Öffentlichkeit statt Verwaltung!

Die FU geht gegen das Verteilen politischer Flugblätter vor. Studierende wittern Zensur. Das Vorgehen zeigt: Ihnen wird nicht vertraut. Sie werden verwaltet. Von Matthias Bolsinger

Es vergeht kein Tag an dieser Universität, an dem einem nicht irgendwann irgendwo bunte Zettelchen aufgedrängt werden, um für irgendwas Politisches zu werben. Die politische Dauermobilisierung ist oft einfach nervig. Und dennoch zeigen die Flugblätter: Das studentische Engagement lebt. Studierende wollen etwas verändern, statt sich bloß verwalten zu lassen.

Die Zeit der bunten Zettelchen könnte jedoch bald zu Ende sein. Seit Wochen werden Studierende, die im Foyer der Silberlaube für ihre politischen Aktionen werben, von Bediensteten der FU belästigt. Auf Geheiß des Präsidiums dürfen studentische Gruppen nicht mehr einfach so ohne Weiteres Flyer verteilen. Sie brauchen dafür eine Genehmigung. Studierende wittern Zensur und gezielte Repression.

Rechte Gruppierungen als rhetorische Vogelscheuche

Das Präsidium sieht das naturgemäß anders. Laut Aktivisten des Bildungsprotest habe FU-Präsident Alt das Verteilen von Flugblättern im Akademischen Senat als „politische Veranstaltung“ bezeichnet, die erst genehmigt werden müsse. Dieselben Studierenden, so FU-Präsident Alt, die sich über die präsidiale Dienstanweisung gegen Flugblätter empörten, wären schließlich die ersten, die bei ihm „auf der Matte stünden“, wenn Gruppen aus dem rechten Spektrum in der Silberlaube Flyer verteilten.

Auf den ersten Blick ist das Argument einleuchtend: Wenn wirklich alle ihre Flugblätter verteilen dürfen, dann müssen auch andere politische Gruppen toleriert werden – und die können unangenehm sein. Doch bei näherem Hinsehen zerfällt das Argument. Zum einen ist faschistisches Gedankengut wie das der Burschenschaften an der Freien Universität ohnehin per Satzung nicht erwünscht – Burschis sind auf dem Unigelände also sowieso nicht willkommen. Zum anderen kann eine studentische Öffentlichkeit sehr wohl auch ohne Sicherheitsdienst darauf einwirken, wer auf ihrem Campus politisch werben darf und wer nicht. Jede Wette: Zwielichtige rechte Gruppierungen müssten aus dem Foyer verduften, noch bevor der letzte Flyer verteilt ist.

Was von der Argumentation bleibt, ist eine rhetorische Vogelscheuche. Das Präsidium bastelt ein diffuses, rechtes Schreckgespenst, um – bewusst oder unbewusst – die Verwaltung des öffentlichen Raumes an der Universität an sich zu reißen. Wer für seine politischen Zwecke werben darf, soll in Zukunft nicht die kritische studentische Öffentlichkeit entscheiden, sondern die Uni-Bürokratie.

Kommerz statt Politik – die FU auf dem Holzweg

Die Vorgänge rund um die Flugblattverteilung passen wie ein Mosaikstein ins große Bild einer ausufernden Verwaltungsmentalität und Depolitisierung an der Universität. Das studentische Engagement wird diszipliniert – und könnte nach Belieben aus dem universitären Raum verbannt werden. Schon jetzt gleicht die politische Kultur an der FU einem Torso. Wenn nicht einmal mehr diejenigen für sich werben dürfen, die etwas bewegen wollen, schmilzt womöglich auch der letzte Rest der politisch interessierten Studierendenschaft noch dahin. Dann schaut niemand mehr dem Präsidium auf die Finger. Ohne politische Öffentlichkeit kann es schalten und walten.

Passenderweise schießen immer mehr kommerzielle Werbestände aus dem Silberlauben-Teppichboden: Handyverträge, Abos, Jobs. Für die FU-Verwaltung kein Problem, schließlich fließen für diese phänomenale Werbemöglichkeit Gelder. Politische Werbung – nein, Lifestyle-Kommerz – ja. Die kritische Öffentlichkeit wird von der Verwaltung erstickt. Es sind diese kleinen Wendungen, die anzeigen, auf welch breitem Holzweg die FU mittlerweile stolziert.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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4 Responses

  1. Gickerl sagt:

    Nach Schlägertrupps aus dem Türstehermillieu, Onkel Pieties neuem Bildungsermächtigungs-gesetz RSPO, der wundervollen Apple-Connetion, der Vermüllung mit Werbung und Cremepröbchen, Kickertischen im Klo, folgt nun der Maulkorb. Das klingt eher nach Alpendiktatur als nach Universität.

    Macht euch grade!

  2. Kerzenlicht sagt:

    Nicht nur “Linksaktivismus” leidet darunter. Bei unserem Engagement für die Hochschulgruppe einer anerkannten NGO, die parteipolitisch neutral ist, sich eher für internationale Belange einsetzt und eher moderaten Aktionismus betreibt, werden uns auch unnötiger Weise Stolpersteine von der Univerwaltung in den Weg gelegt.

    Förderung politisch verantwortungsbewusster Bürger scheint irrationaler Weise unerwünscht.

  3. Brausetablette sagt:

    Die komplette Phraseologie des studentischen Linksaktivismus in einem Text zusammengestöpselt.

    Respekt, Matthias Bolsinger!

  4. Nymphadora sagt:

    Ich muss lustigerweise an die Geschwister Scholl denken. Die durften auch keine Flugblätter verteilen.
    Was soll das ? Wo bleibt die politische Meinungsfreiheit ?

    (Anm. d. Red: Letzter Satz aufgrund persönlicher Beleidung entfernt. Bitte diskutiere das Thema des Artikels.)

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