Politik zwischen den Stühlen

Nicht nur für die Studierenden stehen die Wahlen vor der Tür. Auch Professoren, wissenschaftliche und sonstige Mitarbeiter bestimmen ihre Vertreter im Akademischen Senat neu. Matthias Bolsinger hat sich in Teil I unserer AS-Serie beim FU-Mittelbau umgesehen, der eine neue Vielfalt bewältigen muss.

Wie laufen die Wahlen in anderen Statusgruppen? FURIOS hat sich umgehört. Illustration: Valerie Schönian

Kurze Stille, ein leichtes Seufzen dringt durchs Telefon. „Die Belastungen für den Mittelbau sind überproportional gewachsen. Er hat traditionell keinen einfachen Status“, sagt Dagmar Boeck-Siebenhaar von der Liste „Aktion Zukunft“. Er lässt sich mit der Situation eines pubertierenden Jugendlichen vergleichen: Seine Lage ist prekär, braucht Gehör. Doch seine existenziellen Forderungen und Zukunftsängste gehen in den Rufen der jüngeren Geschwister nicht selten unter.

Für den Zusammenhalt der universitären Familie leisten die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unverzichtbare Dienste. Die Einheit von Lehre und Forschung, sie wäre ohne den Mittelbau schlicht nicht möglich. Doch wie die Studierenden verfügt er im Akademischen Senat (AS) nur über vier von 25 Sitzen.

In der vergangenen Wahlperiode sprach der FU-Mittelbau unisono. Formfehler anderer Listen waren der Grund dafür, dass die gewerkschaftliche „GEW-Mittelbauinitiative“ als einzige zur Wahl stehende Liste alle vier Sitze im AS besetzen konnte. Bei der kommenden Wahl sieht sich die Mittelbauinitiative nun gleich vier Listen gegenüber, die ihr die Alleinvertretung streitig machen wollen. Neben der ebenfalls gewerkschaftlichen Liste „Perspektive Mittelbau mit ver.di“ treten mit der „Aktion Zukunft“ sowie „Wissenschaft und Zukunft“ zwei eher „präsidiumsnahe“ Listen an. Der Fachbereich Rechtswissenschaften geht mit einer eigenen Liste an den Start.

Die Suche nach der richtigen Strategie

Die Probleme, vor die sich wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt sehen, sind meist dieselben. Wer eine akademische Laufbahn einschlägt, nimmt große Risiken in Kauf: Die Universitäten bieten den Jungwissenschaftlern überwiegend befristete Verträge und beladen sie in Zeiten finanzieller Engpässe mit immer neuen Aufgaben. Sie müssen die Lehre aufrecht erhalten, nebenbei an ihrer Promotion arbeiten und, schlecht bezahlt, nicht selten auch noch Familie und Beruf miteinander vereinbaren – für hochschulpolitisches Engagement ist das nicht gerade förderlich. Eine prekäre Lage, die Solidarität schafft.

Im Kern besteht die knifflige Aufgabe des FU-Mittelbaus in der Wahl des richtigen Tons. Und darüber ist man sich nicht einig. „Die große Anzahl an Listen macht die bisher gute Kommunikation natürlich schwieriger“, bemängelt Christof Mauersberger, der bisher für die „Mittelbauinitiative“ im AS saß und der Mittelbaupolitik für das vergangene Jahr ein durchaus positives Zeugnis ausstellt: „Wir haben, etwa mit unserem Blog, eine breite Kommunikation hergestellt, mit eigenen Veranstaltungen ein Problembewusstsein geschaffen und Präsident Alt von einigen unserer Forderungen überzeugen können.“ Nichtsdestotrotz schrien die Jüngeren mal wieder lauter: Bei der Debatte um die Rahmenstudien- und Prüfungsordnung blieb der „Mittelbauinitiative“ zwischen Studierenden und Professoren nur die Vermittlerrolle. Auch im AS ist die Lage des Mittelbaus prekär. Er sitzt zwischen den Stühlen.

Wie also sich Gehör verschaffen? Während die gewerkschaftlichen Listen von ihren Minimalforderungen nicht abweichen werden, setzen die „präsidiumsnahen“ Listen auf Pragmatismus. Die „Aktion Zukunft“ setze auf „kritisch-loyale Begleitung“, so Boeck-Siebenhaar und betreibe Politik „im Geist der Liberalen Aktion“, einer professoralen Liste. Sie stehe für „Unabhängigkeit, Freiheit und Leistung“ – Schlagworte, für die professorale Mehrheit im AS sicher ein Ohr hat,etwa die „Vereinte Mitte“, die mit der gewerkschaftlichen Liste so ihre Probleme hatte. Boeck-Siebenhaar spricht zwar von einem gemeinsamen „Kampf“ des Mittelbaus. Den präsidiumsnahen Listen fehle aber ein wahrhaftiger Gestaltungsimpetus, findet Mauersberger.

Mit einer Liste raus aus der Isolation

Es sind weniger die großen hochschulpolitischen Fragen als vielmehr die Unzufriedenheit mit vielen fachbereichsspezifischen Detailfragen, die die Rechtswissenschaftler zur Gründung einer eigenen Liste bewegt haben. Obwohl die Idee, Hans-Georg Maaßen – seit August Vorsitzender des Bundesamts für Verfassungsschutz – eine Honorarprofessur zu verleihen, aufgrund seiner Verwicklung in die Kurnaz-Affäre auf große Ablehnung stieß, wurde ein Antrag gestellt – und durch den AS abgeschmettert. „Egal wie man zu Herrn Maaßen steht: Dieser Vorgang wirft ein schlechtes Licht auf die Kommunikation im AS“, findet Justus Schweizer von der Rewiss-Liste. Auch über die Positionierung der FU zu Burschenschaften verspricht man sich von einem Sitz im AS eine verbindliche Einigung. Diese Frage betreffe den Fachbereich Rechtswissenschaften besonders, so Schweizer. Allgemein fühle man sich abseits der Silberlaube isoliert. Das soll sich nun ändern.

Der akademische Mittelbau ist bei der anstehenden Wahl die vielleicht spannendste Statusgruppe. Das Wahlergebnis gibt die Richtung für die kommenden Jahre an – sofern man sich auf eine Richtung einigen kann. Seine Positionen vertreten, ohne die Kommunikation zu ersticken; kommunizieren, ohne seine Positionen aufzuweichen. Der Mittelbau braucht Taktgefühl. Er darf nicht pubertär sein.

Teil II der Serie: Dreizehn Sitze, die über alles entscheiden
Teil III der Serie: Das pragmatische Scharnier

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Ulrike Müller sagt:

    Zur Rewiss-Liste: Kommunikation im AS und mit dem Rewi-FB hat immer stattgefunden

    Die Kritik, der Akademische Senat habe unzureichend über die Honorarprofessur Maaßen kommuniziert, hat mit der Realität wenig zu tun: Im AS wurde intensiv über dieses Thema gesprochen und gestritten. Auch zwischen dem FB-Dekanat und der Gruppe der Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen im AS fand ein intensiver Austausch statt. Als AS-Mitglied der Liste GEW-mittelbauinitiative-ver.di habe ich selbst ausführlich mit der Forschungsdekanin und auch mit dem Dekan gesprochen. Die Wege dafür waren kurz und unproblematisch, da ich WiMi am FB Rewiss war. Von fehlender Kommunikation kann also keine Rede sein, sondern von divergierenden hochschulpolitischen Einschätzungen.
    Ohne solche inhaltlichen Divergenzen, ohne Meinungspluralität funktioniert keine Demokratie. Um dies zu ermöglichen und durch den Wahlakt auszudrücken, sollten AS-Listen wohl besser inhaltlich begründet sein als institutionell, d.h. fachbereichsspezifisch.

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