„Ohne Polizei war es nicht möglich“

Es gab viele Proteste gegen die RSPO – jetzt kommt sie trotzdem. Wie FU-Präsident Peter-André Alt zu den Geschehnissen des vergangenen Jahres steht, erklärt er im Interview mit Florian Schmidt und Max Krause.

FU-Präsident Peter-André Alt spricht über sein Vorgehen während der RSPO-Debatte. Foto: Cora-Mae Gregorschewski (Archiv)

Geheime Sitzungen, ein undemokratisches Prozedere, ein provokativer Polizeieinsatz – FU-Präsident Peter-André Alt hat während der Debatte um die jüngst verabschiedete Rahmenstudien- und Prüfungsordnung viel Kritik einstecken müssen. Trotzdem wisse er nicht, was er hätte anders machen können; im Gegenteil: Im Interview mit FURIOS erklärt er, dass ihm der Polizeieinsatz im Januar nicht leidtut.

FURIOS: Herr Alt, wie häufig sind Sie während Ihres Studiums durch eine Prüfung gefallen?

Peter-André Alt: Beim Führerschein in den USA habe ich einmal den praktischen Teil nicht bestanden, danach aber bin ich nie wieder durch eine Prüfung gefallen. Während des Studiums habe ich alles auf Anhieb bestanden.

FURIOS: Wären Sie, hätte während Ihres Studiums eine Prüfungsordnung wie die RSPO verabschiedet werden sollen, trotzdem unter den protestierenden Studenten gewesen?

Alt: Ich hätte mich sicherlich informiert und ich wäre auch bestimmt zu den Vollversammlungen gegangen, um mitzudiskutieren. Als Aktivist hätte ich mich wahrscheinlich aber nicht engagiert. So habe ich es auch bei den Streiks während meines Studiums gemacht, bei denen ich dabei war.

FURIOS: Sie kennen die Protestkultur an der FU also aus Ihrer eigenen Studentenvergangenheit. Haben Sie deshalb auch Verständnis für die Proteste gegen die RSPO im vergangenen Jahr?

Alt: Ich habe Verständnis für die Sorgen. Für Sorgen, dass jemand auf der Strecke bleibt und sein Studium nicht schafft. Deswegen haben wir in der neuen Rahmenstudien- und Prüfungsordnung auch eine ganze Reihe von Fallschirmen eingebaut, um sicherzustellen, dass es nicht zu Härtefällen für einzelne Studierende kommt.

FURIOS: Warum ist die Diskussion trotzdem so stark eskaliert?

Alt: Dass die Debatte so hochgekocht ist, lag maßgeblich daran, dass wir an der Freien Universität eine extrem ungewöhnliche Ausgangssituation für die Erarbeitung einer Rahmenstudien- und-prüfungsordnung hatten. Nämlich die, dass bei uns, im Gegensatz zu den anderen Berliner Unis, die Anzahl von Prüfungswiederholungen nicht beschränkt wurde. Dass in einer solchen Situation gewisse Sorgen entstehen, war uns klar. Was ich jedoch nicht nachvollziehen kann, ist, dass schon in der Erarbeitungsphase der Ordnung so getan wurde, als gäbe es eine Arbeit im Geheimen. Das gab es natürlich nicht.

FURIOS: Vor einem Jahr wirkte die Ausarbeitung tatsächlich wie Geheimniskrämerei.

Alt: Einen ersten Vorschlag für den Akademischen Senat kann man nicht mit allen Universitätsangehörigen erarbeiten. Es ist ein ganz normaler Vorgang, Satzungsentwürfe erst von den Fachabteilungen erarbeiten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage zu diskutieren.

FURIOS: Hätten Sie im April 2012 gedacht, dass die RSPO erst knapp ein Jahr später verabschiedet wird?

Alt: Ich kenne meine Universität. Ich bin schon davon ausgegangen, dass wir den einen oder anderen Konflikt haben werden. An der Freien Universität ist immer wieder festzustellen, dass die Kurven der Erregung besonders hochschlagen.

FURIOS: Woran liegt das?

Alt: Im Fall der Rahmenstudien- und-prüfungsordnung lag es daran, dass bei uns prinzipiell unendlich viele studienbegleitende Prüfungswiederholungen möglich waren. Deshalb ist klar, dass sich Studierende darüber stärker aufregen, als etwa Studierende der Humboldt Universität, die viel eher darauf vertrauen, dass drei Wiederholungsanläufe für sie ausreichen.

FURIOS: Warum fixiert die RSPO die Zahl der Prüfungswiederholungen überhaupt auf maximal drei, obwohl das Berliner Hochschulgesetz lediglich die Vorgabe macht, dass es „mindestens zwei“ Wiederholungsanläufe geben muss?

Alt: Das ist eine sehr gute Frage, denn die Formulierung im Gesetz ist missverständlich. In der Erläuterung des Textes fordert das Hochschulgesetz tatsächlich eine Beschränkung. Leider ist diese Information während der Debatte um die Rahmenstudien- und-prüfungsordnung verhallt.

FURIOS: Warum haben Sie den Entwurf der RSPO nicht von Anfang öffentlich diskutiert?

Alt: Es ist die Aufgabe der Hochschulleitung, zunächst einen Entwurf erarbeiten zu lassen – auch wenn am Ende einige Punkte geändert werden. Es war Unsinn, dass es in der Gruppe der Aktivisten immer hieß, „das Präsidium knickt ein, der Druck war so groß“. Letztlich hat das Präsidium die Funktion eines Diskussionsmoderators zu erfüllen, und es ist wenig hilfreich, die Hochschulleitung schlecht zu machen.

FURIOS: Für diese Diskussion haben die Studenten immer wieder einen Runden Tisch gefordert. Wieso haben Sie sich stets dagegen gewehrt?

Alt: Runde Tische gab es in der Vergangenheit. Sie haben die Eigenart, dass sie Meinungsbilder gut erstellen können. Entscheidungen lassen sich an ihnen jedoch nicht fällen. Bei der Rahmenstudien- und-prüfungsordnung musste ein Kompromiss gefunden werden. Dazu gehört auch, dass beide Seiten die guten Argumente des Gegenübers anerkennen und auch bescheinigen, dass sich die andere Seite ihrer Position angenähert hat.

FURIOS: Hat Ihnen das von Seiten der Studenten gefehlt?

Alt: Von der Seite der Aktivisten, ja. Ich hätte mir von ihnen gewünscht zu hören, dass wir etwa zur Anwesenheitspflicht oder zur Beratung, die vor Jahren gerade zur Unterstützung für Studierende eingeführt wurde und nun immer als Zwangsberatung tituliert wird, sehr liberale Regelungen festgelegt haben. Ich hatte vielmehr den Eindruck, dass die Änderungen immer mehr Begehrlichkeiten unter den am Protest Beteiligten hervorbrachten. Im Übrigen glaube ich, dass für alle Studentinnen und Studenten mehr herausgekommen wäre, wenn die Forderungen fokussiert gewesen wären, anstatt nur auf Maximalforderungen zu bestehen. Das hat den Kompromissbildungsprozess sehr erschwert.

FURIOS: Kommen wir zu einem der Höhepunkte der Eskalation: der Polizeieinsatz im Januar. Wie und weshalb haben Sie den Entschluss gefasst, die Polizei zu rufen?

Alt: Die Entscheidung des Präsidiums wurde mit Mitgliedern des Akademischen Senats besprochen und getroffen. Es war keine Entscheidung, die wir gern gefällt haben. Sie war aber notwendig, um dem AS die Möglichkeit zu geben zu tagen. Schließlich ist es auch die Pflicht des Präsidiums dafür zu sorgen, dass die Arbeitsfähigkeit des Gremiums sichergestellt wird.

FURIOS: Hätte dafür nicht der Wachschutz des Henry-Ford-Baus gereicht?

Alt: Wenn man die Entscheidung fällt, die Öffentlichkeit auszuschließen, dann muss man das auch entsprechend umsetzen. Es war eine sehr unschöne Situation, in die wir dort geraten sind, doch zu dem Zeitpunkt war es ohne die Polizei leider nicht möglich, die erst eingegriffen hat, als es zu Sachbeschädigungen kam.

FURIOS: Tut Ihnen diese Entscheidung im Nachhinein leid?

Alt: Nein. Es gibt aus meiner Sicht in einer solchen Situation nur zwei Möglichkeiten: Die eine ist, die Blockaden unendlich weiterlaufen zu lassen, wodurch die Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten weiter sinkt. Die andere ist, den Entscheidungsprozess voranzutreiben und die Sitzung eines demokratisch gewählten Gremiums zu ermöglichen.

FURIOS: In der darauffolgenden Sitzung ist der AS nach Teltow geflohen. Haben Sie Angst vor Ihren Studenten?

Alt: Nein, und wir sind auch nicht geflohen. Die Sitzung an einem anderen Ort abzuhalten, war eine legitime Form, den Protesten zu begegnen und den Mitgliedern des Akademischen Senats zu ermöglichen, ihre demokratischen Rechte auszuüben.

FURIOS: Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem vergangenen Jahr? Was würden Sie bei der nächsten Grundsatzdiskussion an der FU anders machen?

Alt: Bei bestimmten Themen gibt es Grenzen der Vermittelbarkeit. Es wäre falsch und auch unseriös zu behaupten, dass man immer in allen Fragen einen Kompromiss erzielen kann. Deshalb wüsste ich nicht, an welcher Stelle wir es hätten anders machen können. Ich denke trotzdem, dass wir im Laufe der nächsten Monate Gelegenheit bekommen, die Studierenden wieder in Prozesse einzubinden; etwa bei der Satzung für allgemeine Prüfungs- und Studienangelegenheiten, die auch das Teilzeitstudium regelt.

FURIOS: Wollen Sie so auch der studentischen Forderung nach mehr Demokratie an der Uni begegnen?

Alt: Ich denke, wir haben an der Freien Universität sehr vernünftige demokratische Strukturen, die sogar mehr studentischen Einfluss zulassen als an anderen Universitäten.

FURIOS: Zum Abschluss ein kurzer Ausblick: Das studentische AS-Mitglied Mathias Bartelt hat angekündigt, gegen die RSPO zu klagen. Was sagen Sie dazu?

Alt: Jedem ist es freigestellt, sein Recht zu suchen, wenn er es für sein Recht hält.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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