Quistorp blätterte unterdessen gedankenverloren in ihrem selbst verfassten, 30 Jahre alten Buch „Feminismus und Ökologie“. Ihr Gaumen hätte noch nie Fleisch geschmeckt, verkündete sie stolz und widmete sich wieder ihrer Lektüre. Dann sprach sie plötzlich ganz aufgeregt über ihren Boykott von Billigflugreisen, McDonalds und Coca Cola und versuchte eine Flanke zu den „afrikanischen Kindern mit Hungerbäuchen“, die sie auf ihren Reisen als Europa-Abgeordnete ja schließlich leibhaftig gesehen hatte. Zehn Minuten später, nachdem sie eindringlich vor der zerstörerischen Wirkung von Mobiltelefonen und Facebook-Freundschaften auf familiäre Beziehungen gewarnt hatte, kam sie zu dem Schluss, dass Ernährungsthemen auch immer Frauen- und Genderthemen seien. Aha.

Wam Kat stimmte anschließend eine Lobeshymne auf den Veganismus an und rief zum Eigenanbau sämtlicher Nahrungsmittel auf. Wer ein Häuschen oder Bauwagen im Wald nahe einem 1000-Seelen-Dorf in Westdeutschland besitzt, kann dieser Philosophie vielleicht zustimmen. Der Student, der auf der Fensterbank seines 16 qm-WG-Zimmers spaßeshalber Tomaten zieht, runzelt wohl eher die Stirn.

Der eine oder andere Zuhörer mag sich gefragt haben, ob er seine Zeit nicht lieber in eine genaue Internetrecherche, als in diese 68er-Kaffeeklatsch-Runde investiert hätte. Auch die Initiatoren von der Grünen Hochschulgruppe hätten wohl besser daran getan, vorher einmal ein Buch zu klimagerechter Ernährung zur Hand zu nehmen oder die Diskussion thematisch zu strukturieren.

Bio-Kochkurs statt Handy

Einige der Studenten warfen aber dennoch wichtige Fragen auf: Ist Bio wirklich bezahlbar? Sind riesige Sojakulturen nicht genauso umweltschädlich wie Massentierhaltung? Muss ich wegen der CO2-Emissionen auf Bananen verzichten, wenn ich kein Ökoheuchler sein will? Fachkundige Antworten blieben aus. Eva Quistorp begann einen Erklärungsversuch, der vorsah, dass alle Hartz-IV-Familien doch auf ihre Handys verzichten und stattdessen lieber kochen lernen sollten. Diese äußerst fragwürdige Antwort wurde von Felix Basznak relativiert, der zu bedenken gab, dass biologisch leben auch immer eine Frage des Status und der Lebenswirklichkeit sei.

Eine Diskussionsteilnehmerin merkte an, dass die Tatsache vegan oder vegetarisch zu leben nicht automatisch auch klimagerecht bedeutet. Dann verließ sie die Runde. Trotzdem, ein kluger Hinweis, den man sich von den Referenten erhofft hätte.

Eva Quistorp fühlte sich stattdessen unentwegt an übrig gebliebene „Butterberge“ und „Milchseen“ aus ihrer Kindheit erinnert und sprach sich so gegen die hiesige Wegwerfkultur aus. Ein Mann Mitte vierzig, in bunten Shorts und mit Fliegerbrille machte den eigenwilligen Einwurf, einfach eine Fantasiewährung für Lebensmittel einzuführen. Das verschlug wenigstens Frau Quistorp für einen Moment die Sprache.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

1 Response

  1. bine sagt:

    Da hat sie wohl Recht, aber ich möchte trotzdem nicht wieder anfangen Fleisch zu essen.

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