Am Donnerstag findet vor der Mensa II eine Typisierungsaktion statt: Fünf Minuten und man ist registriert. Studentin Kerstin Hein rief sie ins Leben. Sie selbst wurde durch Stammzellen gerettet. Von Thomas Rostek
Die Diagnose Krebs ist wie ein Schlag ins Gesicht. In jungen Jahren verschwendet man kaum Zeit an den Gedanken, dass die Krankheit bei jedem auftreten kann. Was vielen unvorstellbar erscheint, wurde für Kerstin Hein Realität. Mit 22 Jahren erkrankte sie an Lymphdrüsenkrebs. „Ich habe immer gedacht, ich hätte gesund gelebt, habe viel Sport gemacht und mich gesund ernährt“, sagt sie. „Auf so etwas ist man nicht vorbereitet.“
Das war vor sieben Jahren. Nach der Diagnose hat sie sich mehrmals einer kräftezehrenden Chemotherapie unterzogen. Gleichzeitig begann sie ihr Lehramtsstudium an der FU – Mathematik und Deutsch. Doch der Krebs kam immer wieder, zwei Jahren lang. Letztendlich entschieden ihre Ärzte, es mit einer Transplantation des Knochenmarks zu probieren. Kerstin erhielt das genetische Material einer gesunden Spenderin, um ihre kranken Stammzellen zu ersetzen.
Noch mehr Menschen für Krebs sensibilisieren
Seit fünf Jahren ist der Krebs nicht zurückgekehrt. Heute kämpft die 29-Jährige an anderer Stelle: Sie will Kommilitoninnen und Kommilitonen dazu ermutigen, sich als Stammzellenspender typisieren zu lassen. „Damals habe ich meinen Freunde Wattestäbchen in die Hand gedrückt, das wollte ich jetzt im größeren Rahmen machen.“
Deswegen hat sie am Donnerstag, 27. Juni, gemeinsam mit anderen Studierenden eine Typisierungsaktion organisiert. Vor der Mensa II in der Silberlaube können sich von 10 Uhr bis 17 Uhr Studierende per Wattestäbchen typisieren lassen — schmerz- und kostenlos. Die Datenbank der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (dkms) unterstützt sie dabei. „Ich hoffe, dass so viele Menschen wie möglich kommen“, sagt Kerstin. „Bei so vielen Abermillionen genetischen Kombinationen ist es nicht einfach, einen geeigneten Spender zu finden.“ Nur jeder 1.000.000 Registrierte in der Datei passt auf einen Erkrankten.
Schon mit einer simplen Speichelprobe kann die dkms die genetischen Merkmale einer Person erkennen. Dann wird man Teil einer stetig wachsenden Zahl von freiwilligen Spendern. Geht es nach Kerstin, sollen es noch mehr werden. „Es geht hier um Menschenleben“, sagt sie. Die können mit einer für den Spender ungefährlichen Transplantation gerettet werden. Es sei wichtig, dass noch mehr Leute, vor allem junge Menschen, für dieses Thema sensibilisiert würden.
Leben retten per Wattestäbchen
Wer sich am Donnerstag typisieren lässt, braucht keine Angst vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen haben – auch wenn man eines Tages als Spender infrage kommt. Stammzellen regenerieren sich vollständig, sodass eine Entnahme keine körperlichen Konsequenzen für den Spender hat.
Für den Empfänger hingegen ist eine Heilung nach der Transplantation nicht sicher: „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die neuen Stammzellen das Immunsystem des Erkrankten versuchen anzugreifen und dann eine Abstoßungsreaktion die Folge wäre“, sagt Kerstin. Deswegen sei die Angst vor dem Tod auch danach mitgeschwungen.
Heute nicht mehr. „Ich habe das Gefühl, dass ich niemandem mehr etwas beweisen muss und dass Leistungsdruck unter Umständen auch krank machen kann.“, erzählt Kerstin in einer ruhigen, fast abgeklärten Stimme. Sie wird in einem Jahr ihren Bachelor beenden, was dann kommt, weiß sie noch nicht genau. Sie muss sich schonen, aber ist zuversichtlich. „Meine Zukunft zu planen, hat mir immer Kraft gegeben.“ Diese Möglichkeit hat sie Dank ihrer anonymen Spenderin. Leben schenken kann so einfach sein.