Nicht nur für Lehramtsanwärter

In urkomischen Episoden schildert „Chill mal, Frau Freitag“ den Alltag einer Berliner Gesamtschule. Frau Freitag kann sich trotz der chaotischen Zustände keinen besseren Beruf vorstellen. Von Judita Koziol

"Chill mal Frau Freitag"

Frau Freitag ist Jahrgang 1968. Eine 68erin ist sie deshalb aber nicht. Sie ist lediglich Lehrerin an einer ganz normalen Schule irgendwo in Berlin. Doch was ist schon „normal“? Was heißt „lediglich“? In Frau Freitags Leben spielen diese Begriffe fast keine Rolle. Ihren Alltag meistert sie mit einer gehörigen Portion Ironie und Sarkasmus – es geht nicht anders. Ohne ein dickes Fell und bewundernswerte Tüchtigkeit wäre sie den Herausforderungen ihrer Arbeit nicht gewachsen.

Das hat einen Grund: Frau Freitag unterrichtet an einer sogenannten Brennpunktschule. Deshalb heißt sie in Wirklichkeit auch anders und lässt in ihrem Buch kaum Schlüsse über ihre Identität zu.

Das Gefühl, das sie ihren Schülern entgegenbringt, ist Hassliebe, die sich im Verlauf von „Chill mal, Frau Freitag“ jedoch als echte Sympathie entpuppt. Frau Freitag will nicht an einem Gymnasium unterrichten; die Kinder dort sind ja nicht lernresistent. Sie hat sich ihre Stelle bewusst ausgesucht, weil sie sich als eine Kämpfernatur sieht. Ihr Alltag beschert ihr ständig erschreckende Überraschungen, mit denen sie umgehen muss. Etwa wenn ihre Schüler behaupten, dass Sarrazin eine Säure sei, oder wenn sie glauben, Hitler habe die Mauer gebaut. Doch sie Frau Freitag verzagt nicht. Sie bemüht sich um ihre Schützlinge und verhilft leistungsschwachen Migranten, die sie motivierend allesamt als „Deutsche“ bezeichnet, zum Abschluss. Ihre Selbstironie und die Lakonie, mit der sie die Anekdoten aufschreibt, machen diese Schilderung ihres Alltags witzig und prägnant.

„Chill mal, Frau Freitag“ wird so zum komischen Einblick in ein etwas anderes Bild vom Lehrerberuf. Das Buch bringt zum Lachen, aber auch zum Nachdenken. Irritierend ist an manchen Stellen, wie sich die Lehrerin dem schnoddrigen Tonfall der Schüler anpasst. In ihrem Rap-Song hat das natürlich einen komischen Effekt, aber man fragt sich, wo da die Vorbildfunktion bleibt. Will Frau Freitag bei ihren Schülern beliebt sein oder nur authentisch? Ganz offenherzig gesteht sie auch, dass sie Noten nach Sympathie vergibt; ihre Schilderungen gleiten auch sonst häufig in Zynismus ab. Ist sie es noch, die ihr Umfeld gestaltet, oder ist sie einfach schon zermürbt? Verständlich wäre es: Ihre Arbeit erscheint mitunter wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wenn man das Buch jedoch nicht zu ernst nimmt, dann gelingt auch das fröhliche Schmunzeln über diese Illustration der deutschen Bildungsmisere. Eine unerschrockenen Lehrerin allein wird sie nicht beheben können. Mit diesem Buch verschafft sie jedoch nicht nur Lehramtsanwärtern ein paar vergnügliche Lesestunden.

Chill mal, Frau Freitag: Aus dem Alltag einer unerschrockenen Lehrerin
Auto­r: Frau Freitag
Ver­lag: Ullstein
Preis: 9,99 Euro

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

1 Response

  1. K. sagt:

    Vergnüglich waren die Lesestunden nur zum Teil. Denn Frau Freitag geht nicht nur mit ihren Schülern so zynisch um, sondern auch mit Referendaren. Teamgeist kennt sie nicht, jeder müsse sich halt selber durchbeissen. Fragt man sie doch um Rat, gibt sie zu, sie gäbe absichtlich schlechte Tipps.
    Würde das Buch eher zur Abschreckung empfehlen, keinesfalls vor dem Ref lesen, wenn ihr euer Kollegium noch nicht kennt!

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