„Der Protest ist noch nicht vorbei“

Die RSPO ist offiziell verabschiedet — doch der Bildungsprotest will sie anfechten. Im Interview mit Valerie Schönian und Max Krause erklären vier Vertreter: Es geht um mehr als die neue Ordnung.

Lucas Feicht (v.l.), Florentine Seuffert, Anna Vodegel und Lasse Thiele sind im Bildungsprotest aktiv. Foto: Valerie Schönian

Anna Vodegel, Lucas Feicht, Lasse Thiele und Florentine Seuffert haben im vergangenen Jahr regelmäßig gegen die Verabschiedung der Rahmenstudien- und Prüfungsordnung (RSPO) demonstriert. Für sie ist die Debatte jedoch nur der Funke eines viel größeren Feuers gewesen: des Demokratiedefizits an der FU.

FURIOS: Die RSPO ist beschlossen. Seht ihr den Kampf jetzt als verloren an?

Anna Vodegel: Der Protest ist noch lange nicht vorbei. Wir werden die RSPO anfechten. Außerdem geht der Protest in den Fachbereichen weiter, um wirklich drei Prüfungswiederholungen einzufordern. Auf der anderen Seite wollen wir die undemokratische Zusammensetzung der Gremien ändern. In allen sind die Studierenden unterbesetzt, obwohl wir die Mehrheit an der Uni sind.

FURIOS:Wie wollt ihr das erreichen?

Lucas Feicht: Zur RSPO sind derzeit Klagen in Prüfung wegen der Verfahrensfehler, die wir sehen. Die Demokratiefrage wird ein längerer Prozess sein.

Lasse Thiele: Wir wollen den Prozess zur Grundordnung, der momentan hinter verschlossenen Türen läuft, offen legen – um die Demokratiefrage mal von Anfang an zu stellen. Das Berliner Hochschulgesetz sieht vor, dass jede Uni diese Art Verfassung hat. Die FU hat nur eine so genannte Teilgrundordnung. Sie gibt der Uni-Leitung die Möglichkeit, sich Kompetenzen anzueignen und die Gremien zu entmachten. Das Präsidium ist die Exekutive der Uni und steht seinem eigenen legislativem Kontrollorgan, dem AS, vor. Das ist nach jeglichen Regeln der Gewaltenteilung eine ganze fatale Mischung.

FURIOS: Wenn ihr auf das vergangene Jahr blickt – was ist falsch gelaufen?

Feicht: Wir haben schon im Mai letztes Jahr die Einsetzung des Runden Tisches gefordert. Das wurde abgelehnt. Wir haben Anfang dieses Jahres gefordert, das RSPO-Verfahren auszusetzen und über die demokratischen Strukturen an der Uni zu reden. Auch das wurde ignoriert. Und auch dazwischen war keine Gesprächsbereitschaft auszumachen.

Florentine Seuffert: Schon die Art, wie die RSPO entstanden ist, war völlig undemokratisch. Der Entwurf wurde nicht einmal im AS erarbeitet, sondern vom Präsidium hinter verschlossenen Türen. Dementsprechend wurden die Studierenden schon bei der inhaltlichen Ausarbeitung ignoriert. Und auch danach sollte einfach durchgestimmt werden, über die Studierenden hinweg.

Feicht: Das Präsidium sagt, dass im AS und in Sitzungen der Kommission für Lehrangelegenheiten (KfL) die RSPO diskutiert wurde. Formal stimmt das – die Frage ist, wie offen die Diskussionen und die streitenden Parteien sind. Wenn man sich den Verlauf der Argumentation anguckt, sieht man, dass das nur Scheindebatten waren, um den Protest zu besänftigen. Das Präsidium sucht sich die Argumente so aus, wie es gerade passt. Zum Beispiel bei den Prüfungswiederholungen: Zuerst hieß es, das betreffe kaum jemanden. Wir sagten: doch. Plötzlich hieß es, man bräuchte die Beschränkungen, damit die Belastung für die Lehrenden nicht so hoch ist.

FURIOS: Neben diesen Diskussionen im AS und der KfL war Alt im vergangenen Jahr zwei Mal bei einer Vollversammlung. Die Zwangsberatungen aus dem ersten Entwurf wurden schnell aufgehoben und die Prüfungswiederholungen wurden von zwei auf „zwei bis drei“ angehoben. Was sagt ihr zu dem Vorwurf, dass ihr auf euren Maximalforderungen beharren würdet?

Feicht: Bei den Hauptforderungen geht es nicht um Änderungen, sondern darum, den Status quo zu bewahren: bei der Anwesenheitspflicht und den Prüfungswiederholungen. Das hat in der Vergangenheit nicht zum Untergang der FU geführt oder dazu, dass die Studierenden ihr Studium nicht mehr ernst nehmen.

Seuffert: Außerdem wurde in der Sitzung im Dezember die Diskussion abgebrochen. Anstatt sie in der folgenden Sitzung fortzusetzen, hat Alt das Gebäude mit einer Hundertschaft der Polizei umstellt. Wäre er wirklich gesprächsbereit gewesen, wäre das nicht passiert.

FURIOS: Ist eine offene Diskussion mit allen Studierenden ohne zeitliche Begrenzung realistisch? Der AS muss sich schließlich noch mit anderen Sachen beschäftigen.

Thiele: Der AS ist eigentlich nicht die richtige Bühne. Aber es war die einzige Möglichkeit mit den Menschen, die über die RSPO entscheiden, zu reden. Wir hatten stattdessen den Runden Tisch oder die KfL vorgeschlagen. Deren Empfehlungen wurden teilweise einfach komplett ignoriert. Gemeinsam an einem Entwurf zu arbeiten, dauert natürlich länger. Aber die RSPO soll ja auch Bestand haben.

FURIOS: Laut Alt hättet ihr mehr erreichen können, wenn ihr nicht auf euren Maximalforderungen beharrt hättet.

Feicht: Das aus seiner Machtposition heraus zu behaupten, ist zynisch. Wenn er als Präsident und Vorsitzender des AS Kompromissmöglichkeiten gesehen hat – wieso hat er das nicht gesagt?

FURIOS: Zwischendurch standen tatsächlich drei Wiederholungen im Entwurf, was auf Wirken der Fachbereiche wieder rückgängig gemacht wurde. Alt hat also versucht auf die Studierenden zuzugehen.

Feicht: Das zeigt dann ja, dass es keine Frage unserer Kompromissbereitschaft war. Man wollte uns einfach keine weiteren Zugeständnisse machen. Außerdem haben wir einmal zehn Wiederholungen vorgeschlagen – und das wurde komplett ignoriert.

FURIOS: Wenn der AS euch Zeit zum Diskutieren einräumt, sagt ihr, er spiele auf Zeit. Hebt Alt die Prüfungswiederholungen an, redet ihr von nicht ernst gemeinten Beschwichtigungen. Interpretiert ihr nicht jeden Versuch des Präsidiums, der als Zugeständnis verstanden werden könnte, als strategisches Kalkül?

Thiele: Ich verstehe die Frage, aber leider müssen wir annehmen, dass das Präsidium wirklich strategisch vorgeht. Sie hätten jederzeit auf uns zugehen können. Das haben vereinzelte AS-Mitglieder auch getan, aber nie jemand aus Präsidiumskreisen. Zwischen den einzelnen Sitzungen, die teilweise blockiert wurden, gab es überhaupt kein Gespräch.

FURIOS: Wie hätte ein Kompromiss aussehen können?

Thiele: Das kann man nicht sagen. Ein Kompromiss würde ja nicht hundertprozentig unserer Vorstellung entsprechen, da wir nicht die einzige Statusgruppe sind. Aber momentan werden alle „Sachzwänge“ aller Statusgruppen nach unten durchgereicht und auf die Studierenden abgewälzt. Beispiel: Die Prüfungsbüros sind überlastet. Das stimmt. Aber statt daraufhin die Studienbedingungen zu verschlechtern, sollte mehr Personal eingestellt werden.

FURIOS: Muss das Präsidium jetzt zurücktreten?

Seuffert: Das hat das Studierendenparlament (Stupa) einstimmig beschlossen.

Feicht: Den Misstrauensantrag gab es bereits nach dem Polizeieinsatz am 23. Januar. Am 13. Februar wurden Studierende dann in Teltow verprügelt und der AS hat sich geweigert das zu kommentieren – oder gar die Sitzung zu unterbrechen. Damit haben sich die Gründe für die Rücktrittsforderung noch einmal bekräftigt.

FURIOS: Nach der Vollversammlung am 6. Juni 2012 haben die Studierenden versucht, gewaltsam in die Präsidiumsvilla zu gelangen, als ihnen der Eintritt verwehrt wurde. Wie weit darf der Protest gehen?

Vodegel: Von wem wird Gewalt denn definiert? Gewalt kann einer Situation auch inne sein, wenn sie nicht offen ersichtlich ist, zum Beispiel durch die Unterdrückung der Interessen einer Mehrheit durch eine Minderheit, wie im Fall der RSPO. Ziviler Ungehorsam ist hier eine Form, sich für seine Interessen dennoch einzusetzen. Auf der anderen Seite haben wir Gewalt gegen Personen immer kategorisch ausgeschlossen.

Thiele: Studierende haben nur versucht Hindernisse zu überwinden – zu Sitzungen, die eigentlich öffentlich waren. Sie von dort fernzuhalten durch verschlossene Türen, ist auch eine Form der Gewalt …

Seuffert: … und der Wachschutz vor den verschlossenen Türen sowieso.

FURIOS: Wie erklärt ihr euch die sinkende Unterstützung in der Studierendenschaft?

Vodegel: Nicht alle können sich zeitlich ständig an dem Protest beteiligen. Auch ich hätte noch andere Dinge zu tun, aber ich halte es für wichtig.

Thiele: Im Februar kamen immer noch mehr als 150 Menschen zur AS-Sitzung, obwohl es allen mit dem Thema reicht. Das zeigt, wie wichtig die RSPO-Debatte ist. Es kann sein, dass der Großteil der Studierenden die Änderungen kaum spürt. Aber das ist eine Frage der Solidarität in der Uni.

FURIOS: Beansprucht der RSPO-Protest für 30.000 Studierende zu stehen?

Seuffert: Natürlich haben so viele Studierende nicht die gleiche Meinung. Das Präsidium kann nicht alle vertreten und wir auch nicht. Auch wir vier sind im Bildungsprotest aktiv, aber können nicht für das gesamte Plenum sprechen. Aber zumindest sind wir offen für alle und jeder ist herzlich eingeladen zu den öffentlichen Plena zu kommen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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