Kann Kunst politisch sein?

Die 7. Berlin Biennale will politischen und gesellschaftlichen Protest über die Kunst kanalisieren. Dieser Versuch gelingt dem Festival jedoch nur in Ansätzen. Von Kirstin MacLeod

Kunst als Form des Protests: Eine Künstlerin der Occupy- Bewegung demonstriert vor dem Eingang der Ausstellung, Bild: Kirstin MacLeod

„Forget Fear“ lautet der Titel der Ausstellung, die von den polnischen Künstlern Artur Zmijewski und Joanna Warsza, sowie der umstrittenen russischen Aktionskünstlergruppe Voina, kuratiert wird. Zmijewski erklärt bei der Pressekonferenz, das Ziel der diesjährigen Berlin Biennale sei, dass jeder Künstler mehr Verantwortung für sein Werk übernehmen und sich den Konsequenzen seines Tuns bewusster werden müsse.

Zmijewski mahnt aber nicht zur Zurückhaltung. Kunst könne großen Einfluss auf die Gesellschaft und die Politik nehmen, wenn sie effektiv genug eingesetzt werde. Die von ihm kuratierte Biennale sei ein derart effektives Mittel. Seine Kollegin Joanna Warsza ergänzt: „There are no deadlines, no labels and no limits“.

Handelte es sich bei der Ausstellung um eine Rede, so wäre der provokative Unterton nicht zu überhören. Nicht die Journalisten, sondern Sprecher und Künstler der Occupy-Bewegung, die die diesjährige Biennale maßgeblich mitgestalten, ergreifen bei der Pressekonferenz zunächst das Wort:„Empfindet ihr die Gesellschaft als gerecht? Haltet ihr grundlegenden Wandel für notwendig?“ Dieses Experiment der aufgezwungenen Partizipation scheitert kläglich. Kein einziger der erschienen Journalisten und Kunstkritiker, kann sich dazu durchringen, durch Händewedeln Zustimmung oder Ablehnung zu signalisieren. Die darauffolgende Stille und ungläubigen Blicke der anwesenden Journalisten sagen an dieser Stelle mehr als tausend Worte. Das kurze dramaturgische Intermezzo der Künstler wirkt gar provisorisch, wenn man bedenkt, dass die Berlin Biennale mit 2,5 Millionen Euro von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird.

Die Ausstellungsstücke, die auf die vier Etagen des „KW Institute for contemporary art“ verteilt sind, sprechen wiederum für sich: „Occupy Biennale“ ziert bereits den Eingang des größten Ausstellungsraums, der nichts anderes ist als ein kunstvoll inszeniertes Occupy-Camp. Große Banner an der Decke und Sprüche an den Wänden versprechen Revolution und politischen Wandel. In den nächsten zwei Monaten soll hier vor den Augen der Ausstellungsbesucher gelebt, gemalt und protestiert werden.

So authentisch der anfängliche Enthusiasmus der Occupy-Aktivisten erscheint, so absurd ist wiederum, das, was den Besucher in den anderen Ausstellungsräumen erwartet: Damit die präsentierte Kunst auch ja nicht nur passiv konsumiert wird, erlaubt z.B. die Installation „Blood Ties“ des kolumbianischen Künstlers Antanas Mockus dem Besucher Teil der Biennale zu werden. Mit der Entnahme eines Tropfens Bluts und der eigenen Unterschrift auf einem lieblosen Formular, kann der Besucher versichern, jeglichen Drogenkonsum bis zum 1. Juli, dem Ende der Biennale, zu unterlassen. Wozu das Ganze? Aus Sicht des Künstlers gelinge es so, Morde in Mexiko zu verhindern. Eine Logik dahinter erschließt sich den meisten Besuchern nicht.

Wer nicht bereit ist sich auf die präsentierten Kunstwerke und die Geschichte dahinter einzulassen, der ist auf der Berlin Biennale falsch. Der Wunsch herauszufinden, welcher der vielen verschiedenen angeprangerten politischen Missstände, angefangen von der Finanzkrise, über Terrorismus bis hin zum Wunsch nach einem palästinensischen Staat, hinter welchem Kunstwerk steckt, sollte beim Besucher vorhanden sein. Sonst schwebt ihm am Ende, wie auch den „Anonymus“-Darstellungen an den Wänden, ein großes Fragezeichen im Kopf herum.

Die anfangs in den Raum gestellten Fragen nach der Notwendigkeit gesellschaftlichen Wandels, kann die Ausstellung nicht beantworten. Dazu ist die auf der Biennale präsentierte Kunst zumindest für Laien einfach zu abstrakt. Ein Besuch lohnt sich jedoch auf jeden Fall. Das Kontroverse hinter den Werken, ob auf den ersten Blick ersichtlich oder nicht, entfaltet sich spannend und geht über die Kunstwerke als solches hinaus. Eins ist sicher: Auch wenn nicht alles auf der Berlin Biennale gefällt oder überzeugt, jeder Besucher wird sich sein ganz eigenes Bild davon machen können, wie politisch Kunst seien kann.

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Seit der Eröffnung am 26.04. ist die Berlin Biennale noch bis zum 1.07.2012 im KW Institute for contemporary art in der Auguststraße 69 in Berlin-Mitte zu sehen. Der Eintritt ist frei. Zusätzlich gibt es verschiedenste Aktionen zu den auf der Biennale präsentierten Themen. Der offizielle Terminplan ist hier einzusehen: http://www.berlinbiennale.de/blog/archiv/alle-veranstaltungen

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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