Die Semesterauftaktparty der FSIn wagt stets aufs Neue den Spagat zwischen billigem Wodka und moralischer Belehrung. Doch man kann es auch übertreiben, meint Margarethe Gallersdörfer.
Nun will ich mal nicht so tun, als sei es besonders schlimm gewesen. Im Gegenteil: Die Semesterauftaktsause am Samstag war eine Spitzenparty. Wirklich. Nicht zu voll, freundliche Leute am Eingang, gute Musik, hübscher Eintrittsnagellack. Und die Menschen am Tresen, die waren auch sehr entgegenkommend, besonders bezüglich der Wodkaration in der Wodka-Mate für zwei Euro. Fand auch der Freund, den ich mitgebracht hatte.
Sorry noch mal, dass er dann auf dem Boden eingeschlafen ist. Dreimal sind Leute vorbeigekommen, um zu fragen, ob er was braucht. Als ich ihm später davon erzählt habe, hat er das sehr zu schätzen gewusst. Und ich eigentlich auch. Hätten wir Hilfe gebraucht, wir hätten sie bekommen. Es war beruhigend, das zu wissen.
Das ganze „New Yorck“, die Wohnung im Künstlerhaus Bethanien an der Kottbusser Straße, in der die Party stattfand, war also voller netter, friedlich gesinnter Menschen; nichts konnte die Stimmung trüben – außer eines: der Flyer. Könnt ihr das nicht einfach mal lassen?
Ich komme von draußen, die Stimmen zweier Wildfremder noch im Ohr, die es auf dem Weg vom Kotti zum Bethanien angemessen fanden, meine Physiognomie zu kommentieren – und stelle bei euch fest, dass mir kein „Geile Titten“ die Laune so verderben kann wie ein Flyer, der mich anblafft: „Auch du hast diskriminierende Verhaltensweisen verinnerlicht.“
Am Eingang schon entnervt
Gut zu wissen! Aber wisst ihr was? Ihr nervt! „Wir alle wollen einander respektieren und achten. Diese Party soll ein Wohlfühlraum für alle sein, in dem wir miteinander feiern können.“ Fein. Wo ist eigentlich der Wohlfühlraum, in dem ich nicht schon am Eingang im Kinderbuch-Duktus über den korrekten Umgang mit meinen Mitmenschen belehrt werde?
Wenn ich auf eine Party komme, will ich als Erstes was trinken, nicht mich durch wilde Grammatik kämpfen! Dass Tippfehler mir nahe gehen, mag noch mein persönlicher Spleen sein. Aber auch anderen Leuten vermiest es die Stimmung, am Anfang eines netten Abends erst darüber nachdenken zu müssen, dass sich „jemensch“ durch einen Witz verletzt fühlen könnte.
Verstörend ist das! Aber wie läuft das, liebe Leute von der spaßbefreiten Sprachpolizei, kann man denn in solchen Fällen wenigstens darüber reden? Nö: „Akzeptier das und denk darüber nach [sic] wie du nicht wieder eine Person verletzt. Wer das nicht respektieren kann, fliegt raus!“ Da kommt Freude auf. Vielleicht beim nächsten Mal noch einen diskriminierungsfreien Knigge für die unfallfreie Partykonversation dazu?
Ich habe auch keine Lust auf „sexistische, homophobe, transphobe, klassistische, rassistische und andere diskriminierende Äußerungen und Handlungen“. Deswegen gehe ich unter anderem auf eure Partys: Da passiert so was doch sowieso nie! Und wenn es doch passiert, keine Sorge: Wir wissen, dass ihr alle zu unserer Rettung herbeieilen werdet.
Im Ernst: Sichtbare Awareness-Tische sind eine gute Sache. Und wenn es unbedingt sein muss, hängt halt noch ein Plakat irgendwo hin. Aber diese Nummer mit den Flyern? Das ist doch reine Provokation! Gebt’s zu: Euch ist langweilig. Insgeheim hättet ihr nichts lieber als ein bisschen diskriminierende Action in der Bude!
@BammBamm & ch@ter
Tja dann geht halt nicht auf solche Partys, wenn euch das stört. Ich bin sehr froh, dass es Awareness und solche Flyer gibt.
Trifft den Nagel auf den Kopf – wunderbar geschrieben! Bei Euch hat man wenigstens das Gefühl, dass ihr unabhängig seid!
Man will auf Partys nicht permanent Flyer lesen, die einem sagen, was man zu tun hat. Beim Essen übrigens auch nicht. Fördert übrigens NICHT das Ernstnehmen solcher Themen, sondern ich, und auch einige andere, empfinden es als störend, wenn in der Mensa ein Flyer mit dem Teller konkurriert.
Solche Themen im richtigen Kontext und alles ist in Ordnung, aber SO NICHT! In Eurem eigenen Interesse.
Ich finde den Kommentar herrlich. So schön diese Partys auch sein mögen, weil man auch mehr auf andere achtet, nerven diese ständigen Kanzelpredigten ungemein. Die behandeln einen nicht nur intellektuell wie ein Kleinkind, sondern haben auch etwas puritanisches. Man fühlt sich wie auf einer Party der Quäkers.
Herrlich auch immer wieder der gleiche Tenor auf Kritik: Wir kratzen für euch die Krume von der Scholle und werden dafür nur verhöhnt. Selbstreflektion und eingehen auf Argumente: Fehlanzeige. Es wird gleich wild zurückgeschossen. Doof eben, wenn man sich für den Nabel der Welt hält mit der einzig wahren, wahren Wahrheit.
Solange auf solchen Kommentare so reagiert wird, haben diejenigen ihre Toleranzaufgaben nicht wirklich gemacht.
Dieser Artikel stinkt vor Ignoranz… Da wird einem übel.
Eigentlich wollte ich eure Glossen und Kommentare ja nichtmehr kommentieren, aber hier kann ich nun doch nicht anders:
Du schreibst du magst die Atmosphäre auf solchen Parties und meinst sogar, dass dort so etwas doch eh nicht passiert – eine einschätzung, die ich trotz unheimlich großer sympathie für diese und derartige parties nicht in ihrer absolutheit teile, sogerne ich dies auch tun würde – ohne dich einen Moment zu fragen wie denn solch eine angenehme atmosphäre überhaupt erzielt wird.
Nun ich für meinen Teil glaube, dass die angenehme Atmosphäre genau durch solche Flyer (und andere Maßnahmen) erreicht wird. Denn genau wegen dieser Flyer trinken die menshcen dort nämlich nicht ihr erstes Bier bevor sie sich mal kurz gedanken machen, wie ein nettes solidarisches Klima erzeugt und erhalten werden kann.
Ich finde es wichtig, dass in einer Gesellschaft, in der Diskriminierung omnipräsent ist – das hast du ja sebst berichtet – zunächst Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass sich alle wohlfühlen können. Dann kann gerne gefeiert und getrunken werden, mit der gewissheit, dass dies in einem sicheren Raum geschieht.
Insofern nocheinmal großen Dank, an alle die mit ihrer Arbeit in Planung, Awareness, Flyerdrucken, Bar und allem anderen diesen Raum und diese Party ermöglicht haben!
Der Artikel ist echt fies. Geh doch das nächste Mal nicht hin. Oder: hilf bei den Vorbereitungen und mach Änderungsvorschläge!
Es ist doch schon ziemlich dreist wie leute einerseits ganz lässig von der Aufmerksamkeit anderer profitieren, es ganz nett und toll finden, daß auf parties ein solidarisches Klima herrscht – und dann im nächsten satz dieselben Leute, die dieses Klima Herstellen übel zu beschimpfen.
Awareness und Flyer werden gemacht von Menschen, die dafür den ganzen abend nüchtern bleiben, Verantwortung auf sich nehmen und auf eignen Spaß verzichten.
Es ist wirklich der gipfel egoistischer Konsumhaltung, die nette Party mit ihrem Anti-Übergriffskonzept mal eben so “mitzunehmen” und dann im Nachgang die Organisatorinnen zu denunzieren – Bäh.