Zurück zur Nacht

Die Dauerbeleuchtung in Städten wirkt sich negativ auf Mensch und Umwelt aus. Gemeinsam mit Schülern will der Physiker Christopher Kyba das Problem angehen. Von Francis Laugstien

Berlin bei Nacht ist alles andere als dunkel. Sogar die Teilung der Hauptstadt ist auf dieser Aufnahme von der Internationalen Raumstation noch erkennbar – im Osten leuchten die Laternen in einer anderen Farbe als im Westen der Stadt. Foto: ESA/NASA André Kuipers

Moderne Städte wie Berlin sind heute 24 Stunden lang hell erleuchtet. Mit der Erfindung der Glühbirne hat der Mensch die Nacht erobert, gleichzeitig aber auch eine neue Art der Umweltverschmutzung erfunden: Lichtverschmutzung. Der kanadische Physiker Christopher Kyba untersucht am Institut für Meteorologie der FU, wie sich die künstliche Aufhellung des Nachthimmels auf den Menschen und seine Umwelt auswirkt.

Die Erforschung der Lichtverschmutzung steckt noch in den Kinderschuhen, doch es gibt viele Hinweise darauf, dass die Wissenschaftler hier auf ein gewichtiges Problem gestoßen sind. Ein Beispiel ist der Einfluss der Dauerhelligkeit auf den circadianen Rhythmus, die innere Uhr des Menschen: Bei Dunkelheit produziert unser Gehirn das Hormon Melatonin. Dieser körpereigene Müdemacher sorgt dafür, dass wir einschlafen. Das ist wichtig, weil im Schlaf das Immunsystem den Körper repariert und so auch Krebs vorbeugt. Licht blockiert die Ausschüttung von Melatonin, hält uns wach und scheint auf diese Weise tatsächlich das Krebsrisiko zu erhöhen. „Es gibt einen mehr als starken Verdacht, dass Licht in der Nacht zu einem Anstieg von Brustkrebserkrankungen führt“, sagt Kyba.

Doch nicht nur die menschliche Gesundheit ist beeinträchtigt; die nächtliche Bestrahlung stört auch Tiere und Pflanzen. Nachtaktive Lebewesen sind ohne den Schutz der Dunkelheit ihren natürlichen Feinden ausgeliefert.

Das Problem ist in der Bevölkerung noch weitgehend unbekannt. Auch deshalb ist es eines von Christoph Kybas Hauptanliegen, Nicht-Wissenschaftler in die Forschung einzubeziehen. Mit seinem Projekt „Skyglow Berlin“ möchte Kyba zusammen mit Schülern aus Berlin und Brandenburg die Helligkeit des Nachthimmels messen. Die Schüler erhalten tragbare Lichtmessgeräte, mit denen sie nachts ins Freie gehen und die Lichtbelastung dokumentieren. Auf diese Weise sollen sie nicht nur für das Problem sensibilisiert werden, sondern auch praktische Erfahrung in wissenschaftlicher Feldforschung sammeln. „Mit etwas Glück werden einige dieser Schüler später zu Lichtdesignern, Astronomen oder Biologen“, hofft Kyba. Die ermittelten Daten werden über eine Onlineplattform Wissenschaftlern und interessierten Personen weltweit zur Verfügung gestellt.

Finanziert wird das Projekt durch Crowdfunding im Internet – also nicht durch eingeworbene Drittmittel aus der Industrie, sondern durch eine interessierte Öffentlichkeit. Bis zum 10. Juni müssen mindestens 5000 Euro eingegangen sein. Mit dieser Summe könnten vier Schulen eingebunden und 20 Lichtmessgeräte angeschafft werden. Momentan sucht der FU-Forscher nach Partnerschulen, die an dem Projekt teilnehmen wollen. Mit seiner unkonventionellen Art der Finanzierung geht er allerdings ein hohes Risiko ein. Wird der erforderliche Betrag nicht erreicht, wären alle Mühen umsonst gewesen.

Um die Lichtverschmutzung zu minimieren, so Kyba, müsste Licht sinnvoller eingesetzt werden. So ließe sich die Verschwendung etwa verringern, indem man große Leuchtreklamen in der Nacht abstellt. Eine düstere Zukunft schwebt Kyba dabei nicht vor. Wohl aber ein kluger Einsatz der Leuchtmittel, mit denen wir die Nacht erobert haben.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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