Kaltstart mit Kinderkrankheiten

Schluss mit der Desorientierung! Zum Start des Wintersemesters wurde an der FU Berlin ein fachübergreifendes Mentoringprogramm eingeführt. Robert Ullrich und Lilli Williams ziehen ein Zwischenfazit.

In das Mentoringprogramm investierte die FU Berlin einen Teil der über elf Millionen Euro Fördermittel vom Bund. Foto: FU Berlin

Die alljährlichen Orientierungstage machen Neulinge mit den Universitätsstrukturen vertraut. Und doch bleiben viele orientierungslos. Das neue Mentoringprogramm an der FU soll seit vergangenem Wintersemester in mehr einführen als nur Campusmanagement und Studienorganisation. Studentische Mentorinnen und Mentoren begleiten als persönliche Ansprechpartner die Universitätsneulinge über das ganze erste Semester hinweg, um Ihnen Orientierung im Universitätsalltag zu geben.

Positive Bilanz: Die Macher

Christiane Dorenburg, Verantwortliche für das Qualifizierungsprogramm der Mentoren, ist froh über die erfolgreiche Ausbildung von 280 Studierenden. Insbesondere, weil erst im August die Zusage für elf Millionen Euro Drittmittel zur Verbesserung der Studienbedingungen und der Qualität der Lehre vom Bildungsministerium gab. Vieles musste dann sehr schnell gehen: Stellen besetzen, Konzepte entwickeln, die Mentoren ausbilden – alles in wenigen Wochen.

In Zusammenarbeit mit den Organisatorinnen hat der Career Service ein 44-stündiges Ausbildungsprogramm für die Mentoren konzipiert. Das fachübergreifende Training soll die angehenden Mentorinnen auf ihre Aufgaben vorbereiten. Zu den Modulen gehören unter anderem: Didaktik, Team- und Gruppenarbeit, Gesprächsführung und Techniken wissenschaftlichen Arbeitens.

Mirjam Bartscherer, Koordinatorin des Gesamtmentoringprogrammes und Mentoringbeauftragte des Fachbereichs Psychologie, ist von der Idee des Mentorings in der Studieneingangsphase überzeugt: „Erstmalig erlaubt die jetzige Finanzierung, ein solches Programm mit qualifizierten Mentorinnen fachübergreifend und flächendeckend anzubieten.“ Vorbei die Zeiten, in denen die geordnete Einführung von Studienanfängern in der alleinigen, dezentralen Verantwortung des jeweiligen Fachbereiches lag. Nun gibt es Professionalität für alle, ohne das der fachspezifische Fokus dabei verloren ginge.

Spontaneität und Vielfalt: Die Mentoren

Zwischen der ersten Email, die über das Mentoringprogramm informierte und dem Beginn der Registrierung zu den Ausbildungskursen lagen bei den Biologen genau 24 Stunden. Einige Mentorinnen hatten daher zu Beginn ihrer Mentoringtätigkeit ihre Qualifizierung noch nicht abgeschlossen. Der schnell näher rückende Semesterstart rief zur Eile und verpflichtete nicht nur die Biologiementoren zum „Learning by Doing“.

Umso mehr, weil bezüglich der Inhalte Unsicherheit herrschte. Die Vorgaben waren eher allgemein gehalten, das qualifizierende Training der ersten Durchgänge war nicht an den spezifischen Anforderungen der einzelnen Fachbereiche orientiert. Die Inhalte der Mentorien mussten erst in der Praxis erprobt werden. Diese Praxis sah dann oft anders aus als im Training vermittelt.

Während in den Mentoringsitzungen der Biologie unter anderem das Lesen wissenschaftlicher Fachartikel geübt wurde, widmete sich Thomas aus der Allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft der „emotionalen Arbeit“. Wichtig war für Thomas vielmehr die emotionale Stärkung der Erstsemester, damit sie z.B. nicht dem vielbeschworenen „Uni-Bluff“ erliegen, mutig genug sind, Verständnisfragen zu stellen und ihre eigenen Interessen nicht aus dem Blick verlieren – selbst wenn institutionelle Vorgaben etwas anderes nahezulegen scheinen.

Geteilte Meinungen: Die Mentees

Die erste Evaluation des Programmes wird im Moment durchgeführt. Offiziell ist also noch nicht klar, wie das Mentoring bei denen ankam, für die es gedacht ist. Längst nicht alle haben das Angebot wahrgenommen, wie die Befragung von Biologiestudierenden zeigt.

„Ich habe einen älteren Bruder hier, der hat mir alles erklärt“, begründet Philipp, warum er nicht am Programm teilgenommen hat. „Sinnvoll ist das doch nur, wenn man keine Ahnung hat und niemanden hier kennt“, findet Ismael.

Einige fühlen sich aber durch das Mentoring durchaus bereichert. Duch gesteht, dass er zunächst dachte, das Mentoringseminar sei nicht wichtig um sein Studium erfolgreich zu bestehen. Nun aber sei er froh dabei zu sein, denn der Erfahrungsaustausch gebe ihm ein vertrautes Gefühl. Johanna betont die vielen hilfreichen Hinweise der Mentorinnen: „Wo welche Lesezirkel existieren oder Vortragsreihen stattfinden – dass es sowas überhaupt gibt, darauf kommt man nicht selbst.“

Potenzial für zwei weitere Jahre

Beim Kaltstart des Programms lag vieles noch im Unklaren. Was unter einem „erfolgreichen Studienstart“ verstanden wird und was es dazu braucht, liegt letztlich im Interpretationsspielraum der einzelnen Fachbereiche und der Mentoren.

Auch ob das Studium als eine mehrjährige Pflichtveranstaltung oder vor allem als Horizonterweiterung gesehen wird, ob es um die Vermittlung von Handwerkszeug, Entwicklung des akademischen Selbstvertrauens oder um Reflektion der Studienmotivation gehen soll, wird den Mentorinnen vom Programm nicht unmittelbar vorgegeben. Das macht die Stärke des Programms aus. Doch braucht es dieses millionenschwere Programm zur Verbesserung der Lehre?

Zwar wurde erst mit der Institutionalisierung des Mentoringprogramms eine Begleitung von Erstsemestern fast aller Fachbereiche möglich. Genutzt wird das Programm bisher aber nur von Wenigen. Auf dem Papier haben sich 1874 Erstsemester an allen Fachbereichen für das Mentoringprogramm registriert. In den durchgeführten Sitzungen saßen letztendlich aber nur ein Teil der Erwarteten. Für den Fachbereich Biologie hieß das beispielsweise dass statt zehn nur drei bis vier der Erstsemester erschienen. Ursachen dafür könnten der relativ späte Start des Programmes im vergangenen Wintersemester, als auch die mangelnde Öffentlichkeitsarbeit sein. Solange die Erstsemester den Eindruck haben, das Mentoringprogramm sei nur etwas für die Unselbstständigen und sozial schwach Integrierten, werden die Anmeldezahlen auch in Zukunft nicht steigen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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