Lehramtsstudierende werden zu Fachidioten. Ein neues Lehrerbildungsgesetz soll das noch verschärfen – und erntet schon jetzt Kritik. Von Rebecca Eickfeld und Max Krause
Wie erklärt man Kindern den Satz des Pythagoras? Jennifer, ehemalige Lehramtsstudentin, weiß es nicht. Das Gefühl didaktisch nichts zu lernen, quält viele Lehramtsstudierende an der FU. Statt ihnen das Unterrichten beizubringen, bombardieren die Dozenten sie mit Herleitungsformeln aus den Abgründen der Mathematik. „Wir lernen Dinge, die wir im Beruf nie benötigen werden“, beklagt sich die 22-Jährige.
Vor zwei Semestern ist die Studentin daher vom Ethik und Mathelehramt zur Grundschulpädagogik gewechselt. Jetzt sitzt sie in anderen Seminaren als die Lehramtsstudierenden. Während diese meistens zwei Fächer studieren und die Pädagogik nur am Rande abdecken, hat Jennifer nun neue Fächer: In Seminaren lernt sie, wie sie Mathe, Deutsch und Sachkunde am besten vermittelt. „In meinem neuen Studiengang wird sehr viel stärker auf Didaktik und Pädagogik eingegangen“, sagt Jennifer.
Doch jetzt ist ein neues Gesetz in Arbeit, das die Grundschulpädagogen beunruhigt: Wird es verabschiedet, könnte sich das Problem der Lehramtsstudierenden an der FU auch auf die Grundschulpädagogik ausweiten.
In einem ersten Vorschlag einer Expertenkommission aus SPD-Politikern und Universitätsprofessoren heißt es, dass für Grundschulpädagogen „die Studienfelder sprachliche Grundbildung in Mündlichkeit und Schriftlichkeit (Lernbereich Deutsch) sowie mathematische Grundbildung (Lernbereich Mathematik)“ verbindlich werden sollten.
Das heißt: Alle angehenden Grundschullehrer sollen in Deutsch und Mathe das gleiche lernen wie spätere Germanisten und Mathematiker. Theoretisch können damit die Berliner Abschlüsse in Grundschulpädagogik auch in anderen Bundesländern anerkannt werden. Praktisch müssten künftig wohl die Didaktikseminare den Fachvorlesungen der jeweiligen Institute weichen. Die angehenden Lehrer würden also Mittelhochdeutsch und partielle Integration büffeln, um am Ende das Alphabet und das Ein-Mal-Eins zu vermitteln.
Diese Idee erntet sogar parteiintern Kritik. Der SPD-Fachausschuss sprach sich dafür aus, dass die Pädagogik im Mittelpunkt des Studiums stehen soll. Es schwäche die Attraktivität der Berliner Grundschulen, wenn zu sehr nur auf Fachwissen gesetzt werde. Auch die Grundschulpädagogen sind wenig begeistert. „Mit der neuen Regelung wäre ich total überfordert“, sagt Jennifer, „sowohl fachlich als auch später pädagogisch.“ Was sie an den Änderungsvorschlägen schätzt: Im Master ist ein Praktikumssemester vorgesehen. Mehr Praxiserfahrung wäre für sie eine wichtige Verbesserung.
Fest steht bis jetzt aber noch nichts. Ein erster Entwurf für das neue Gesetz stand bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch aus. Trotzdem hat Jennifer Angst – davor, dass die Grundschulen bald mit Fachidioten beliefert werden. Wer auf diese Weise ein guter Pädagoge werden will, müsste sich sein Wissen dann in seiner Freizeit aneignen.