Ein Theater versinkt im Chaos

Zwei FU-Studentinnen haben gemeinsam mit jungen Leuten in Finnland ein Theaterstück geschrieben – und das ohne sich zu kennen. Wie das geht und wie die Premiere in Berlin verlief, erklärt Jule Rothe.

Die Inszenierung von "15.15" wirkt teilweise sehr experimentell. Foto: Christian Brachwitz

Die Inszenierung von „15.15“ wirkt teilweise sehr experimentell. Foto: Christian Brachwitz

Eine Bushaltestelle. Drei Personen, die dort zufälligerweise aufeinandertreffen. Der verliebte Alexander, die jammernde Rentnerin Alva und der rationale Arnold. Alle warten sie auf den Bus mit der Nummer 20. Doch er kommt nicht. Was entsteht, ist Chaos. Während es Arnold im Grunde egal ist, ob der Bus kommt oder nicht, liebt Alexander die Ordnung und will pünktlich zu seinem Date, Alva nur schnellstmöglich in ihr Altersheim.

Aber warum kommt der Bus nicht? Und wie viel Uhr ist es eigentlich? Ist das Zusammentreffen wirklich reiner Zufall? Ist vielleicht doch alles vorherbestimmt? Wie viel Einfluss hat der einzelne Mensch eigentlich? Und reicht der Flügelschlag einer Möwe aus, um einen Tornado zu erzeugen?

All das sind Fragen, die das Theaterstück „15.15 – Eine Versuchsanordnung“, das jetzt im Theater an der Parkaue Deutschlandpremiere gefeiert hat, aufwirft. Beantwortet werden sie jedoch nicht. Ganz im Gegenteil, manche Darstellungen sorgen viel eher für noch mehr Verwirrung im Kopf. So bleibt es für den Zuschauer bis zuletzt unklar, ob er hier vier verschiedene Tage mit gleicher Situation oder vielleicht den gleichen Tag in vier unterschiedlichen Universen sieht. Dadurch gelingt es dem Stück, auch den Zuschauer in eine Chaos-Situation mit hineinzuziehen.

Die Autoren des Stückes kannten sich nicht

„Auch den Entstehungsprozess des Stückes beherrschte manchmal das Chaos“, erklärt Katharina Fiedler. Sie studiert an der FU Geschichte und Politikwissenschaft und ist eine der acht Autoren, die „15.15“ verfasst haben. Mit ihr arbeiteten noch eine FU-Studentin, zwei weitere Deutsche und vier Finnen an dem Stück. Zusammen bilden sie das Autorenkollektiv „Berlinki“. „Das kann manchmal echt verwirrend sein, wenn mehrere Leute gleichzeitig an einem Stück schreiben“, sagt Katharina.

Gearbeitet wurde über ein finnisches Internettool namens „Noodi“, das vor allem dafür sorgen sollte, dass die Autoren während der Arbeit anonym blieben. Ihre Decknamen durften weder ihr Geschlecht noch ihre Nationalität verraten. „Das war teilweise schon komisch. Klar hat man immer gerätselt, wer wohl hinter dem Decknamen steckt“, erzählt Katharina.

Die Autoren des Stückes: FU-Studentin Katharina Fiedler (v.l.), Tobias Klee, Ernest Thiesmeier und Ronja Lindemann, die ebenfalls an der FU studiert. Foto: Jule Rothe

Die Autoren des Stückes: FU-Studentin Katharina Fiedler (v.l.), Tobias Klee, Ernest Thiesmeier und Ronja Lindemann, die ebenfalls an der FU studiert. Foto: Jule Rothe

Die Autoren verfassten das Stück zunächst auf Englisch. Im Anschluss diskutierten und bewerteten sie die Arbeit über das Portal, sodass jeder bei jeder Szene mitreden konnte: Wie muss die Szene wirken? Wie soll das Ende aussehen?

Nur drei Monate Arbeitszeit

Viel Zeit blieb den Autoren nicht für ihr Bühnenwerk. Die gesamte Abreit dauerte nur von Januar bis März 2012. „Teilweise war das schade, manchmal hat man sich schon mehr Zeit gewünscht“, meint Katharina. Als das Stück fertig war, legten die Autoren es schließlich in die Hände professioneller Übersetzer, die das Stück ins Finnische und Deutsche übertrugen.

Weltpremiere feierte „15.15“ vergangenen November in Helsinki, im Januar war es erstmals in Deutschland zu sehen. Weitere Aufführungen in Berlin gibt es bis zum Ende der Spielzeit und im Mai während des „Young Europe Festival“. Für die jungen Autoren ist das Projekt rückblickend eine tolle Erfahrung. Katharina meint, „es ist spannend bei so einem Entstehungsprozess mitzuwirken, live zu erleben wie Theater entsteht“.

Auch der Zuschauer kann aus dem Stück einiges mitnehmen. Nicht nur erhält er einen kleinen Einblick in die Chaos-Forschung, er bekommt auch noch die ein oder andere Lebensweisheit mit auf den Weg. Der Besuch ist also ein wirklich lohnendes Erlebnis – wenngleich auch ein chaotisches.

Weitere Infos und Kartenbestellung gibt es hier.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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