„Meine Mutter“ beleidigt deine Mutter

Wörter jongliert Veronika Schweighoferová eigentlich mit links: Ihre Muttersprache ist Slowakisch, darüber hinaus spricht sie drei Fremdsprachen. Erst eine Japanisch- Einheit machte sie sprachlos.

Illustration: Alfonso Maestro und Christopher Hirsch

Es ist Freitagmorgen und viel zu früh, als der Professor vor die Studierenden tritt: Japanisch, Grundmodul 1. Zwar befinden wir uns mitten im Semester, doch so weit fortgeschritten können die Sprachkenntnisse wohl noch nicht sein, denke ich. Von wegen. Als der Professor den Mund öffnet, fliegen mir Ausdrücke wie „hahava“, „schtetinka“, „kaischaindes“, „kokoseres“ und „kokonosenseres“ um die Ohren.

Was für die Einen Japanisch ist, klingt für mich eher nach Karate-Szenen eines Jackie-Chan-Films in dreifacher Geschwindigkeit – auch wenn Chan Chinese ist. Das Lachen, das langsam in mir emporsteigt, unterdrücke ich abrupt, als ich mich umblicke: Die 23 angehenden Japanisch-Experten finden die Laute offensichtlich nicht so lustig wie ich. Vielmehr scheinen sie in den Lautschwaden des Professors einen Sinn erkannt zu haben, denn sie schlagen ihre Hausaufgaben auf.

Als ob es nicht schon schwer genug wäre „kaischaindes“ und „kokoseres“ über die Lippen zu bekommen, haben die Inselbewohner am anderen Ende der Welt zu allem Überfluss gleich zwei Alphabete: eines zum Schreiben und eines zum Sprechen. Und damit nicht genug! Japanisch ist eine Ehr- und Respektsprache. In ihr werden auch die im Deutschen so beliebten Deine-Mutter-Witze überflüssig, denn in Japan könnte ich deine Mutter schon beleidigen, wenn ich sie wie meine eigene Mutter bezeichnen würde. Halleluja! Sogar bei dem einfachen Satz „Der Himmel ist blau“ muss ich mich entsprechend höflich ausdrücken – je nachdem, wem ich es sage.

Meine Verwirrung steigert sich ins Unermessliche, als die Studierenden beginnen, einem CD-Player unermüdlich Ausdrücke entgegenzuschleudern, die wie „schufurez“ oder „schaschindes“ klingen. Am Ende der Stunde weiß ich immerhin, dass „schumi“ Hobby heißt und dass es die Redewendung „gibt es nicht“ im Japanischen nicht gibt. Bei mir schon – Japanisch sprechen scheint mir unmöglich zu sein.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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