Feiern will gelernt sein — Teil II

Wer sich im Berliner Nachtleben noch nicht auskennt, kann schnell enttäuscht werden. Melanie Böff und Salomé Stühler berichten vom Feiern in Clubs, die sie sich etwas anders vorgestellt hatten.

Party

So schön ihr Licht aussieht, Diskokugeln passen nicht zu jeder Party. Foto: Anna Wisotzki

Manege frei im Selbstmord-Zirkus

Von Melanie Böff

Revaler Straße in Friedrichshain. Über eine kleine Seitentreppe der Warschauer Brücke werden wir, die feierwilligen Nachtschwärmer, auf das ehemalige Fabrikgelände geführt. Ahnungslos folge ich meinen ortskundigen Kommilitonen über das verwinkelte Areal. Um vier Uhr kommen wir endlich vor der Clubtür an, davor stehen links und rechts gewöhnlich düster dreinblickende Türsteher.

„Was habt ihr denn schon konsumiert heute Nacht“, wollen die beiden wissen. „Ein paar Bier und sonst nichts“, antworten wir wahrheitsgemäß. Nichtsdestotrotz filzen die Türsteher meine Kommilitonen bis auf die letzte Hosentasche. Alles negativ. Ob das die Türsteher nun befriedigt oder enttäuscht hat, verraten die eisernen Blicke nicht. Selbst in dem berüchtigtsten Drogenschuppen meiner Heimatstadt gehen die Türsteher längst nicht so auf Tuchfühlung mit ihren Gästen.

Wir dürfen rein. Fünf Euro muss ich für den Eintritt in den dunklen, dreckigen und kargen Raum zahlen. Willkommen in der Manege des Suicide Circus.

Die dröhnenden Bässe der Technomusik, die aus den riesigen Boxen schallen, durchfahren mich. Wie in Trance tanzt jeder für sich allein und gibt sich gänzlich dem Technosound hin. Jeder außer mir. Der sich immerzu wiederholende Beat in ein und demselben Rhythmus strengt mich an.

Gelangweilt und müde nippe ich an meinem Bier. Plötzlich wirft sich ein Typ in meiner Nähe auf den Boden. Wild wälzt er sich hin und her. Ich verstehe nicht warum. Die Musik dudelt unentwegt in einer Dauerschleife. Entgegen sonstiger Clubabende muss ich mir weder den Weg zu den Toiletten bahnen, noch gibt es eine lange Schlange vor dem Klo. Trotzdem – die Kabinen sind besetzt. Zwei Kabinen sind eindeutig zu wenig, denke ich mir. Nach geschlagenen zehn Minuten trete ich ungeduldig näher an die Klotür heran. Erst dann bemerke ich, dass dort mehrere Füße zu sehen sind.

Ich höre Flüstern. Der Bass ist zu laut, ich kann nichts verstehen. Dann doch ein unmissverständliches Geräusch: ein langgezogenes Schniefen. Eindeutig. Nur durch eine Toilettentür getrennt. Dass Club und Koks für manche einfach zusammengehören, ist nichts Neues. Direkt vor meiner Nase bin ich davon dennoch überrascht. Endlich öffnet sich die Kabinentür. Schmunzelnd lasse ich die Leute vorbei und trete selbst ein. Zurück auf der Tanzfläche hat sich musikmäßig nichts verändert. Wir beschließen, zu gehen.

Spießige Salsathek trotz Kuba-Flaggen

Von Salomé Stühler

Vereinzelt wiegen sich Pärchen eng aneinandergeschmiegt auf der Tanzfläche. In kleinen Schritten tanzen sie zu Salsa-Klassikern, deren Rhythmus direkt in die Beine geht. Trotz der geringen Anzahl an Tänzern bieten sie einen Querschnitt durch alle Niveaus: vom Lateinamerikaner, der sich so natürlich aus der Hüfte bewegt, wie man es bei deutschen Männern nur selten beobachtet, bis hin zu Salsa-Tanzschülern, die mit sichtlicher Freude das Gelernte ausprobieren – teilweise zwar etwas abseits vom Takt, doch dafür umso enthusiastischer.

Auf der Website weckt das MiSalsa am U-Banhof Richard-Wagner-Platz große Erwartungen: „Fühl dich wie in Lateinamerika“. Genau dieses Gefühl der sommerlichen Leichtigkeit suche ich im nasskalten deutschen Herbst. Zunächst macht das MiSalsa einen guten ersten Eindruck auf mich: Die Salsathek spielt nicht nur Salsa, sondern auch Bachata, Merengue und Salsatón, eine noch neue Mischung aus Salsa und Reggaeton.

An der Bar servieren spanischsprachige Barkeeper mit andinen Gesichtszügen dem gemischten Publikum günstige Getränke und die Tanzfläche ist angenehm klein. Zusammen mit dem schummrig-roten Licht entsteht so das Flair einer heimeligen Salsathek statt eines anonymen Dancefloors.

Leider bleibt die Salsathek an diesem Abend nur spärlich besucht. Die anwesenden Gäste tanzen zwar unermüdlich, doch das versprochene lateinamerikanische Feeling will nicht aufkommen. Die kubanischen, peruanischen und ecuadorianischen Flaggen als Dekor wirken ein bisschen bemüht und können das spießige Flair West-Berlins nicht vertreiben. Ich fühle mich eindeutig in Deutschland. Noch dazu erinnert der Tanzsaal mit der rotgestrichenen Raufaser, den Lichterketten und sogar einer Diskokugel eher an den heimischen Partykeller im westfälischen Elternhaus als an eine Salsateca in wärmeren Gefilden.

Der Abend bleibt leider ziemlich eintönig. Die Leere der Diskothek lässt keine Stimmung aufkommen, obwohl vor allem die musikalischen Voraussetzungen gut sind. Wer nichts gegen einen kleinen Laden hat, der eher heimelig als hip ist, dem sei es hiermit dennoch ans Herz gelegt, das MiSalsa an einem anderen Abend auszuprobieren. Am besten dann, wenn der Saal vollgestopft ist, sich alle im gleichen Rhythmus bewegen und die Schwüle der Luft den deutschen Herbst vergessen macht.


Zu Teil I der Serie „Feiern will gelernt sein“ geht’s hier.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.