Gekommen um zu reden?!

Bei der Vollversammlung zur Rahmenstudien- und Prüfungsordnung sorgten die Studierenden vor dem Präsidium für ordentlich Aufruhr. Was das Resultat war und was aus der Aktion hätte werden können, kommentiert Veronika Völlinger.

„Mörder!“ Da war es heraus. Keine fünf Minuten stand der Tross von etwa 500 FU-Studierenden vor der Altbauvilla des Präsidiums. Die vordersten Reihen drückten mit massiver Dynamik gegen die schwere, dunkle Eingangstür. Doch dieser anonyme Ausruf aus der Menge nahm dem Vorhaben – einem Dialog über die RSPO – jegliche Grundlage.

Voller Entschlossenheit hatte man sich aufgemacht. Zuvor hatten die Studierendenvertreter in der Vollversammlung (VV) über die geplante Rahmenstudien- und Prüfungsordnung (RSPO) informiert. Als Ergebnis wollten die Teilnehmer dem FU-Präsidium einen offenen Brief mitsamt 2000 Unterschriften und einer Einladung zu einem studentischen Runden Tisch überbringen. Mehrere Hundert Teilnehmer waren dabei.

Was wäre das für ein sichtbares, entschlossenes Zeichen gewesen: So viele Studierende aus verschiedenen Fachbereichen ziehen vor das Präsidium; demonstrieren gemeinsam gegen die Inhalte der RSPO und mit ihr gegen die mangelnde Demokratie und Intransparenz an der FU; vertreten geschlossen ihren Standpunkt. Mit der Einladung zum Runden Tisch zeigen sie Gesprächsbereitschaft, mit dem friedlichen Zug unterstreichen sie ihre Souveränität. So hätte es kommen können.

Ein schlechter Start

Doch es kam anders: Als man in die Kaiserswehrter Straße zum Präsidium einbog, ging alles ganz schnell. Ob Präsidiumsmitglieder noch mit den Studierenden kommunizierten oder ob nur heruntergelassene Rollläden sie erwarteten – Beide Parteien rücken nicht von ihrer Sichtweise ab. Fakt ist, dass die Studierenden immer wieder gemeinsam gegen die Tür preschten, während von innen die Sicherheitsleute zurück drückten. Keiner kann leugnen, dass dieses Auftreten des Demonstrationszuges eine denkbar schlechte Grundlage für die Diskussion lieferte. Als dann FU-Kanzler Peter Lange und Vizepräsidentin Brigitta Schütt vor die Tür traten, machten die Studenten und Studentinnen ihrem Unmut teilweise unter Tränen Luft: „Diese Verordnung schränkt unsere Freiheit ein. Diese Verordnung zerstört unsere Träume.“ Ja – nutzt eure Stimme, nutzt eure Worte. Aber lasst die Unsachlichkeit zu Hause!

Die Diskussion biss sich zunehmend in den Schwanz: Wir waren gekommen um zu reden, doch wir beleidigten – plump offensichtlich oder ganz spitz im Subtext. Neben mir verzweifelte eine Psychologiestudentin an der diffamierenden Gesprächskultur; es interessierte keinen. Zu Recht empörte sich Schütt: „ ‚Bla Bla Bla’ im Hintergrund zu sagen, hat für mich nichts mit Respekt zu tun“.

Jegliche Antworten des Präsidiums proklamierte man als Augenwischerei. „Die Forderung, dass das Präsidium sich mit dem Brief auseinandersetzt, die erfüllen wir!“, versprach Lange. „Das glaubst du doch selbst nicht“, tönte es sofort frech aus der Menge. Es bleibt ein Rätsel, was der Kanzler in diesem Moment hätte sagen können, um von den Studierenden honoriert zu werden. Doch hält er sein Wort nicht, ist es der Studierenden gutes Recht zu protestieren.

Vorsicht Störfaktor!

Zu behaupten, alle Teilnehmer der Aktion hätten sich so verhalten, wäre eine unzulässige Vereinfachung. Die klugen Köpfe, die ihre Kritik glasklar und sachlich formulierten, wurden von einer Minderheit von Studierenden unterbrochen, die immer ein bisschen weiter ins Extrem wollten. Diese riefen dann eben „Mörder“ und plädierten für Blockade. Diese stemmten sich dann in unkontrollierter Gruppendynamik gegen die Pforte – und gefährdeten so ein ganzes Projekt!

Kanzler Lange merkte während des Gespräches an, dass Alt sehr wohl zur Vollversammlung gekommen wäre. Warum durfte er nicht? Laut Organisatoren gehe es in dem Gremium ausschließlich um den Austausch zwischen Studierenden. Diese Erklärung hinkt! Der FU-Präsident hätte sich der geschlossenen Studierendenschaft samt Kritik stellen müssen. Außerdem hätte es seitens der Studierenden Größe gezeigt auf das Angebot, trotz Alts zum Teil ignoranten Verhalten auf der AS-Sitzung, einzugehen. Ist nicht genau das Politik: Kompromisse eingehen, um ein für alle irgendwie annehmbares Ergebnis zu erzielen? Viele Argumente der RSPO-Debatte gleichen einem Sandkastenstreit: wie du mir, so ich dir. Ein ewiger Kreislauf.

Die Uhr tickt…

An diesem Mittwoch ist der Runde Tisch angesetzt, der jetzt offiziell als VV angeworben wird. Diesmal sind Alt und Präsidium eingeladen. Kanzler Lange erteilte den Protestlern vergangene Woche ein Absage, was man durchaus auf die Form der ‘Einladung’ schieben könnte. Eine offizielle Antwort von Alt gab es bisher nicht.

Eine Woche später, am 20. Juni, stimmt der Akademische Senat über den Entwurf ab. Was ist das Mittel zur Wahl: Blockade und Protest, um erst recht von der universitären Mehrheit überstimmt zu werden? Es gibt gute und auch objektiv gerechtfertigte Argumente gegen die RSPO – doch die jetzige Diskussion schreckt nicht nur Präsidium und Professoren ab, sondern auch viele Kommilitonen. Sie distanzieren sich wegen der Art und Weise von dem Protest, obwohl auch sie mit der RSPO nicht einverstanden sind.

Will man wirklich etwas erreichen, ist es Zeit den ewigen Kreislauf zu durchbrechen. Dialogkultur darf nicht mehr nur eine Floskel sein. Wir müssen reden – diesmal wirklich und mit realistischen Zielsetzungen! Am Mittwoch bietet sich die Gelegenheit.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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3 Responses

  1. josephine sagt:

    sehr einseitiger artikel…es wäre schön gewesen, wenn die autorin sich mal die mühe gemacht hätte an einer der sitzungen vor der vv teilzunehmen, dann wäre die darstellung vielleicht nicht so einseitig (für das präsidium) ausgefallen. es mag sein, dass einige studierende übertrieben haben, aber als studentisches magazin, sollte hier nicht das präsidium in schutz genommen werden oder zumindest auch deren diskussionsunbereitschaft dargestellt werden! und noch wichtiger: als campus-magazin sollte es eure aufgabe sein, die studierenden zu informieren, so zum beispiel über die inhalte der rspo…die fanden hier keinerlei erwähnung. ihr solltet mobilisieren helfen, anstatt zu erklären, wie man eine vernünftige diskussion führt. und nein, politik ist nicht immer ein annehmbares ergebnis erzielen, zumindest solange das ergebnis auf der einen seite zu viele kompromisse abverlangt! solange das präsidium die demokratischen mechanismen unterläuft, müssen wir gar keine kompromisse machen, wir müssen für unsere rechte einstehen und laut sein…und das waren wir! ein solcher artikel bewirkt aber das gegenteil und erstickt den protest!

  2. vom Orga-Team sagt:

    Um fragen wie “warum wurde der Präsident nicht eingeladen” eine antwort zu geben, sollten eventuell auch die menschen gefragt werden, welche die VV vorbereiteten.

    denn genau das schließt nämlich die so oft geforderte “diskussionskultur” mit ein. wollten wir einen ort, wo eine krasse hierarchie zu ungunsten der studierenden geschaffen wird und das präsidium sich und sein vorgehen eventuell ins beste licht rücken hätte können. nein!
    war die aktion vor dem präsidium als ein ort geplant, um dort in gepflegter dialogkultur über die RSPO zu sprechen. nein!

    viele studis sind einfach verdammt wütend über so ein krass asoziales und genau kalkuliertes handeln weniger, welche über viele ungefragt entscheiden. das war der eigentliche sinn hinter der veranstaltung: um zu zeigen: hier sind wir! und wir sind wütend!

    tut mir leid, aber da ist kein platz für ein glücksbärchi-denken, dass wir nur richtig miteinander reden müssten. denn – und das klang leider in dem text nicht an – fingen die gespräche vor dem präsidium mit lange und schütt (was meiner meinung generell ein der veranstaltung inhaltlicher fehler war) recht sachlich und gut argumentiert an und nahmen mit fortschreitender dauer solch wie oben beschrieben züge an. warum? weil langsam klar wurde, dass die beiden funktionsträger_innen nicht von ihrer position abweichen werden, dass das was sie sagten absolut unverfrorene lügen waren und dass ihnen mit normaler argumentation nicht beizukommen war. jedenfalls nicht in dieser situation, nicht an diesem tage, egal ob die tür aufgedrückt wurde oder nicht.
    wollen wir so eine dialogkultur, wo wir noch so gute argumente bringen können, die aber durch vermeintliche sachzwänge und haben-wir-nicht-gewusst-antworten abgeschmettert werden?
    ich will das nicht!

    und ich reiß mir nicht den arsch auf für den protest, damit einige wenige sich abgeschreckt fühlen, die eh nie den hintern hochkriegen. ‘tschuldiung, aber ohne uns, die “dialogunwilligen und -feindlichen” würde es nicht mal diesen protest geben!!!

    kommt zum plenum! diskutiert und organisiert mit, damit der protest so gestaltet wird, wie ihr euch das wünscht!
    hört auf mit dieser beschissenen repräsentationspolitik. ich will eigentlich nur für mich sprechen, nicht für euch!

    (Verzeiht mir meine wort, aber es sind fast immer die selben, verflachten argumente, denen wir ständig begegnen)
    – leo

  3. Tobias sagt:

    vor ein paar Jahren haette ich dir vielleicht noch zugestimmt. Aber meine Erfahrung, vor allem mit dem FU Praesidium, lassen mich an einer “Dialogkultur” zweifeln.

    Es stimmt, es gibt “gute und auch objek­tiv gerecht­fer­tigte Argu­mente gegen die RSPO”. Genauso gibt es gute und gerechtfertigte Gruende gegen die meisten Sachen, gegen die waehrend der letzten Jahre protestiert wurde. Aber niemand interessiert sich fuer diese Gruende.

    Ich protestiere nicht, weil ich glaube, dass das hilft. Ich protestiere, weil ich sonst einfach nichts tun kann.

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