Die Lebensmittelretter

Es wird weggeworfen bis zum Gehtnichtmehr. Doch Schluss damit! In Berlin will eine Initiative genießbare Lebensmittel vor der Mülltonne bewahren. Marianne Bröker traf sich mit den Lebensmittelrettern.

Ist doch noch gut! Raphael und andere Lebensmittelretter bewahren leckeres Gemüse vor der Tonne. Foto: Marianne Bröker

Gegen 12 Uhr am Dienstagvormittag trifft sich eine kleine Gruppe motiviert aussehender Menschen am Hintereingang der Supermarktkette BioCompany. Raphael Fellmer, der Organisator kommt trotz Minusgraden mit dem Fahrrad. Eine Alternative dazu gibt es für ihn nicht. Seit drei Jahren ist der 29-Jährige bereits im Geldstreik, was bedeutet, das er nichts ausgibt, im Gegenzug aber auch keinen Cent annimmt. „Die Erklärung ist simpel, der Ansatz beinahe revolutionär. Mit gutem Gewissen einkaufen gehen, bei all dem Hunger und der Armut in der Welt, der Wegwerfgesellschaft und Konsumorientierung, alles das kann ich nicht mehr vertreten“, meint Raphael.

Wie man trotzdem einwandfrei leben kann, erklärt er auf seiner Homepage. Rafael hofft, dass sich immer mehr Menschen für die Müllsortierung vor der Tonne begeistern, und so einerseits der Konsum deutlich sinkt, anderseits die maßlose Verschwendung gestoppt wird. So wenig wie möglich soll weggeworfen werden. All das erklärt Rafael, während wir beginnen, die abgelaufenen Lebensmittel, die BioCompany in den Hinterhof gefahren hat, zu sortieren.

Das läuft hier beinahe jeden Tag so. Alles Obst und Gemüse, was nicht mehr „ladenfein“ ausschaut, die Backwaren vom Vortag sowie alle abgelaufenen Lebensmittel, werden, seit Rafael eine Art Abkommen mit dem Filialleiter getroffen hat, nicht mehr weggeworfen, sondern von den fleißigen „Lebensmittelrettern“ sortiert. In der Mülltonne landet so trotzdem noch einiges, denn es werden nur Lebensmittel mitgenommen, die wirklich noch gut sind. Der Ertrag ist dennoch beachtlich.

Lebensmittel teilen kommt in Mode

Nachdem alles sortiert ist, nimmt sich erst einmal jeder für den Eigenbedarf. Rafael versorgt seine WG, eine der Frauen bringt ihrer Nachbarin anschließend Obst und Gemüse vorbei. Was übrig bleibt – und das ist oft eine Menge -, wird auf die Foodsharing-Homepage gestellt, oder in den für jeden öffentlich zugänglichen Kühlschrank am Schlesischen Tor gebracht. Seit drei Jahren gibt es die Initiative nun schon, mittlerweile beteiligen sich 15 BioCompany-Filialen. Tendenz: steigend. Auch steigt die Zahl der begeisterten Teilnehmer. Immer mehr Menschen werden auf die Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam und wollen etwas dagegen unternehmen.

Täglich treffen sich die Lebensmittelretter an den verschiedenen BioCompany-Filialen. Viele von ihnen leben vegan und versorgen sich, wie Raphael, ausschließlich auf diese Weise. Einige sind auch vom „Containern“ auf „Foodsharing“ umgestiegen. Das neue System ist im Gegensatz dazu legal, außerdem sind die Lebensmittel in deutlich besserem Zustand, wenn sie nicht zuvor im wahrsten Sinne des Wortes „in die Tonne gekloppt“ wurden. Bisher fand man sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Seit die Medien auf Raphael aufmerksam wurden, expandiert seine Gruppe von Lebensmittelrettern zwar täglich, nach seiner Ansicht können es jedoch nie genug sein, und er freut sich über jeden weiteren Helfer.

„Viele verschiedene Menschen machen bei uns mit. Aber ich wünsche mir, dass auch mehr hilfsbedürftige Menschen auf uns aufmerksam werden“, sagt Raphael. Auch solle das System auf ganz Deutschland ausgeweitet werden. In Hamburg gibt es bereits einen teilnehmenden Supermarkt, es sollen in nächster Zeit viele mehr werden.

Auf foodsharing.de findet man all die fertig sortierten Lebensmittel und kann auch selbst, bevor am beispielsweise in den Urlaub auf bricht seine noch genießbaren Reste hereinstellen. Ein sensiblerer Umgang mit Lebensmitteln ist nicht nur eine Überlegung wert, sondern eine lohnenswerte, auf den zweiten Blick auch nicht allzu unbequeme Umstellung.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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