Der Vorreiter lahmt

Wenn Studierende gegen Zustände an der FU protestieren, fordern sie mehr studentische Mitbestimmung, mehr Demokratie. Mara Bierbach sucht die historischen Wurzeln dieses Wunsches.

Illustration: Clara Straessle

Als „pseudodemokratisches Schmierentheater“ beschreibt ein aktueller Flyer des Bildungsprotestes die Zustände an der FU. Der Vorwurf: Die Entscheidungsprozesse an der Uni seien undemokratisch. Professoren haben in den wichtigen Gremien eine absolute Mehrheit. Dadurch würden „die Interessen der größten Statusgruppe – die der Studierenden – bagatellisiert“. Der Traum vieler Aktivisten: eine Viertelparität. Das bedeutet gleiche Stimmenanzahl für Studierende und Professoren.

„Wir kämpfen nicht nur um das Recht, länger studieren zu können. Es geht vielmehr darum, dass Entscheidungen, die die Studenten betreffen, demokratisch nur unter Mitwirkung der Studenten getroffen werden.“ Auch dieses Zitat könnte auf einem Bildungsprotest-Flyer stehen. Tatsächlich stammt es aus einer studentischen Resolution gegen Zwangsexmatrikulationen – aus dem Jahr 1966.

Dass mit Debatten an der Uni immer wieder ein Grundsatzdiskurs über universitäre Demokratie einhergeht, hat an der FU Tradition. Keiner anderen Hochschule ist der Anspruch auf Mitbestimmung so sehr in die DNS gewoben. Fast nirgends haben Studenten aber auch so viele hart erkämpfte Machtansprüche aufgeben müssen.

Bei ihrer Gründung 1948 war die FU eine Exotin: Während etwa in Köln und München Lehrstuhlinhaber – auch Ordinarien genannt – die Fäden fest in der Hand hielten, gründeten Studierende und Professoren die FU gemeinsam. Studierende waren von Anfang an in fast allen Entscheidungsgremien vertreten – wenngleich mit einer Minderheit.

In den 1950ern und -60ern drifteten Professorenschaft und linke Studentenvertretung auseinander. Die einstige Reformuniversität wandelte sich zur traditionellen Ordinarienuniversität. Die Professoren spielten ihre Mehrheit in den Gremien aus. Entscheidungen fällten sie zunehmend an den Lehrstühlen, nach und nach wurden die Studenten aus den Kommissionen verdrängt. Das »Berliner Modell«, die Kooperation Lehrender und Lernender, scheiterte.

Immer wieder kam es zu heftigen Studentenprotesten. Unter dem steigenden Druck verabschiedete der SPD-geführte Westberliner Senat 1969 ein neues Hochschulgesetz. Dieses sah vor, dass in allen Gremien Professoren weniger Stimmgewicht haben sollten als die übrigen Universitätsmitglieder zusammen.

Doch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts beendete 1973 die Hoffnung auf ein gleichberechtigtes Miteinander. Danach muss die Machtverteilung in Gremien zu Lehre, Forschung und Berufung „der herausgehobenen Stellung der Hochschullehrer“ Rechnung tragen. Seitdem können Professoren nicht überstimmt werden. Weitere Reformen in den 1980ern durch die regierende CDU stärkten den Einfluss der Hochschullehrer.

Im März 1997 führte der Berliner Senat die sogenannte Erprobungsklausel ein, um Entscheidungsprozesse an der Uni zu beschleunigen. An der FU fallen seither dem professoral geführten Präsidium mehr Kompetenzen zu – zulasten des Akademischen Senats (AS), der immer mehr zum blo-ßen Kontrollorgan degenerierte. Kritiker wie Mathias Bartelt, Studierendenvertreter im AS, bezeichnen die heutigen Verhältnisse gern als „Präsidialdiktatur“.

Seit den frühen 1970er-Jahren haben professorale Machtansprüche studentische Interessen immer weiter verdrängt – vor allem an der FU. Die RSPO-Proteste aber zeigen: Der Kampf um Demokratie an der FU geht weiter.

Als „pseudodemokratisches Schmierentheater“ beschreibt ein aktueller Flyer des Bildungsprotestes die Zustände an der FU. Der Vorwurf: Die Entscheidungsprozesse an der Uni seien undemokratisch. Professoren haben in den wichtigen Gremien eine absolute Mehrheit. Dadurch würden „die Interessen der größten Statusgruppe – die der Studierenden – bagatellisiert“. Der Traum vieler Aktivisten: eine Viertelparität. Das bedeutet gleiche Stimmenanzahl für Studierende und Professoren.

„Wir kämpfen nicht nur um das Recht, länger studieren zu können. Es geht vielmehr darum, dass Entscheidungen, die die Studenten betreffen, demokratisch nur unter Mitwirkung der Studenten getroffen werden.“ Auch dieses Zitat könnte auf einem Bildungsprotest-Flyer stehen. Tatsächlich stammt es aus einer studentischen Resolution gegen Zwangsexmatrikulationen – aus dem Jahr 1966.

Dass mit Debatten an der Uni immer wieder ein Grundsatzdiskurs über universitäre Demokratie einhergeht, hat an der FU Tradition. Keiner anderen Hochschule ist der Anspruch auf Mitbestimmung so sehr in die DNS gewoben. Fast nirgends haben Studenten aber auch so viele hart erkämpfte Machtansprüche aufgeben müssen.

Bei ihrer Gründung 1948 war die FU eine Exotin: Während etwa in Köln und München Lehrstuhlinhaber – auch Ordinarien genannt – die Fäden fest in der Hand hielten, gründeten Studierende und Professoren die FU gemeinsam. Studierende waren von Anfang an in fast allen Entscheidungsgremien vertreten – wenngleich mit einer Minderheit.

In den 1950ern und -60ern drifteten Professorenschaft und linke Studentenvertretung auseinander. Die einstige Reformuniversität wandelte sich zur traditionellen Ordinarienuniversität. Die Professoren spielten ihre Mehrheit in den Gremien aus. Entscheidungen fällten sie zunehmend an den Lehrstühlen, nach und nach wurden die Studenten aus den Kommissionen verdrängt. Das »Berliner Modell«, die Kooperation Lehrender und Lernender, scheiterte.

Immer wieder kam es zu heftigen Studentenprotesten. Unter dem steigenden Druck verabschiedete der SPD-geführte Westberliner Senat 1969 ein neues Hochschulgesetz. Dieses sah vor, dass in allen Gremien Professoren weniger Stimmgewicht haben sollten als die übrigen Universitätsmitglieder zusammen.

Doch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts beendete 1973 die Hoffnung auf ein gleichberechtigtes Miteinander. Danach muss die Machtverteilung in Gremien zu Lehre, Forschung und Berufung „der herausgehobenen Stellung der Hochschullehrer“ Rechnung tragen. Seitdem können Professoren nicht überstimmt werden. Weitere Reformen in den 1980ern durch die regierende CDU stärkten den Einfluss der Hochschullehrer.

Im März 1997 führte der Berliner Senat die sogenannte Erprobungsklausel ein, um Entscheidungsprozesse an der Uni zu beschleunigen. An der FU fallen seither dem professoral geführten Präsidium mehr Kompetenzen zu – zulasten des Akademischen Senats (AS), der immer mehr zum blo-ßen Kontrollorgan degenerierte. Kritiker wie Mathias Bartelt, Studierendenvertreter im AS, bezeichnen die heutigen Verhältnisse gern als „Präsidialdiktatur“.

Seit den frühen 1970er-Jahren haben professorale Machtansprüche studentische Interessen i

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FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Zwei Gruppen von SDS-Studenten sind derweil dabei, Dutschkes Dogma in der Praxis zu erproben. Die eine, Polit-Kommune genannt, ließ sich im SDS-Hauptquartier am Ku’damm nieder und diskutiert seither die These ihres Theoretikers, nach der “eine Kommune so funktionieren muß, daß durch sie tendenziell die Gesamtgesellschaft umgewälzt werden kann.

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