Orchester der Selbstbefreiung

In ihrem Debüt-Album „Die Zähmung der Hydra“ philosophieren die Berliner Rapper Shaban & Käptn Peng über eine Welt, dessen menschliche Urheber sich noch selbst finden müssen. Von Robert Ullrich

Shaban & Käptn Peng. Foto: Philip Wölke, Kreismusik

Alben können vieles sein: Interessant, dann gehen sie direkt ins Ohr, meist aber schnell wieder heraus; schlecht, nun ja … und beeindruckend — der Idealfall, wenn die Musik direkt ins Ohr geht, dort bleibt und mit jedem Hören immer weiter an Größe gewinnt. Musik dieser letztgenannten Sorte durchwirbelt nachts im Schlaf die Gedanken und weckt morgens auf dem Weg in den Tag ein Verlangen nach mehr. Sie hält auch nach dem 20. Hören noch neue Details bereit, die darauf warten entdeckt zu werden. Und – sie beginnt das Leben zu prägen:

„Die Zähmung der Hydra“ der beiden Berliner Brüder Shaban & Käptn Peng ist so ein beeindruckendes Werk. Es ist das ständige Spiel mit der Sprache, es sind die treffsicheren Bilder und die überraschenden gedanklichen Hakenschläge, die das Ohr in der Musik verlieren lassen:

„Jemand sagt: Ey, bitte, wie seh’n sie denn aus?

Ich werfe meine Augen weg und nehme seine raus.

Ich betrachte mich durch sie und verstehe sofort:

Von außen seh’ ich aus wie ein lebendes Wort.

Ich formulier’ mich um und beginne zu heißen,

denn Sprache ist in dieser Welt die Waffe der Weisen.“

Mundgemachte Geräusche kommentieren hier unterhaltsam die einzelnen Textpassagen, die sich mit Einwort-Einwürfen oder Perspektivwechseln ablösen. Musikalisch sind die 15 Songs des Albums sowieso mehr als abwechslungsreich: Klavier, tiefgrundige Bässe und diverse Trompeten treten gegeinander an, während der Rhythmus dynamisch in Bewegung bleibt.

Aber was bringt es schon, Noten mit Text zu beschreiben? Dann doch lieber dem Text mit Text beistehen. Denn so richtig entfaltet das Album wohl erst seine geballten Kräfte, wenn sich zu den grüblerischen Reimen die eigenen kriselnden Gedanken gesellen. Wenn so manche Worte nicht nur „gehört“, sondern durch direkte Selbsterfahrung tatsächlich auch „verstanden“ werden. Die Texte treiben dann in ihrer Verständlichkeit eine ganz eigene Entwicklung voran: Liefern Rückenwind, auf dem eigenen Weg nach vorn, begleiten heraus aus den bedrückenden Zwängen und Zweifeln des Alltags. Ja, wenn es ersteinmal soweit ist, dann wird der HipHop zum vielstimmigen Orchester- einem Orchester der Selbstbefreiung.

Befreit haben sich Shaban & Käptn Peng auch. Nämlich von den Marktmechanismen der einschlägigen Musikunternehmen. Sie leben, was sie erzählen und machen daher lieber alles selbst: Die Videos, das Label, die Studioaufnahmen und die „Vermarktung“, die darin besteht, die eigene Musik in das Internet hochzuladen und dort sich selbst zu überlassen. Die Strategie scheint aufzugehen. Vor Konzert- und Interviewanfragen könnten sich die Musiker kaum retten. Das Fazit bedarf entsprechend weniger Worte. Es bündelt sich in der Handlungsanweisung: „Go, support your local heroes!“. Selten finden Musik und Text so schön zueinander.

Shaban & Käptn Peng – Die Zähmung der Hydra, 2012

Label: Kreismusik

Preis: 8,50 € (Download) | 13,50 € (CD)

Hörprobe

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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