Schmökerzeit Teil VII — Das Ende einer Unwahrscheinlichkeitskurve

Für Kreativität bleibt während des Semesters zwischen all den Theoretiker und ihren Schriften nur wenig Platz. In den Ferien sollten wir diese deshalb beherzt beiseite legen und endlich unsere Fantasie ankurbeln. Das Buch von Terry Pratchetts ist dazu bestens geeignet, findet Valerie Schönian.

Terry Pratchetts Roman „Die Farben der Magie“ ist Teil einer ganzen Serie – und die ist anders. An allen Enden der Welt herbei gezogen, bergen die Geschichten über die bizarre Scheibenwelt einen kolossalen Einfallsreichtum. Dabei haben sie wenig gemein mit Stephenie Meyers Vampiren oder J.K. Rowlings Zauberern. Pratchetts Erzählung ist zwar fantastisch, überzeugt aber außerdem mit Cleverness und gutem Humor.

Im Mittelpunkt von Pratchetts Geschichten steht die Scheibenwelt. Genauer gesagt, sie schwebt: durch das Weltall – auf dem Rücken von vier Elefanten, die wiederum auf der Himmelsschildkröte Groß-A’Tuin stehen, von der oder dem unbekannt ist, ob er oder sie männlich oder weiblich ist. Die zwei Hauptrichtungen auf der Welt sind mittwärts und randwärts, die Nebenrichtungen drehwärts und entgegengesetzt.

„Die Farben Magie“ ist 1983 entstanden und der erste von mehr als 30 Scheibenwelt-Romanen. In ihm wird die Geschichte von zwei Reisenden erzählt. Da ist einmal Rincewind, ein fast normaler Zauberer. Er kann die achte Farbe, das Oktarin, sehen; er hat das Recht, vom Tod höchstpersönlich ins Jenseits geleitet zu werden und er hat an der Unsichtbaren Universität studiert. Aber im Gegensatz zu seinen Artgenossen beherrscht Rincewind nur einen Zauberspruch, an den er sich zudem nicht erinnern kann.

Dann gibt es Zweiblum. Er ist ein ganz normaler „Tourist“ auf Rincewinds Welt – zumindest bezeichnet er sich selbst so. Er kommt aus dem Achatenen Reich, auf dem Gegengewichtkontinent. Dort hat er als Buchhalter acht Jahre lang Geld für diese Reise gespart. Mit seinem Abenteuer vor Augen wird er in manchen Situationen blind für die Not der Lage.

Die Wege des Zauberers und des Touristen kreuzen sich an einem ganz normalen Nachmittag in einer Kneipe in der Stadt Ankh-Morpork. Rincewind wird, bevor er sich retten kann, vom Patrizier der Stadt zu Zweiblums Beschützer erklärt. Das findet er überhaupt nicht lustig. Vor allem, da Zweiblum sich in den Kopf gesetzt hat, alles auf der Scheibenwelt zu sehen – selbst Diebe und Meuchelmörder. Seine Neugier und die Verstrickung unglücklicher Umstände führen schließlich dazu, dass Ankh-Morpork abbrennt. Daraufhin begeben sich die Beiden auf eine Reise durch die Scheibenwelt, was zumindest Rincewind nicht sonderlich erfreut.

Das Schöne an „Die Farben der Magie“ ist, dass es Pratchett nicht nur um diese zwei Personen und deren Erlebnisse geht. Immer wieder gibt der Autor Einblick in andere Geschichten, kurze Abrisse eines ganzen Lebens auf der Scheibenwelt, denn eben die will er vermitteln. Rincewind und Zweiblum erscheinen dabei nur wie zufällig ausgewählte Charaktere. Das lässt die Helden des Romans unscheinbar wirken, aber die geschaffene Welt dafür umso größer.

Vor allem wie der Autor diese Welt einfängt, ist beeindruckend. Es wirkt fast rational, alles ist mit Theorien erklärbar – nur, dass die ihren Ursprung nicht in der Wissenschaft haben, sondern in Pratchetts Fantasie. Er bettet alles in einen fesselnden schwarzen Humor und einen Schreibstil, der selbst so viel Einfallsreichtumg birgt, wie die Sprachen und Theorien, die er erfindet. Gleichzeitig nimmt er einen verqueren Bezug zur Realität: Denn wo diese Halt macht, findet Pratchett eine eigene Lösung. Und so gibt er auch eine Erklärung dafür, dass die Scheibenwelt exisitiert: „Weil jede Unwahrscheinlichkeitskurve nicht nur einen Anfang hat, sondern auch ein Ende.“

Die Farben der Magie
Auto­rin: Terry Pratchett
Ver­lag: Piper Taschenbuch

Preis: 9,99 Euro

Alle weiteren Teile der Literaturserie „Schmökerzeit“ gibt es hier.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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