Mit Guru Alt zur inneren Mitte

Im Akademischen Senat soll wieder Frieden einkehren. Harmonie statt verbales Waffenwetzen, das ist das Ziel. Matthias Bolsinger schaut in die Glaskugel und sieht: Der neue Kurs ist ein voller Erfolg.

Illustration: Cora-Mae Gregorschewski

Irgendwas ist anders an diesem ersten Mittwoch im Juli. Schon als die Mitglieder des Akademischen Senats (AS) die erste der beiden Türen zum Tagungsraum öffnen, weht ihnen ein fremder, süßlicher Wind entgegen: Duftkerzen. Nach dem Öffnen der zweiten Tür erstreckt sich vor den Hochschulpolitikern ein Reich aus Pastellfarben – alles neu, alles schön, alles kuschelig.

Der neue FU-Vizepräsident Klaus Beck empfängt alle mit einem breiten Lächeln und einem herzlichen Streicheln und zeigt stolz auf eine Gruppe Musiker, die den Raum mit meditativen Klängen aus dem Mittleren Osten füllen. „Haben wir von der letzten Mensa-Aktionswoche!“, juchzt er nicht ohne Stolz. Weiße Gewänder werden verteilt. Die Sitzung beginnt.

Die Gesprächstherapie hat’s total gebracht: Der AS hört sich wieder zu. Literaturprofessor Joachim Küpper hatte vor Wochen noch gegrantelt, er wolle keine „miefig-piefige Wohnküchenatmosphäre der Siebzigerjahre“. Kein Problem für das Präsidium. Man habe zwar schon die komplette Einrichtung der Kommune 1 in der Hinterhand gehabt, hadert Beck für einen Moment. Doch sofort lächelt er wieder. „Dafür ist der Sitzungssaal jetzt einem indischen Aschram nachempfunden!“ Die Fraktion der Studierenden kommt erst gar nicht dazu, sich über die peinliche Kolonialromantik auszulassen – die präsidiale Teemischung fängt bereits zu wirken an.

FU-Kanzler Peter Lange wirkt wie ausgewechselt, aller Ärger der vorigen Sitzungen ist wie weggeblasen. Mit sanften Händen und nach Rosen duftender Feuchtigkeitscreme verteilt er Nackenmassagen an die Gremiumsmitglieder aller Statusgruppen. Auf den neuen Teppichen, denen die ungemütlichen Stühle weichen mussten, kann er sich gar nicht sattsitzen: „Fluffig! So fluffig!“ Vorbei die Zeiten, in denen Hochschulpolitik kleinkariert und hässlich war. Der AS streitet nicht mehr. Er sucht Wahrheit, Erlösung, Frieden. Wen stört schon der Sitzungsstil von Vizepräsidentin Monika Schäfer-Korting, wenn das Nirwana wartet?

Schon gehen die ersten spirituellen Gerüchte durch die Reihen. Eine Umarmung von FU-Guru Peter-André Alt soll zu einem signifikanten Anstieg von Drittmitteln führen. Alt schweigt. An der Wand hinter der Sitzungsleitung hängt seit Neuestem ein Porträt: Jürgen Habermas lächelt auf das neue Reich des rationalen Diskurses hinab. Professor Raúl Rojas schlägt ihn als neuen Ombudsmann vor. Keine Widerrede, nur aufmunterndes Nicken.

Vier Stunden Sitzung vergehen wie im Flug. Schon ist es 19 Uhr. Doch niemand will gehen. Dann aber platzt Professor Klaus Hofmann-Holland mit einer Bierzeltgarnitur mitten in die meditative Stimmung. Seine Mail mit dem Antrag, in Zukunft nur noch auf bierseligen Sommerfesten zu tagen – „in persönlichen Gesprächen gab’s ja nie Probleme“ –, ging wohl nicht fristgerecht ein. Die Musik setzt aus, ein Konflikt liegt in der Luft. Vizepräsident Beck steht der Schweiß auf der Stirn.

Doch Alt, der Guru, umarmt den Neuankömmling. Musik und Harmonie setzen wieder ein. Der AS tagt weiter, bis tief in die Nacht.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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