Die Kalorienpriester vom Studentenwerk

Man müsste die Mensa-Ampel aufrichtig hassen – wenn sie nicht so vollkommen bescheuert wäre. Matthias Bolsinger weiht die neue Freitagsglosse ein, die ab sofort wöchentlich erscheint.

Illustration: Cora-Mae Gregorschewski

Die Mensa hat mir fünf Semester lang schon so manchen Tag gerettet. Neuerdings aber versaut sie mir den Appetit. Der Magen knurrt, das Auge scannt gierig die Bildschirme nach dem Schmaus des Tages ab. Doch kleine, farbige Punkte sorgen dafür, dass meine angeregten Verdauungssäfte hinüberkippen. Die „Gastronomie-Ampel“ hat mir bereits vor dem Essen den Magen verdorben.

Schon die „B.Z.“ drückt mir im „Berliner Fenster“ jeden Tag ihr Bild von gut, schlecht, süß, fett, sexy oder sportlich auf. Wenigstens in der Mensa hat man seine Ruhe vor den Normen der Ungesellschaft – von wegen! Lässig-liberal macht mir das Studentenwerk ein schlankes Gesundheitsangebot. Grün: Die beste Wahl! Je öfter, desto besser! Gelb: Na ja, wenn’s sein muss. Rot: Aus Satans unausgewogener Fettsäurenhölle – am besten mit grün kombinieren.

Wie gesagt: Ein Angebot, man will ja niemanden zu etwas zwingen. Dieses Angebot ist ungefähr genauso zwanglos wie alle Partys, auf denen man die Höhe des Eintritts selbst wählen kann und den disziplinierenden Blick im Nacken förmlich spürt. Das Pfefferhacksteak vom Rind mit Pommes zu wählen, scheint mir angesichts der Ampel in etwa so problemlos, wie es einem langjährigen Gemeindemitglied prinzipiell offensteht, den Klingelbeutel in der Kirche ohne Spende weiter zu reichen – nämlich überhaupt nicht. Verdammt noch mal, diese Kalorienpriester des Studentenwerks machen mir ein schlechtes Gewissen!

Fehlt bloß noch, dass die Aktion vom Bund der Krankenkassen gesponsert wird, denke ich, während ich mir mit der Zunge die zerkochte Lasagne (die Ampel meint dazu: gelb) vom Gaumen kratze. In Zukunft also nur noch „grünes“ Essen? Ohne Mengenbegrenzung? – Total ausgewogen, sich Kiloweise Erbsen auf den Teller zu schaufeln!

Darin liegt wohl die Schwäche der Ampel. Ich will sie hassen, finde sie aber lächerlich. Nicht dass nur bloß ein Bruchteil des Essens erfasst wird, die Hungrigen laden zudem Mengen auf die Teller, als stünde ein Fastenmonat bevor. Die Studis unterwandern die Biomacht, den Gesundheitswahn, der uns außerhalb der Mensen in die Fitnessstudios drängen will. Gourmets aller Fachbereiche, vereinigt euch! Wir fahren über Rot!

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Lukas L. sagt:

    Vorschlag zur Abhilfe: Grüne, gelbe und rote Portionierungsgeräte.

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