Spiralen im Kopf

In der Kir­che gibt es das Wort, bei FURIOS den „Song zum Sonn­tag“. In den Semes­ter­fe­rien stellt Robert Ull­rich jede Woche ein Musik­stück vor. Augen zu, Laut­spre­cher an – heute: Psychedelic.


Als ich das Video zu „Fix My Life“ von Melt Yourself Down zum ersten Mal sah, dachte ich: Wahnsinn!

Ein Dreieck blitzt auf, es wirbelt, es dreht sich. Auf die ersten Takte stolpert der Beat ins Video, als ob jemand ein scheues Wesen von hinten ungestüm nach vorn tritt. Nach kurzer Besinnung fängt sich das Ensemble und die Bläser geben Vollgas. Mittlerweile hat sich das Dreieck von Beginn schon längst in zerfließende Schlangen und Spiralen verwandelt. Das ist der Moment, in dem klar wird, warum es ein Musikgenre namens „Psychedelic“ gibt.

Wer dem Lied etwas nachsinnt, dem fällt auf, wie viel das Stück über unsere Zeit sagt. Alles ist superindividuell. Die sechs Bandmitglieder aus England spielen parallel in mindestens einer weiteren Band. Für das Video wurde ein ortsnaher Londoner Künstler ins Boot geholt, der sich freiberuflich von Projekt zu Projekt hangelt. Das Label gehört, wie sollte es anders sein, zur Independent-Szene. Verkauft wird die Platte bei Bandcamp – eine Art Selbstverlag für die Musikszene.

Alles ist unabhängig, alle sind selbstständig. So funktioniert das heute. Die Dominanz der Musiklabel-Bosse ist gebrochen, das Internet die Bühne für alle, der Computer die kostengünstige Technik zur Produktion. Ist unsere Generation damit endlich im Paradies der ungebrochenen Kreativität angekommen? So einfach lässt es sich leider nicht sagen. Grenzenlose Möglichkeiten bieten ebenso grenzenlose Auswahl. Nur wie wählen? Was wählen? Wer sortiert? Wer wertet?

Alles bleibt dem Hörer überlassen! Willkommen im Individualismus des 21. Jahrhunderts. Keine Grenzen, keine Regeln – das meint auch keine Wege, keine Orientierung. Das Video von „Fix My Life“ blitzt, das Leben tut es auch. Eine Möglichkeit hier, eine andere da. Das Tempo ist unaufhörlich auf Beschleunigung gestellt: rasender Stillstand. Verwirrende Wege. Wo geht es lang?

Gut, wenn wenigstens beim Betrachten des Videos die Zweifel für vier Minuten ins Wunderland geschickt werden. Spiralen im Kopf geben keine Antworten, aber lassen die Fragen vergessen. Damit ist wohl auch die Botschaft des Songs umrissen: Besser nicht so viel nachdenken. „Fix my life“ – und dann ab in den Rausch!

Melt Yourself Down – Fix My Life from Morgan on Vimeo.

Song: Fix My Life
Interpret: Melt Yourself Down
Album: Fix My Life & We Are Enough, 2013
Label: Leaf Label
Preis: 6.99 ₤ (Vinyl), Song Download bei Bandcamp gegen Spende

Frontpage-Illustration: Luise Schricker

Hier geht’s zu wei­te­ren Tei­len der Serie „Song zum Sonntag“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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