Eine transfaire Leidenschaft

Sein eigener Chef sein — für Stephan de la Peña ist der Traum in Erfüllung gegangen. Nach seinem Magister in Politikwissenschaft hat er sich mithilfe von „Profund“ mit seinem Sozialunternehmen „Transfair“ selbstständig gemacht. Kirstin MacLeod hat mit ihm über den Schritt in die Selbstständigkeit gesprochen.

Stephan de la Peña zusammen mit seiner Praktikantin und Studentin Levke Schneekloth in ihrem Büro im Berliner Social Impact Lab. Foto: Kirstin MacLeod

Was hat Dich dazu motiviert, dein eigenes Unternehmen zu gründen?

Lange war Unternehmertum für mich nicht attraktiv. Ich hatte früher immer die falsche Vorstellung, dass es beim Unternehmertum nur darum geht, möglichst viel Geld zu verdienen. Mich hat die Frage beschätigt, wie ich in der Gesellschaft, in der ich lebe, wirken und gleichzeitig selbstbestimmt arbeiten kann. Ich bin während meines Studiums in einem Seminar zum Thema Entwicklungszusammenarbeit auf das Social Entrepreneurship-Konzept gestoßen und war begeistert. Schnell wusste ich: Das ist es! Ich habe darin eine Möglichkeit gesehen, so zu leben und zu arbeiten, wie ich es mir immer gewünscht habe. Ich kann an selbstgewählten Problemstellungen kreativ arbeiten und gesellschaftlich sinnvolle, potentiell systemverändernde Wirkung entfalten und dabei finanzielle Unabhängigkeit geniessen.

Wie kamst Du auf die Idee für Transfair?

Einige Jahre nach meiner Rückkehr aus Afrika, wo ich ein Jahr für eine NGO gearbeitet habe, hat sich ein ehemaliger Schüler von mir per E-Mail an mich gewandt. Er war mit der Schule fertig, aber fand trotz seines Abschlusses keinen Job. Daher ging er als Tagelöhner für zwei Dollar am Tag auf verschiedenen Baustelle arbeiten. Ich war gerade mit meiner Abschlussarbeit beschäftigt und habe gemerkt, dass ich sehr viel Transkriptionsarbeit vor mir hatte. Ich dachte, vielleicht könnte er mir helfen, die 30 Stunden Interviewmaterial auszuwerten und aufzuschreiben. Schnell wurde mir klar, dass sich viele Leute sowohl in meiner als auch in seiner Situation befinden, und dass allen geholfen wäre, wenn man beide Seiten zusammen bringen würde. Es schien mir so simpel und einleuchtend. Noch am gleichen Wochenende habe ich eine Webseite erstellt — womit es einen ersten Kristallisationspunkt für die Idee von „Transfair“ gab. Normalerweise analysiere ich Ideen sehr lange, bevor ich sie umsetze, aber diesmal hatte ich mich entschieden es einfach auszuprobieren.

Was war das für ein Gefühl, auf einmal selbstständig zu sein?

Zunächst dachte ich, ich könnte das als „kleines Projekt“ nebenher machen. Nachdem unser Angebot mit der ersten Webseite online war, hat erst einmal niemand auf uns reagiert. Allerdings sind durch die Webseite Freunde von mir auf die Idee aufmerksam geworden. So bekam ich eine erste Runde Feedback und fand in Will Morey einen erfahrenen Unterstützer. Das hat mich natürlich ermutigt. Ich habe meine Idee bei unterschiedlichen Anlässen vorgestellt, Experten befragt und Feedback von potentiellen Kunden und Dienstleistern aufgenommen. Dann kam Sandro Langholz, ein Student den ich auf dem Vision Summit, einer Messe für Social Entrepreneurship, traf, auf mich zu und sagte: „Hey, ich will unbedingt ein Praktikum bei euch machen“. Auch das war ein wichtiger Impuls. Zu dem Zeitpunkt war ich selbst noch mit meiner Abschlussarbeit beschäftigt. Ich war unsicher, ob ich mich Transfair voll widmen soll oder ob es sinnvoll sei, zunächst Berufserfahrung zu sammeln. Ich habe Bill Carter von Ashoka und andere Leute, die sich mit Sozialunternehmern beschäftigen, um Rat gefragt. Sie haben mir geraten, einfach anzufangen.

Wie seid ihr vorgegangen? Wie funktioniert Euer Unternehmenskonzept?

Wir haben uns entschieden, unsere Kernhypothesen mit möglichst wenig Aufwand am Markt zu testen. Dazu haben wir eine einfache WordPress-Webseite mit Informationen und ein paar Google-Formularen hochgeladen. Am Anfang machen wir das, was später automatisiert passieren soll, im Hintergrund per Hand: Wir bieten Dienstleistern passende Jobs an. Stichprobenartig überprüfen wir bei jedem Auftrag die Qualität bevor wir die Jobs an die Kunden schicken. Am Ende bitten wir den Kunden die Dienstleistung zu bewerten. Durch das direkte Feedback, das wir den Dienstleistern weitergeben, können diese sich kontinuierlich verbessern. Mittlerweile haben wir um die 60 Aufträge abgewickelt. Dank unserer Qualitätskontrollen haben wir eine hohe Kundenzufriedenheit. Die „Satisfaction-or-money-back“-Garantie wurde bisher noch gar nicht in Anspruch genommen. Neben Transkriptionen bieten wir auch Übersetzungen und Onlinerecherchen an. Weitere Dienstleistungen sollen hinzukommen.

Wie finanziert Ihr Euch?

Momentan passiert das noch hauptsächlich aus eigenen Rücklagen. Das funktioniert, weil die Kosten wirklich nicht zu hoch sind. Außerdem erhalten wir von iq-consult und SAP ein Stpendium, das uns beispielsweise einen Arbeitsplatz im „Social Impact Lab Berlin“ zur Verfügung stellt. Durch eine Vermittlungsgebühr generieren wir zudem erstes Einkommen, was bei der Deckung der Praktikumsstelle und kleineren Ausgaben hilft. Dazu kommen Wettbewerbe und Preisgelder. Zum Expandieren wird das aber nicht reichen. Daher sind wir mit potentiellen Investoren im Gespräch, die uns in dieser Startphase unterstützen.

Welche Qualifikation braucht jemand, der für Transfair als Dienstleister arbeiten möchte?

Der Großteil unserer Dienstleister sind Hochschulabsolventen, das ist aber keine formale Voraussetzung. Der akademische Grad ist für uns nicht entscheidend. Wichtiger ist, dass sie die Dienstleistung mit hoher Qualität und Zuverlässigkeit anbieten können. Wir haben zum Beispiel eine Person in unserem Pool, die noch zur Schule geht, aber die Arbeit sehr gut erledigt.

Das besondere an eurem Konzept, ist der Lohn, den die Dienstleister erhalten. Ihr versucht einen „fairen“ Lohn zu zahlen. Was ist denn ein fairer Lohn?

Ich habe „Transfair“ gegründet, um es qualifizierten Menschen im globalen Süden zu ermöglichen, Dienstleistungen anzubieten und dadurch ein faires Einkommen zu erzielen. Die Frage, was ein fairere Lohn ist, ist gar nicht leicht zu beantworten und wurde bei uns intern lange besprochen. Unabhängig von ökonomischen Überlegungen haben wir uns zunächst gefragt, wie viel wir eigentlich bezahlen wollen. Sollen wir uns dabei an lokalen Löhnen orientieren oder so viel wie möglich bezahlen? Wir haben uns für Ersteres entschieden und orientieren uns derzeit am „Fair Wage Guide“, der von der NGO Good World Solutions zur Verfügung gestellt wird. Da dieser nicht auf Akademiker zugeschnitten ist, zahlen wir mindestens das Doppelte des „Fair Wage Guide“ Minimums. Wir suchen noch nach akkurateren Indikatoren für einen „fairen Lohn“. Es muss ein Lohn sein, der es den Dienstleistern ermöglicht, ihre Familien zu versorgen und Rücklagen zu bilden. Gleichzeitig soll er nicht so hoch sein, dass er den lokalen Arbeitsmarkt zu stark verzerrt.

Was würdest du Studienabgängern raten, die überlegen, sich selbstständig zu machen?

Zum Gründen sollte man eine Passion für ein bestimmtes Problem haben, das man mit der eigenen Unternehmung lösen möchte. Es sollte etwas sein, das einen im Herzen bewegt, da dies die eigene Identifikation mit der Arbeit erhöht. Die eigene Motivation hat außerdem einen erheblichen Einfluss auf die Qualität der Arbeit. Was ich potentiellen Gründern noch mitgeben möchte, ist zu lernen, Dinge zu tun, die wichtig sind, auch wenn sie noch nicht dringend sind. Das ist entscheidend, besonders in der Selbstständigkeit.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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