Schavan – Professorin ohne Abschluss?

Der Doktortitel ist weg und vom Ministeramt ist sie nun auch zurückgetreten. Wie aber ist es um Annette Schavans Honorarprofessur für katholische Theologie an der FU bestellt? Von Natalia Gawron

Illustration: Cora-Mae Gregorschewski

Sind Schavans Doktor-Träume schon vollständig zerflossen? Illustration: Cora-Mae Gregorschewski

Im deutschen Kabinett ist ein Stuhl frei geworden und in der Wissenschaftslandschaft hat die Debatte über Plagiate neuen Aufwind erhalten. Grund ist der Rücktritt von Bildungsministerin und FU-Honorarprofessorin Annette Schavan (CDU).

Nach monatelangem Hin und Her hatte sie ihren Doktortitel von der Uni Düsseldorf verloren. Der Fakultätsrat der dortigen Philosophischen Fakultät stimmte mehrheitlich für die Aberkennung und teilte das Ergebnis am Dienstag, 5. Februar, mit. Am Samstag, 9. Februar, erklärte Schavan schließlich ihren Rücktritt.

Doch welche Konsequenzen haben die Titelaberkennung und der Rücktritt für Schavans universitäre Arbeit? Der Doktorgrad ist Schavans einziger Hochschulabschluss; sie hat ihr Studium im Jahr 1980 mit einer Direktpromotion beendet, ohne vorher einen Magister gemacht zu haben. Somit steht sie nun ohne Studienabschluss da.

An der Freien Universität hat Annette Schavan seit dem Wintersemester 2009/2010 eine Honorarprofessur für Katholische Theologie inne. Fast jedes Semester hielt seitdem sie Blockseminare an der FU. Auch in diesem Semester war sie Dozentin in einem Seminar über Religionsfreiheit.

„Wir machen doch alle Flüchtigkeitsfehler“

Trotz ihres Rücktritts will Annette Schavan nicht hinnehmen, dass ihr vorsätzliches Plagiieren unterstellt wird. Gegen die Entscheidung über die Aberkennung ihres Doktortitels hat sie Klage eingereicht. Die Causa Schavan ist also noch nicht beendet, ebenso wenig wie die wissenschaftliche Debatte über Plagiate.

Immer mehr Studierende, Lehrende und Mitarbeiter der FU haben sich in den vergangenen Tagen zu Wort gemeldet. Es geht um Schavans Honorarprofessur ebenso wie um einen generellen Umgang mit Jahrzehnte alten Promotionsarbeiten.

Thomas Zenk, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Religionswissenschaften, sagte zu FURIOS, er sei sich sicher, dass Schavan bewusst getäuscht habe und dass es richtig sei, wenn sie ihre Honorarprofessur verlieren würde. Ein Studierender der Deutschen Philologie befürwortete jedoch Annette Schavans politische Arbeit. „Wir machen doch alle Flüchtigkeitsfehler“, sagte er.

Honorarprofessuren für Politiker als „Spielwiese“

Viele Studierende waren der Meinung, dass alle Politiker „falsch“ seien und alles tun würden, um ihre Karriere voran zu treiben – auch plagiieren. Wenn das nun herauskomme, sollten sie auch nicht mehr die Möglichkeit haben im Namen der Wissenschaft zu lehren.

In einem Blogbeitrag greift Professor und AS-Mitglied Raúl Rojas Schavan und den Umgang mit Politikern in der Wissenschaft scharf an. Politiker hätten keine Zeit und Lust, lange an der Dissertation zu arbeiten, schreibt er und nennt Honorarprofessuren eine „Spielwiese“ für Politiker. Noch etwas kryptisch und verhalten kommt er zu dem Schluss, man müsse in Berlin nun „Charakter zeigen“.

FU-Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer schreibt in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ Schavans Klage gegen den Titelentzug nur „aufschiebende Wirkung“ zu. Zu Schavans Honorarprofessur wird er deutlicher: Sie solle das Amt ruhen lassen, bis die Vorwürfe gerichtlich geklärt seien.

Doktorgrad nicht zwingend für Professur?

Zum allgemeinen Umgang mit fehlerhaften Promotionsarbeiten schlug Wolfgang Löwer, der Ombudsmann der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), im „Tagesspiegel“ eine Verjährungsfrist für Dissertationen vor. „Wir müssten über einen Zeitraum nachdenken, nach dem wir uns die Arbeiten amtlich nicht mehr anschauen“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Verjährungsfristen gäbe es schließlich auch in anderen juristischen Bereichen.

Theologie-Professor Hartmut Zinser vertrat zu Schavans Zukunft an der FU die Meinung, dass man erst abwarten solle, wie ihre Klage ausginge. Außerdem erklärte er „dass es mehrere Möglichkeiten gäbe an eine Honorarprofessur zu kommen. Ein Doktorgrad sei nicht zwingend.

Es gäbe Fälle, in denen Leute aufgrund ihrer geleisteten Arbeit eine Professur ausüben durften. Das Wissen dieser Menschen, das sie sich durch ihre berufliche Erfahrung und Praxis erworben haben, solle ein Gewinn für die Lehre darstellen. Man solle aber vor dem Ausgang der Klage dazu lieber keine Prognosen aufstellen und abwarten.

Kein weiteres Schavan-Seminar an FU geplant

Eine ähnliche Strategie fährt die FU-Leitung. Das Präsidium will sich zur Causa Schavan weiterhin nicht äußern, auch die Uni-Leitung wartet die Klage ab. Im Sommersemester sei jedoch ohnehin kein weiteres Seminar geplant gewesen, sagte FU-Sprecher Goran Krstin der „Welt“.

Eine weitere deutsche Uni plagt sich mit einem Ehrentitel für Annette Schavan herum. Die Uni Lübeck hatte ihr laut „Hamburger Abendblatt“ im Januar 2012 einen Ehrendoktortitel zuerkannt. Die Übergabe der Urkunde sei aber bis heute nicht erfolgt. Der jetzige Termin scheint wenig geeignet zu sein, die Uni wird wohl ebenfallsdas Ergebnis der Klage abwarten müssen.

Eine Honorarprofessorin, die aufgrund eines wissenschaftlichen Plagiats von ihrem Amt als Bildungsministerin zurücktreten musste und nun nicht mal mehr einen Hochschulabschluss besitzt, scheint unvorstellbar. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, immerhin steht noch ein Gerichtsurteil aus. Die Debatte über den Umgang mit promovierten Politikern sowie Recht und Unrecht bei Plagiaten wird weitergehen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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