Die Theatergruppe „The Poor Kennedys“ ist mittlerweile fester Bestandteil der FU. Dieses Semester führen die Studierenden eine Reihe kurzer selbstgeschriebener Stücke auf: „Berlin Fairytales“. Friederike Werner saß im Publikum.
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Am John-F.-Kennedy-Institut wird wieder Theater gespielt: Fünf kurze Stücke bringt die englischsprachige Theatergruppe „The Poor Kennedys“ dieses Semester auf die Bühne. Alle fünf sind inspiriert von Märchenstoffen, alle spielen in Berlin – und alle sind selbstgeschrieben. Die Rollen wurden im offenen Casting besetzt; als die intensive Arbeit an den Stücken begann, wurden Schauspieler und Autoren zu Teams. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit ist jetzt bühnenreif.
Im Juni kamen mit „Alice in WG-Land“ von Jelena Radovanovic und „Cinderelli“ von Kaja Steinbuch die ersten beiden Berliner Märchen zur Aufführung. Diese Woche geht es nun weiter mit „Manic Pixie Dream Boy“ und „Mermaid and Prince“ von Mara Bierbach und Nadia Nejjar.
Die Premiere der beiden Einakter am Dienstag war ein voller Erfolg, auch wenn das Publikum gefordert wurde. Die Erstlingswerke von Mara und Nadia, direkt nacheinander aufgeführt, bieten abwechslungsreiche Unterhaltung. „Manic Pixie Dream Boy“ ist eine Komödie, „Mermaid and Prince“ hingegen eher ein experimentelles, düsteres Stück. Beide Werke beschäftigen sich aber mit derselben Thematik: Beziehungen. Und beide überzeugen.
Irony at its best
Kostümiert als Vorzeigehipster eröffnet Mara Bierbach ihr Stück, indem sie aus Peter Pan vorliest. Es ist ihre eigene, moderne Version, in der, wie sie sagt, „stuff happens and then other stuff happens“. Zynisch kritisiert Mara die Autorin Mara und die herrliche Selbstironie dieses Intros lässt die Zuschauer ahnen, was auf sie zukommt: eine geballte Ladung Satire.
Wendy betritt die Bühne – eine mit leeren Bierflaschen übersäte Studentenbude – und im Folgenden wird alles, was die zeitgenössische Popkultur zu bieten hat, auf die Schippe genommen: Hipster, “pretentious bands“, Facebook und Twitter, dauerkiffende Künstler in der Selbstfindungskrise und auch das ein oder andere Popsternchen.
Eingerahmt ist das alles in ein Streitgespräch zwischen Wendy und Peter. Er ist die Verkörperung des „Ich will nicht erwachsen werden“-Syndroms; sie versucht, wenigstens ein bisschen verantwortungsbewusst zu sein und fühlt sich dabei, als sei sie Peters Mutter. Gegen ihren Willen wird sie von ihm in die Rolle der zickigen Freundin gedrängt. „Planet Real World“ und „Planet Wonderland“ kollidieren in ihrer Beziehung und es scheint, als seien die Gegensätze zwischen den beiden Liebenden unüberbrückbar.
Die Inszenierung der Beziehung ist wundervoll alltagsnah und bietet viel Identifikationspotential. Die Schauspieler sind authentisch und sicher, das Geschehen auf der Bühne lebendig und geladen mit Wortwitz. Gebannt verfolgte das Publikum das Wortgefecht zwischen Peter und Wendy bis hin zum humorvollen Klimax, auf den dann doch noch ein romantischer Wendepunkt folgt. Viele Lacher und langanhaltender Applaus ehrten Mara Bierbachs Debüt und die Leistung ihrer Schauspieler Camille Barrera und Ben Trotter.
Nervenzerreißendes Drama im apokalyptischen Berlin
Nach einer 15-minütigen Pause geht es weiter mit Nadia Nejjars „Mermaid and Prince“ – und radikalen Stimmungswechsel.
Das Stück spielt in einem apokalyptischen Berlin, das durch noch immer anhaltende Erdbeben zerstört wurde. „Mermaid“ und „Prince“, einstige Liebende, warten beide am verlassenen ZOB auf Busse, die niemals kommen werden, und treffen sich dabei zufällig. Dank der fesselnden Bühnenpräsenz von Miia Laine und Daniel Weimert erfüllt die unangenehme Spannung zwischen den beiden Figuren augenblicklich den ganzen Raum.
In kurzen, wirr angeordneten Szenen wird dem Publikum eine Achterbahnfahrt der Gefühle präsentiert. Die beiden springen hin und her zwischen Streit, ruhiger Vertrautheit, Erinnerungen an alte Zeiten, loderndem Hass und leidenschaftlichen Küssen. Es wird zunehmend schwierig, dem Geschehen zu folgen und es kommen Fragen auf, die offen bleiben. Warum haben die beiden sich getrennt? Ist „Mermaid“ tatsächlich eine Meerjungfrau? Woher kommt der Hass?
Trotz der Verwirrung bleibt die Spannung erhalten. Die Zuschauer waren vollkommen still, atmeten kaum und verfolgten mitgerissen, wie „Prince“ zunehmend psychopathischer wird und sich ein dramatisches Ende anbahnt. Wie im Original wird der Prinz das Verderben der Meerjungfrau.
Das Bühnenbild ist minimalistisch. Doch die beiden Schauspieler, die jegliche Gefühlsausbrüche erschreckend authentisch verkörpern, füllen die Bühne vollends aus. Unterstützt werden sie dabei zusätzlich von akzentuierter akustischer Untermalung.
Die Verwirrung, die Nadia Nejjars Inszenierung hinterlässt, ist gewollt: Die Autorin will, dass das Stück für verschiedene Interpretationen offen bleibt. Und offensichtlich kommt ihre experimentelle Inszenierung gut an – auch das zweite Stück des Abends wurde am Dienstag mit viel Applaus honoriert und begeistert gelobt.
Nicht entgehen lassen: Am Donnerstag um 19 Uhr folgt die zweite Aufführung der beiden Stücke im Raum 340 des JFK-Instituts. Am 08. Juli und am 10. Juli wird dann das letzte Werk der Reihe aufgeführt: „Little Red Riding Ho“ von Burçin Tetik.
Der Eintritt ist kostenlos.