Wo Kleinmädchenträume platzen

Anatomie der Veterinärmedizin: blutiges Massaker oder Spaß mit süßen Tierchen? Sarah Thomas ist Geschichtsstudentin und hat sich für eine Vorlesung in den haarigen Studiengang gewagt.

Illustration: Alfonso Maestro und Christopher Hirsch

Der Legende nach ist Tierärztin zu sein der Traum eines jeden kleinen Mädchen – schließlich ist man den ganzen Tag mit knuddeligen Kuscheltieren beschäftigt. Wenn man sich den Veterinär-Studiengang an der FU ansieht, scheint sich dieses Klischee erst einmal zu bestätigen: Lediglich fünf Prozent der Anwesenden sind männlich. Doch schon auf dem Weg in den Hörsaal zu einer Vorlesung der Tierliebhaber schnappe ich ein Gespräch zwischen zwei Freundinnen auf, das dem Kuschel-Image gar nicht ent- spricht: „Ich habe gestern versehentlich eine Schilddrüse entfernt, weil ich sie für einen Fettknubbel gehalten habe!“ Wie bitte?!

Auch im Hörsaal kann ich die Stofftiere weit und breit nicht entdecken. Stattdessen sind nüchterne Schemata und extrem vergrößerte Querschnitte an die Wand geworfen: Auf dem Stundenplan stehen die Haut, Blutgefäße und Nervenversorgung von Hunden und Katzen. Die Dozentin beginnt, mit komplizierten Fachbegriffen nur so um sich zu werfen. Die Bezeichnung „Dorsale Schwanzdrüse“ klingt wenigstens noch deutsch, doch bei Begriffen wie „Fascia trunci profunda“ und „Arteria epigastrica cranialis superficialis“ bin selbst ich als Althistorikerin mit meinem Latein am Ende. Und merken kann ich mir das Ganze erst recht nicht.

Weiter geht es mit der klinischen Relevanz der Haut. Die Bilder beginnen langsam unappetitlich zu werden: Als gezeigt wird, wie Milchdrüsen entfernt werden, bin ich froh, dass mein Frühstück schon eine Weile zurückliegt. Als die Professorin beginnt, Dinge wie „Sie sezieren alle sehr fleißig“ und „Wir haben ja den Großteil der Haut schon abgezogen“ zu sagen, bekomme unwillkürlich ich das Gefühl, mitten zwischen Metzgern und Serienkillern zu sitzen. Am Ende der Stunde steht für mich fest: Antike Schlachten sind mir lieber – da sehe ich das Blut wenigstens nicht.


Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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