Gute Noten, schlechte Noten

Der Wissenschaftsrat bemängelt, Studierende an deutschen Unis erhielten zu gute Noten. Veronika Völlinger kann sich in der Kritik völlig wiederfinden. Eine andere, eine fairere Bewertung muss her.

So langsam trudeln die Hausarbeitsnoten aus dem vergangenen Sommersemester im Campus Management ein. Und da steht es, dieses „sehr gut“. Verdient? Kein bisschen!

Als wären mehr als zwei Monate nicht mehr als genug Zeit gewesen, eine Hausarbeit zu verfassen und das sogar als Gruppe. Nein, natürlich bettelten wir um Verlängerung und natürlich wurde trotzdem alles erst kurz vor Schluss und mit wenigen Ambitionen verfasst.

Das Warten auf die Note wurde zum Warten darauf, wie hart der Dozent dieses nachlässige Arbeiten abstrafen würde. Hat er nicht getan und es ist mir völlig schleierhaft, wieso nicht – hielt ich ihn doch für eine detailverliebte Koryphäe seines Faches.

Ich wurde also zu gut bewertet. Eins Komma irgendwas für eine miserable Arbeit. Und damit bin ich das lebende Exempel für eine Einschätzung, die der deutsche Wissenschaftsrat laut der „Süddeutschen Zeitung“ im November 2012 hat verlauten lassen: Deutsche Universitäten sind auf Kuschelkurs. Abschlussarbeiten von Studierenden erhielten zu gute Noten.

„Gut“ und „sehr gut“ stünde unter 80 Prozent der Examen. Vor zwölf Jahren war der Anteil noch um zehn Prozentpunkte niedriger. Ein „zufriedenstellend“ sieht kaum noch ein Studierender. Warum ist das so? Wollen die Dozenten ihre Studierenden belohnen? Oder fehlt ihnen die Zeit, eine schlechte Note differenziert zu begründen?

Die Bielefelder Soziologie-Dozenten Barbara Kuchler und Stefan Kühl wittern in einem „Zeit“-Beitrag das Credo: „Belästige du mich nicht bei meiner exzellent geclusterten Forschung, dann bekommst du bei mir ohne großen Aufwand auch exzellente Noten!“ Bleibt also im hektischen Bachelor-Betrieb wettbewerbsorientierter Universitäten keine Zeit, eine miese Bewertung für eine miese Arbeit zu rechtfertigen?

Ich will im Studium nicht mit guten Noten durchgewunken werden, sondern möchte Höhen und Tiefen erleben und am Scheitern wachsen. Darüber hinaus bleibt die Fairness bei der Bewertung auf der Strecke!

Ich weiß, ich bin zeitweilen eine faule Studentin, die zu viel prokrastiniert. Aber wie soll ich denn mein Verhalten auch ändern, wenn ich damit wieder und wieder durchkomme? Und das nicht einmal mit gesenktem Haupt, sondern aufrechten Ganges mit dem eins Komma irgendwas Bachelor-Abschluss in der Hand.

Ich will, dass meine Dozenten die Spreu vom Weizen trennen, indem sie eine faire Bewertung geben. Meist ist mir völlig klar, dass ich Mist abliefere. Dozenten dürfen den Mist aber nicht noch mit einer Goldschicht überziehen und in den vor sich hin wabernden Einheitsbrei zwischen „gut“ und „sehr gut“ einrühren. Das ist weder mir noch meinen Kommilitonen gegenüber fair, die engagiert und konzentriert an ihre Prüfungen herangegangen sind.

Die Mitglieder des Wissenschaftsrates wollen wieder die volle Bandbreite der Notenskala ausgeschöpft sehen. Gute Noten, schlechte Noten – das ist auch das, was ich sehen will, denn es ist fairer und sorgt dafür, dass man sich mit seiner Leistung und seiner Arbeitsweise auseinandersetzt. Eine gute Arbeit verdient zu Recht eine gute Note. Doch gleichzeitig muss die schlechte Arbeit auch eine schlechte Note verdienen – und vor allem: erhalten.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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3 Responses

  1. R. Pauli sagt:

    Studierende, die durchfallen, drücken das Versagen des Dozenten aus. Studierende, die schlechte Noten haben, drücken Leistungsunterschiede aus. Wenn ich benote, ist es mein erstes Ansinnen, keinen Durchfallen zu lassen. Das kann ich nicht immer gewährleisten, aber ich sehe das als persönliche Niederlage, wenn es passiert. Noten sollten Feedback sein und im besten Fall verbessert sich ein Studierender im Laufe des Studiums. Das ist auch etwas, was man vorzeigen kann.

  2. Leuchte sagt:

    Ich teile die Auffassung ganz und gar nicht.

    Zum einen wundern mich die dauernden Studien,die irgendwer mit zweifelhaften Methoden erstellt, die nicht reproduzierbar sind und dann von irgendwelchen Zeitungen panikartig und unreflektiert veröffentlicht werden. Durch den hohen Konkurrenzdruck entsteht dort viel Mist, der hier noch einmal abgefeiert wird. In den dauernden Bildungsdiskussionen gibt es zu viele Oberlehrer. Es geht Hüh und Hott.
    Anstatt sinnvolle Lernbedinungen zu schaffen, wird über alberne Benotungen diskutiert. Laut Pisa-Studie sind wir doch alle schlecht ausgebildet. Dann sollen uns jetzt auch noch die Zensuren bestrafen? Kann nicht sein!

    Meine Erfahrung steht im glatten Gegensatz. Für schlechte Arbeiten habe ich, und andere, auch schlechte Noten erhalten. Arbeiten wurden auch zum Überarbeiten wieder zurückgegeben. Er war in manchen Kursen sogar so, dass man selbst mit enormen Anstrengungen nicht über 2,5 hinaus kam und es dort auch einen immensen Arbeitsdruck gab.
    Es gab auch Kurse, die eine Durchfallrate von über 50 Prozent hatten.

    Also was sollen solchen bescheuerten Studien denn beweisen? Ich glaube es soll noch elitärer werden.
    Der Fehler lieg zudem auch im Ansatz, nämlich dem Bachelor/Master-System und noch tiefer in den Schulen. Das ist der große Unfug. Die Basis stimmt nicht und insofern ist das ganz herumgedoktore oberhalb ob solet.

    Die Notendiskussion ist einzig auch eine Neiderdiskussion. Der sogannte “Streu von Weizen” trennt sich nachher im Berufsleben ganz automatisch.

    Wir alle wissen doch wohl, dass es auch viel Sympathie/Antipathie-Noten gab. Vielen dadurch das Leben richtig verdorben wurde.

    Leute, die sich durchs Leben mogeln wird es auch immer geben und werden auch nicht von Zensuren abgeschieden.

  3. Kater Carlo sagt:

    Prokrastination, Faulheit, Pseudo-Hausarbeiten…

    … oder wie man an der FU sagt: selbstbestimmtes Studium

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